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E-Book

Aus dem Leben eines Musikers

Vollständige Ausgabe

AutorJohann Christian Lobe
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl177 Seiten
ISBN9783849630850
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Johann Christian Lobe war ein deutscher Komponist und Musiktheoretiker. Dies ist seine Autobiografie.

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Leseprobe

VI. Gespräche mit Goethe und Zelter.


 


 

1. Gespräch mit Goethe.

 

 »Die Unterhaltung mit ihm hat meine ganze Ideenmasse in Bewegung gebracht.«

 

 Schiller über Goethe in Diezmann's

 

 »Leben Schiller's«.

 

 

 »Der Flötenspieler Lobe aus Weimar hat sich gestern auf unserm Theater mit großem Beifalle hören lassen, den er auch ganz verdient. Eine reine Tonleiter durch das ganze Instrument, mit der größten Fertigkeit verbunden, wird bewundert, und auch seine eigene Composition hat Gedankenfülle, welche nur noch die Kraft erwartet, die sich wol auch einfindet, wenn sich das Fingergeschlecht hinlänglich wird ausgearbeitet haben.«

 

 Goethe-Zelter, »Briefwechsel«, III, 119.

 

 

Ich hatte mich mit der Bitte um ein Empfehlungsschreiben an Zelter schriftlich an Goethe gewendet, da ich den Muth nicht fand, mein Gesuch mündlich vorzubringen; er ließ mir aber sagen, daß ich den andern Tag um 12 Uhr zu ihm kommen möge, da er mich zu sprechen wünsche.

 

Es würde keinen uninteressanten Beitrag zu dem Capitel von den gemischten Gefühlen in der Psychologie abgeben, wenn ich den ungeheuern Wirrwarr von Schreck und Freude schildern könnte, der mein Inneres diesen und den folgenden Tag durchströmte. Ich beginne aber meine Erzählung gleich mit dem Momente, als ich mit dem stärksten Herzschlag, den ich je in meinem Leben gehabt, und mit einem vom dichtesten Nebel der Befangenheit umflorten Kopfe vor dem Dichterfürsten stand.

 

Er durchschaute meinen miserablen Zustand mit dem ersten Blick, und begann, um einen sprechfähigen Menschen aus mir zu machen, mit gewinnendster Freundlichkeit zu fragen, wann ich abzureisen gedenke.

 

Ich wußte, daß er nach Karlsbad reisen werde, und hatte deshalb mein Gesuch lange vor den Theaterferien eingereicht, in denen ich erst Urlaub erhalten konnte. Dies war der Gedanke, den ich ihm zu erwidern hatte, den ich aber so verwirrt vorbrachte, daß ich fürchten mußte, er werde mich als unzurechnungsfähig sogleich entlassen. Aber er war in einer seiner liebevollsten Stimmungen und fuhr so gleich fort:

 

»Ein Brief an Zelter geht morgen ab. Ich werde Ihrer darin gedenken, und Sie mögen bei ihm einsprechen, wann Sie können, er wird Sie freundlich aufnehmen. Indessen habe ich Sie sprechen wollen, um den Zweck Ihrer Reise näher kennen zu lernen, sodann auch, um Ihnen einige Aufträge zu ertheilen. Sagen Sie mir zunächst, was Sie von einem Besuch bei Zelter hoffen und wünschen.«

 

Diese so nachsichtsvolle Rede fing an, eine beruhigende Wirkung auf mich zu machen, es tauchte allmälig etwas Fassung in mir auf, und ich erwiderte mit weniger gedrückter Stimme und Redewiese, daß ich vor Allem den Wunsch hege, einer Aufführung oder wenigstens einer Probe der Singakademie beiwohnen zu dürfen, über deren treffliche Leistungen so viel Rühmliches verlaute.

 

»Ich konnte mir's denken«, bemerkte Goethe, »allein das ist nicht so leicht, und meine Empfehlungen haben nicht jederzeit den gewünschten Erfolg gehabt. Ob es gleich Zelter nicht an Bereitwilligkeit fehlt, so stehen doch die Umstände nicht ganz in seiner Gewalt. Indeß Sie sind jung, und die Jugend hat Glück.«

 

Ach, nicht jede! klagte es in meinem Innern, ohne daß ich dem Gedanken Ausdruck zu geben gewagt hätte. Goethe las ihn offenbar in meinem Gesicht, denn er fuhr sogleich fort:

 

»Oder glauben Sie an den Ausspruch nicht?«

 

Ich hatte so viel Muth gewonnen, um die Erwiderung zu wagen, daß der Gedanke wahr sein müsse, da Excellenz ihn ausspreche. Aber alles habe Ausnahmen, und mir komme es zuweilen vor, als gehöre ich zu derartigen Ausnahmen.

 

Da nahm sein Gesicht einen ernstern Ausdruck an, und er bemerkte: »Eine solche Aeußerung höre ich von keinem Menschen gern, am allerwenigsten von jungen Leuten, die noch gar nicht wissen, was zu ihrem Glück dienen kann. Zudem deutet sie auf hohe Ansprüche und auf Verzagtheit zugleich. Damit verbittert man sich das Leben und schwächt den guten Muth zum Handeln.«

 

In der Gefahr kommt mir die Fassung. Diese Wendung des Gesprächs war für mich, der ich Goethe vergötterte, eine große Gefahr. Ich fühlte, daß ich sie durch eine gute Antwort beseitigen müsse, und erwiderte deshalb sogleich mit einer ehrfurchtsvoll dankbaren Miene, indem ich zum ersten Mal den Kopf hob und ihm offen in sein Jupiterauge blickte: Verzeihen Ew. Excellenz meine Bemerkung. Die Lehre schon, deren Sie mich würdigen, muß ich ja als ein Glück erkennen, denn sie wird mir Zeitlebens im Gedächtniß bleiben; ich werde mich derselben dadurch würdig zu machen suchen, daß ich sie stets mit gutem Muth zu befolgen trachten will.

 

Bei dieser Antwort nahmen seine Züge wieder den frühern freundlichen Ausdruck an, und er entgegnete beruhigend: »Halten Sie diesen Entschluß fest, und Sie werden gut dabei fahren. Und da Sie guten Rath annehmen, so will ich Ihnen mittheilen, worin meine Aufträge bestehen, wovon Sie jedoch keine Mittheilung an Andere machen wollen.«

 

»Ich wünsche nach Ihrer Rückkehr von Berlin ein getreuliches Referat über die dortigen Zustände von Ihnen zu vernehmen, über das öffentliche Leben, so viel Sie es zu beobachten Gelegenheit finden, über die Personen, mit denen Sie etwa in Berührung kommen, namentlich über Theater und Musik. Ich erhalte zwar von Zelter gute Schilderungen, aber er ist alt und Berliner. Sie sind jung und Weimaraner. – Haben Sie schon früher Reisen gemacht?«

 

Es ist meine erste, Excellenz, erwiderte ich, und ich würde auch diese nicht unternehmen können, wenn ich nicht hoffen dürfte, auf der Berliner Bühne in den Zwischenacten als Virtuos mich produciren und durch das Honorar die Reisekosten gewinnen zu können.

 

»Gut«, sagte er, »so werden die Eindrücke um so frischer auf Sie wirken. Lassen Sie sich nicht durch ihre Neuheit übermannen und zur Ueberschätzung verleiten. Beobachten Sie mit Unbefangenheit, legen Sie den Dingen Nichts von dem Ihrigen bei und unter. Sie werden hoffentlich Wolfs dort besuchen. Merken Sie, wie es diesen in Berlin gefällt und wie sie in Berlin gefallen. Sie finden ferner zu der Zeit der Ferien Unzelmann dort gastirend. Ich wünsche, zu erfahren, wie er von dem Berliner Publikum aufgenommen wird.«

 

Nicht ohne einigen Stolz auf dieses Vertrauen, das mir der verehrte große Mann zeigte, versprach ich, das Geforderte zu erfüllen, so weit es meine Kräfte nur irgend gestatten würden.

 

»Es wird gut sein«, fuhr Goethe fort, »wenn Sie sich vorläufig ein möglichst ausführliches Schema aller der Dinge notiren, denen Sie Ihre Aufmerksamkeit zuwenden vollen, mit Hauptrubriken und Unterfragen. Schreiben Sie z.B. unter ›Theater‹ als specielle Fragen: Stück? Dichter? Schauspieler? Aufnahme des Publikums? Wirkung auf mich? Und da Sie mir geschrieben, daß Sie in Gesellschaft zweier Kameraden reisen, auch ›Wirkung auf diese?‹ u.s.w. Sie entgehen damit der Gefahr, Umstände zu übersehen; Ihre Beobachtungen erhalten Vollständigkeit u.s.w. Führen Sie überdies, wie dort, so auch unterwegs ein genaues Tagebuch, worin Sie Alles, auch das scheinbar Geringfügige, aufzeichnen. Es giebt Nichts, über das sich nicht interessante Beobachtungen anstellen ließen. Gewöhnen Sie sich also, über jede Erscheinung eine Betrachtung oder mehrere zu machen, und wo Ihnen solche nicht im Augenblicke kommen wollen, da schreiben Sie wenigstens in Ihr Tagebuch: ›Hier sind Betrachtungen anzustellen.‹ Was der Geist heute nicht, giebt er morgen oder später.«

 

Goethe mochte an meinen immer glücklicher strahlenden Augen erkennen, daß ein für seine Lehren empfängliches Menschenkind vor ihm stehe, und es ist ja bekannt, daß er in solchen Fällen und bei sonst guter Stimmung gern von seinen geistigen Schätzen mittheilte. Er nahm stets lebhaftes Interesse für die bildungsdurstige Jugend, und ganz besonders für junge Künstler. Seine Neigung aufzuklären, anzutreiben, auf die bezüglichen rechten Wege aufmerksam zu machen, vor falschen Richtungen zu warnen, war immer groß und nahm mit den Jahren zu. Einen Beleg dazu findet man in dem Gespräch mit Eckermann, worin er diesem erzählt, was er dem Maler Preller angedeutet, als dieser behufs seiner weitern Ausbildung nach Italien reiste.

 

Danach wird man auch Das, was ich hier aufzuzeichnen habe, keineswegs unwahrscheinlich finden, wenn ich auch bemerken muß, daß dieses Gespräch mein erstes mit ihm war, und er früher wohl kaum etwas Anderes von...

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