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E-Book

Im Rausch der Jahrhunderte

Alkohol macht Geschichte

AutorJochen Oppermann
Verlagmarixverlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783843805810
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Seit der zehnten Auflage des Werks Systema Naturae von Carl von Linné, das im Jahr 1758 erschien, hat sich der Begriff 'Homo sapiens' als Artbezeichnung für den anatomisch modernen Menschen durchgesetzt. Der vernünftige Mensch, wie wir uns selbst zu nennen pflegen, ist jedoch weit davon entfernt, seinem Wesen nach stets vernünftig zu sein. Ein Blick in unsere Geschichte verrät vielmehr, dass der für die Vernunft notwendige 'nüchterne' Geist nur allzu oft auf der Strecke geblieben ist. Ebenso wie wir haben auch unsere Vorfahren hin und wieder gerne nachgeholfen, um die Unwägbarkeiten der profanen Realität abzuschütteln. Eines der 'bewährtesten' Mittel zur Überwindung der Nüchternheit ist dabei von jeher der Alkohol. Was im Kleinen funktioniert, hat - was nicht überraschend ist - auch bei welthistorischen Ereignissen häufig eine bedeutende Rolle gespielt. Von Alexander dem Großen über Karl V., Bismarck und Churchill bis in unsere Gegenwart zieht sich eine unauslöschliche Spur von Bier, Wein, Schnaps und Likör. Und auch die dunklen Kapitel der Historie wie Kriege und Völkermord waren nicht unwesentlich durch den Konsum von Alkohol geprägt. Dieser bis heute weitgehend unbeachteten Facette der Geschichte spürt Jochen Oppermann mit der gebührenden Ernsthaftigkeit und zugleich auf spannende und unterhaltsame Weise nach. Ein ironischer Unterton hin und wieder darf dabei natürlich nicht fehlen - schließlich soll man ja auch nicht alles so 'bierernst' nehmen. So viel sei dem Leser versichert: Katerstimmung kommt hier auf keinen Fall auf.

Jochen Oppermann, geboren 1980 in Kaiserslautern, entwickelt schon als Kind die Leidenschaft für alles, was eine Geschichte hat. Über den Umweg einer Ausbildung im öffentlichen Dienst kam es dann doch noch zum Geschichtsstudium. Heute arbeitet er in einer rheinland-pfälzischen Realschule und ist in der philoso- phischen Erwachsenenbildung tätig. Er lebt mit seiner Familie im geschichtsträchtigen Meisenheim am Glan.

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Leseprobe

ZECHEN ALS KULTISCHE HANDLUNG


ALEXANDER DER GROSSE UND DIE EROBERUNG DER WELT


»Aber Blut wird fließen, wenn du mit den Bakchen kämpfst.«

(Euripides, Bakchen)

Babylon, 10. Juni 323 v. Chr.

Der Sommer ist besonders heiß. Doch noch heißer fühlt sich sein Inneres an. Immer wieder verlangt er nach einem Becher Wein zur Abkühlung. Dann und wann tauchen vertraute Figuren an seinem Bett auf. Sie sprechen mit ihm. Seine geliebte Roxane und in ihrem Bauch der noch ungeborene Alexander, der einst über die Welt herrschen soll, die er erobert hat. Bis zu den Strömen Indiens hat er seine Männer vorangetrieben, er, der neue Dionysos, der neue Achill. Immer an seiner Seite, sein treuer Freund aus Kindheitstagen, Hephaistion, sein Patroklos. Im Herbst des letzten Jahres war er von ihm gegangen. Nichts hat ihn mehr geschmerzt als jener Verlust.

Nun verlangt er nach einem weiteren Becher Wein, natürlich ungemischt. Er trinkt und lässt den halbleeren Becher fallen. Er sieht Hephaistion, er will zu ihm …

Westkleinasien, Mai 334 v. Chr.

Die Sonne brannte erbarmungslos auf die Köpfe der Krieger. Ihre Strahlen spiegelten sich im nahen Fluss Granikos und ließen die Rüstungen und Helme glühen. Zur Erfrischung hatte die Truppe an jenem Tag bereits früh am Morgen ihren Wein bekommen, genauso wie die mythischen Griechen der grauen Vorzeit im Kampf um Troja:

»Nein, zu essen befiehl bei den schnellen Schiffen den Achaiern

Von Brot und Wein, denn darin liegt Mut und Kampfkraft. […]

Der Mann aber, der gesättigt mit Wein und Speise

Den ganzen Tag über kämpft mit feindlichen Männern,

Dem ist kühn das Herz im Innern, und seine Glieder

Werden nicht eher müde, ehe alle vom Kampf zurückgehen.«

(Homer, Ilias, Neunzehnter Gesang)

Da es sich bei Alexanders Truppe hauptsächlich um Makedonen handelte, bekamen sie den unvermischten Wein, wofür sie im übrigen Griechenland als »Barbaren« beschimpft wurden. Denn dort trank man den Wein verdünnt, je nach Anlass in einem Verhältnis von 1:2 oder 1:5.

Der Wein, gepaart mit seinem wilden Wesen, hatte Alexander (356–323 v. Chr.) schon viele Male zu besonderen Taten getrieben. Bei der Schlacht am Granikos sollten dies auch die Truppen des persischen Statthalters erfahren.

Eigentlich hätten die Mittel der Perser und ihrer griechischen Verbündeten zur Genüge ausgereicht, das makedonische Heer wieder zurück über den Bosporus zu jagen. Am Fluss Granikos boten sie Alexander eine Schlacht mit doppelter Überlegenheit an. Zudem waren sie besser positioniert: Der Granikos schützte die persische Stellung und dahinter lag eine weite Ebene, wo sich die berühmte persische Reiterei voll entfalten konnte. Nachdem Alexander einige Einwände seiner Generäle, vor allem Jahres- und Tageszeit betreffend, abgetan hatte, hielt es den Feldherrn nicht mehr.

»Und er stürzte sich an der Spitze von 13 Reiterschwadronen in den Fluß. Wie er so im Geschoßhagel gegen ein steiles, mit Fußvolk und Reitern besetztes Gelände lossprengte, von der Strömung mitgerissen und von den Wogen umbrandet, sah er eher aus wie ein Rasender und Verrückter als wie einer, der einem strategischen Plan folgte.«

(Plutarch, Alexander, 16)

Nur mit größter Mühe gelang es Kleitos, einem treuen Freund und Offizier, zu verhindern, dass Alexander vom gegnerischen Feldherrn Spithridates mit einer persischen Streitaxt niedergeschlagen wurde. Doch statt sich endlich zu besinnen und sich aus dem unmittelbaren Kampfgetümmel zurückzuziehen, trieb Alexander sein Pferd weiter in die Reihen der Gegner. Seine entsetzte Leibwache musste wohl oder übel ihrem Herrn folgen, so auch der Rest des Heeres.

»Während die Reiterschlacht so auf Messers Schneide stand, setzte die makedonische Phalanx über den Fluß, und das persische Fußvolk rückte gegen sie vor. Dieses leistete aber weder tapfere noch anhaltende Gegenwehr, sondern wandte sich zur Flucht, ausgenommen die griechischen Söldner. Diese stellten sich geschlossen an einem Hügel auf und boten Alexander ihre Übergabe an. Er aber stürmte, mehr dem Zorn als vernünftiger Überlegung folgend, allen voran gegen sie los, verlor dabei sein Pferd, das von einem Schwerthieb in die Seite getroffen wurde – es war aber nicht Bukephalos, sondern ein anderes –, und es gab hier die meisten Gefallenen und Verwundeten auf makedonischer Seite.«

(Plutarch, Alexander, 16)

Alexander brachte sich und seine Armee durch sein unüberlegtes Handeln in größte Gefahr, gefährdete also den Feldzug bereits in diesem frühen Stadium. War an diesem leichtfertigen und riskanten Verhalten vielleicht der Wein schuld, den er mit den anderen Kriegern vor der Schlacht getrunken hatte?

Unerfahren waren die Griechen im Umgang mit dem Wein nicht, sie wuchsen ja mit ihm auf, waren allenthalben von ihm umgeben. »Wo aber der Wein fehlt, stirbt der Reiz des Lebens«, schreibt etwa der große Dramatiker Euripides (484–406 v. Chr.) und gibt uns einen Hinweis auf die Stellung des Rebensaftes. Aller Wahrscheinlichkeit nach gelangte der Wein im zweiten vorchristlichen Jahrtausend von den Phöniziern im heutigen Libanon in die Ägäis und zu den dort herrschenden Hochkulturen der Minoer und Mykener. Rasch gehörte der Wein neben Oliven und Getreide zu den Grundnahrungsmitteln. In Homers Odyssee begegnet er uns bald hier, bald dort: »Jene mischten für sie den Wein in den Kelchen mit Wasser.« (Homer, Odyssee, I, 110) »[…] und schweigend trinke jeder den Wein […].« (Homer, Odyssee, I, 340) Der Wein gehörte allen Menschen, und wenn diese keinen Wein kannten, waren sie keine Menschen oder zumindest Barbaren.

Alexander hatte derweil im November 333 v. Chr. das Heer des persischen Großkönigs Dareios III. (ca. 380–330 v. Chr.) bei Issos besiegt und hatte damit bereits jetzt mehr erreicht, als sich jeder Grieche zu träumen gewagt hatte. Während der Perserkönig daraufhin nach Osten floh, zog der Makedonenkönig nach Ägypten. Dort ließ er sich als Pharao feiern und gründete eine Stadt, die er selbstverständlich nach sich benannte. Wie bereits erwähnt, stand der Pharao hier in der kultischen Pflicht, bei vielen Festen völlig berauscht zu sein. Wenn er sich obendrein noch übergab, war das Fest besonders gelungen und damit die Gunst der Götter sicher. Alexander dürfte das gefallen haben. Doch hätte es des ägyptischen Brauchtums gar nicht bedurft, denn die griechische Tradition bot ihrerseits reichlich Anlässe zum Zechen und die passenden Rituale gleich dazu, ja, selbst den passenden Gott: Dionysos.

Alexanders Mutter Olympias (ca. 375–316 v. Chr.) war eine große Anhängerin des Dionysos gewesen, der sich zur Zeit Alexanders großer Beliebtheit erfreute. Durch sie wurde der Prinz in die Welt des orgiastischen Rausches eingeführt. Wer war aber dieser Gott, der sinnigerweise den Beinamen »der Rasende« oder »der Lärmer« trug?

Das Werk, das uns ein wenig Aufschluss über den Gott des Rausches geben kann, ist das Drama »Die Bakchen« von Euripides. Als dritter Teil einer Tetralogie war es um 406 v. Chr. entstanden und wohl das erste Mal bei den Dionysien des Jahres 405 v. Chr. aufgeführt worden. Das Drama behandelt den Einzug des Gottes Dionysos in seine (mythische) griechische Geburtsstadt Theben. Der dortige König Pentheus sowie die Einwohner Thebens aber weigern sich, ihn als einen Gott anzuerkennen. Der König lässt ihn schließlich einsperren und spricht: »Fort mit dir! Sperrt ihn in den nahe gelegenen / Pferdestall, damit er nurmehr dunkle Finsternis / erblickt! […]« (Euripides, Bakchen, 2. Akt, 2. Stasimon)

Doch Dionysos lässt das nicht ungestraft mit sich geschehen und verwandelt die Frauen Thebens in wilde Mänaden, die mythischen Begleiterinnen des Gottes. Bei den Römern sollten sie Bacchantinnen genannt werden und Dionysos selbst Bacchus (wobei Bakchos ursprgl. aus Thrakien stammt). Bei Euripides eilt nun ein Bote zu König Pentheus, um ihm von dem wilden Treiben zu berichten. Das Drama endet damit, dass die Stadt Theben den ersten Dionysoskult einrichtet. Bestandteil dieses Kultes waren die orgiastischen Zeremonien der Frauen, die sich in Trance versetzten, um vom Gott Dionysos besessen zu werden. Alexanders Mutter Olympias habe dabei besonders engagiert gewirkt und das Treiben zu Ehren der Gottheit auf die Spitze getrieben, indem sie mit einer riesigen, zahmen Schlange in den Händen tanzte. (Vgl. Plutarch, 2)

Gerade der Rausch war Grundvoraussetzung für den Kontakt mit dem Gott und die Griechen konnten sich bei den feuchtfröhlichen Festen einmal nach Herzenslust austoben. Immerhin hatten sie auch noch das Gefühl, etwas...

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