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E-Book

1 Esdras

AutorDieter Böhler
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl255 Seiten
ISBN9783170263611
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis62,99 EUR
1 Esdras ist eine alternative Fassung zum Buch Esra-Nehemia in der Septuaginta. In den meisten Ostkirchen genießt es kanonischen Status, in der Vulgata und der King-James-Bibel wurde es in die Apokryphen aufgenommen. Dieser Kommentar ist seit Jahrzehnten der erste in deutscher Sprache, und überhaupt der erste, der den kritischen Text der Göttinger Septuaginta-Ausgabe zugrundelegt. 1 Esdr wird hier nicht mehr als Fragment des Chronistischen Geschichtswerks noch als bloße Kompilation verstanden, sondern als kohärente Erzählung. Deren Auslegung als Literaturwerk und die Rekonstruktion der Textentstehung berücksichtigen die historischen Hintergründe der erzählten (Perser-)Zeit sowie der (hasmonäischen) Abfassungszeit. Gegenwärtig findet 1 Esdr in der Wissenschaft wieder erhöhte Aufmerksamkeit. Das Verhältnis von 1 Esdr zu Esr-Neh gilt als Paradebeispiel für literarhistorische Entwicklungen in Israel.

Prof. Dr. Dieter Böhler SJ lehrt Exegese des Alten Testaments an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt.

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Leseprobe

1Esdras. Einleitung


Textüberlieferung


Griechischer Text

1Esdr ist ursprünglich in hebräischer und aramäischer Sprache verfasst, aber nach 100 n. Chr. nur noch von den Christen, und das heißt in griechischer Übersetzung, überliefert worden. Der griechische Text von 1Esdr findet sich in den großen Unzialen Codex Vaticanus (4. Jh., Rom), Alexandrinus (5. Jh., London) und Venetus (8. Jh., Rom). Im Sinaiticus ist 1Esdr nicht überliefert (auch 2Esdr nur ab 9,9), muss aber enthalten gewesen sein, da 2Esdr als „Esdras B“ bezeichnet wird, woraus folgt, dass „Esdras A“ einst vorausging. Die Unzialen bezeugen „einen alten, von rezensionellen Überarbeitungen verhältnismäßig noch wenig berührten Text“ (Hanhart, Textgeschichte, 18). Origenes hat 1Esdr nicht bearbeitet. Die Minuskeln überliefern den Text in drei Rezensionen: der „lukianischen“, die den Text immer wieder an MT anzugleichen sucht, und den beiden Rezensionen „a“ und „b“, die vor allem stilistische Glättungen vornehmen. Diese beiden Rezensionen sind auch im Esterbuch bekannt. Einige Minuskeln bezeugen einen Mischtext (Hanhart, Textgeschichte, 18.28–32).

Lateinischer und syrischer Text

Die lateinische Textüberlieferung liegt in zwei Übersetzungen vor: die ältere „Versio Vulgata“ (Vg), die Hieronymus nicht angetastet hat, wird seit Cyprian zitiert gefunden (Hanhart, 15). Sie enthält immer wieder „lukianische“ Lesarten. Die andere, im Codex Colbertinus (9. Jh., Paris, Sabatier, 1751, 1041–1067) enthaltene Version LaC ist ein treuer Zeuge der „lukianischen“ Rezension (Hanhart, 32; ders., Textgeschichte, 19). Die syrische Übersetzung ist „Lukian“ verwandt, die äthiopische bezeugt den B-Text. Außerdem gibt es eine armenische Version.

Josephus, Kirchenväter

Unter den indirekten Zeugen ist Josephus, der in Ant. XI, 1–158 eine Paraphrase von 1Esdr 2–9 bietet (den Chronikstoff von 1Esdr 1 bringt er nicht, da er die Königszeit ohnehin an anderer Stelle referiert), sehr bedeutend, da er einen vorrezensionellen Text hatte (Hanhart, Textgeschichte, 18). Die griechischen und lateinischen Kirchenväter bieten immer wieder Zitate und Anspielungen auf 1Esdr – meist die Pagenerzählung (Denter, Stellung, 1–13.53–67), aber doch so knapp, dass auf Textformen nicht zurückgeschlossen werden kann (Hanhart, Textgeschichte, 19). Im Mittelalter wurde die Pagenerzählung (1Esdr 3–4) als Serubbabelgeschichte aus Josephus in den hebräischen Josippon aufgenommen und so auch bei den Juden wieder populär.

Qumran

In Qumran ist mit 4Q117 (= Esr 4,2–6.9–11 und 5,17–6,5) aus der Mitte des 1. Jhs. v. Chr. die Buchfassung Esr-Neh auf jeden Fall belegt. De Troyer, Once More, 421, vermutet hinter den aramäischen Fragmenten 4Q550, die Milik noch für den lange vermissten Esterbeleg in Qumran halten wollte, die aber schon Crawford „4QTales of the Persian Court“ nannte, Belege für das hebräisch-aramäische Buch 1Esdr. Die in den Fragmenten auftauchenden Eigennnamen legen die Identifikation mit 1Esdr nicht nahe, aber es ist ja nicht gesagt, dass alle Fragmente dasselbe Buch belegen. Die Fragmente sind ediert bei Puech und Beyer. Nach Beyer, Texte, 149, besteht 4Q550 aus Fragmenten von mindestens zwei, höchstens vier Hss (2. Hälfte 1. Jh. v. Chr.) und enthält eine legendäre Hofgeschichte, deren „Abfassung um 200 v.Chr. in der östlichen Diaspora“ erfolgte.

Entstehungszeit

Der terminus ante quem der Übersetzung von 1Esdr ist Flavius Josephus. Vieles deutet jedoch auf eine wesentlich frühere Übersetzung. Enge Berührungen bestehen vor allem mit DanLXX, aber auch Est und 1–2Makk. All das weist ins 2. Jh. v. Chr. Indizien für ptolemäischen Sprachgebrauch (Talshir, Origin, 254, 258) könnten an Ägypten als Ort der Übersetzung denken lassen, aber ein Ausdruck wie „Cölesyrien und Phönizien“ für עבר נהרה weist in die seleukidische Zeit und nach Palästina als den Ort für die Übersetzung (Talshir, Origin, 268). Auch für die Entstehung deren Vorgängerfassung „Proto-Esra“ (ProtEs = 1Esdr 2.5,7 – 9,55 // Esr 1–10 + Neh 7,37b.8,1–12) dürfte nicht mehr die Perserzeit, sondern die ptolemäische Zeit (3. Jh.) in Frage kommen (s. u. „Diachrone Perspektiven der Buchentstehung“). Entsprechend erfolgte die Einfügung der Pagenerzählung später, aber noch auf hebräisch-aramäischer Sprachebene (Z. und D. Talshir, Story, 152–155). So dürften die Abfassung des hebräisch-aramäischen ProtEs um 250, des hebräisch-aramäischen 1Esdr um 130 und dessen Übersetzung ins Griechische bald nach 130 v. Chr. erfolgt sein.

Synchrone Betrachtung der Endgestalt


Anfang und Ende von 1Esdr

Anfang und Ende des überlieferten Textes von 1Esdr haben über lange Zeit in den Augen vieler Ausleger ausgeschlossen, dass der vorliegende Text ein vollständiges Buch sein könne (Walde, Mowinckel, Pohlmann). Am Anfang springt die Erzählung in 1,1 mitten in Joschijas Geschichte hinein (// 2Chr 35,1), am Ende scheint der Satz 9,55 (// Neh 8,12–13?) abgebrochen zu sein. Im Fall des Anfangs wollte man immer wieder einen Beleg für die Einheit des „Chronistischen Geschichtswerks“ sehen (Chr–Esr), im Fall des Endes nahm man oft an, es müsse über 1Esdr 9,55 (// Neh 8,12) hinaus noch mehr Nehemiatext dagestanden haben.

Beide Annahmen sind unbegründet. Arie Van der Kooij hat in zwei Artikeln den jetzt vorliegenden Text als Buchanfang und Buchende mit guten Gründen verteidigt. Für den abrupten Erzählungsbeginn mitten in der Joschijageschichte liegt in der unmittelbaren Umgebung von 1Esdr eine Parallele vor: Auch 1Chr beginnt seine Erzählung mitten in der Saulgeschichte (1Chr 10) und setzt offenbar die Kenntnis von 1Sam voraus. Nach Van der Kooij schließt 1Esdr 1,21f. aus, dass dem Buch einst auch 2Chr 33 vorausging. Der Schlusssatz von 1Esdr ist keineswegs, wie gern behauptet wird, abgebrochen. Nur wenn Neh 8,13 als Vorlage behauptet wird, kann dieser Gedanke (etwas gezwungen) aufkommen. Der griechische Übersetzer setzt mit seinem „denn: sowohl … als auch“ (ὅτι καὶ … καὶ) einen abgeschlossenen hebräischen Vorlagesatz voraus.

Vier Akte

Dass die Erzählung mit Joschijas Pascha einsetzt, hat seinen Grund darin, dass der vorexilische Höhepunkt Judas und seines Jerusalemer Gottesdienstes unter Joschija programmatisch an den Anfang gestellt werden soll. Wenn dann der joschijagleiche Davidide (!) Serubbabel sich anschickt, den zerstörten Tempel wieder aufzubauen, verbindet sich damit die Botschaft, dass vom Haus David die Wiederherstellung des Jerusalemer Tempels und seines Gottesdienstes zu erwarten sei. Die Erzählung entwickelt sich nach Protagonisten und (Perser-)Königen in vier Akten: Judas Niedergang bis zum Exil (1Esdr 1); Scheschbazzars Baubeginn unter Kyrus und der Abbruch unter Artaxerxes (1Esdr 2); Serubbabels Tempelbau unter Darius (1Esdr 3–7); Esras Maßnahmen unter einem späteren Artaxerxes (1Esdr 8–9).

1. Akt: Joschija und Judas Ende

Nach dem Einsatz mit dem vorexilischen Höhepunkt unter Joschija wird zunächst der Niedergang Judas mit der Zerstörung des Tempels und der Exilierung der Bevölkerung erzählt. Damit ist das zu lösende Problem mit der Messlatte, die wieder zu erreichen ist, vorausgeschickt (1Esdr 1 // 2Chr 35–36).

2. Akt: Scheschbazzar unter Kyrus

Im zweiten Akt erlaubt der Perserkönig Kyrus den Juden Heimkehr und Wiederaufbau. Scheschbazzar führt eine Alijah nach Jerusalem und legt beim Wiederaufbau Jerusalems auch die Tempelfundamente (1Esdr 2,1–14 // Esr 1). Aber die Juden werden unter einem neuen König (Artaxerxes) an der Vollendung des Tempels gehindert (1Esdr 2,15–25 // Esr 4,7–24).

3. Akt: Serubbabel unter Darius

Erst unter Darius ergibt sich im dritten Akt die Möglichkeit, das alte Anliegen fortzuführen. König Darius richtet nach einem Gastmahl einen Wettstreit seiner Leibwächter aus über die Frage, was das Mächtigste sei. Diesen Wettstreit gewinnt der dritte Leibwächter Serubbabel, der daraufhin vom König die Erlaubnis zum Aufbau von Stadt und Tempel erbittet (1Esdr 3–4). Mit einer zweiten Alijah zieht Serubbabel nach Jerusalem hinauf, baut den Altar, inauguriert den Gottesdienst und macht sich mit der Fundamentlegung an den Tempelbau. Altarbau und Fundamentlegung ziehen wieder die Feindschaft der Völker des Landes an, deretwegen seit Kyrus der Bau nie fertig wurde (1Esdr 5 // Esr 2,1–4,5). Aber durch das Auftreten der Propheten Haggai und Sacharja wendet sich das Blatt. Die persischen Inspektoren unterstützen nach einem Dariusbriefwechsel, der dem Artaxerxesbriefwechsel sehr ähnlich sieht und doch so anders ausgeht, den Bau bis zu seiner Vollendung (1Esdr 6–7 // Esr 5–6).

4. Akt: Esra unter Artaxerxes

Im vierten Akt zieht der Priester Esra unter einem späteren Artaxerxes mit einer dritten und letzten Alijah hinauf. Diese Reise wird, anders als die vorigen, ausführlich dargestellt (8,27–64 // Esr 7,28b–8,36). Ihr Ziel ist nach einem amtlichen Schreiben des Artaxerxes die Überbringung von Weihegeschenken an den fertiggestellten Jerusalemer Tempel, v. a. aber die Visitation von Juda und...

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