„Nicht nur lange Reisen machen Spaß“ ist das Motto, nach dem ich lebe und meine Reiselust stille. Mit meinen Berichten „1 Tag in …“ möchte ich zu Kurztrips inspirieren, aufzeigen, was man alles an einem Tag erleben kann oder einfach nur unterhalten. Hier gibt es jede Menge Tipps und Karten zum Nachmachen für alle, die wenig Zeit zum Reisen haben oder deren Geldbeutel – wie meiner – nicht endlos gefüllt ist.
Berlin-Route Teil 1. Quelle: OpenStreetMap und Mitwirkende, CC BY-SA
„Is jut, Frollein”, raunzte der Busfahrer und würdigte mich keines Blickes. Dabei wollte ich doch nur danke dafür sagen, dass er mir die Türe zwar vor der Nase zugeknallt, sie jedoch zerknirscht wieder geöffnet hatte. Ihn schien es allerdings nicht sonderlich zu interessieren, dass ich schnaufend meinen zentnerschweren Koffer in die Linie 128 hievte. Manches ist eben an allen Orten dieser Erde gleich: Launische Busfahrer und Sprints zu öffentlichen Verkehrsmitteln gehören auf jeden Fall dazu – samt Übergepäck versteht sich.
Die Vorfreude auf meinen Hauptstadtbesuch war groß, allerdings musste ich ihn mir erst einmal sauer verdienen. Nach einer 20-minütigen Busfahrt stand ich mit heruntergeklappter Kinnlade an der Straßenbahn. Nein, liebe Berliner, ich nenne sie nie wieder Tram. Das habe ich mir einmal erlaubt und fühlte mich nach einem entgeisterten „bitte was?“ wie ein Neandertaler bei seinem ersten Besuch in der Zivilisation. Jedenfalls sagte mir die Anzeigetafel, dass die STRASSENBAHN erst in 40 Minuten kommen würde. Aber nach nur fünf Minuten und bevor mein Blutdruck in den Bereich mittelschwerer Hypertonie stieg, tuckerte das Schienenfahrzeug schließlich herbei. „Netter Scherz der Berliner Verkehrsgesellschaft“, murmelte ich vor mich hin.
Rund 80 Minuten nach meiner Landung in Tegel stand ich endlich an der Rezeption meines Hotels, das sich im, nennen wir es mal ländlicheren Berlin, sprich in Pankow, befand. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb ich einen Zimmerschlüssel bekam, einen echten Schlüssel. Das hatte es bei keinem meiner letzten 38 Hotelbesuche gegeben. Ich sehnte mich nach der gewohnten Chipkarte und überlegte kurz, ob ich mich spontan für eine andere Herberge entscheiden sollte. Wer wusste schon, was sich in einem Zimmer mit SCHLÜSSEL verbarg. Aber ich wollte mich nicht so anstellen und konnte mich mit meiner Behausung schließlich sogar anfreunden. Eigentlich war es eh egal, schließlich war ich nicht zum Schlafen in der Hauptstadt.
Nach weiteren Straßenbahn-, S- und U-Bahn-Fahrten – wer in der Provinz wohnt, muss Gefallen am Umsteigen finden – stand ich schließlich in der Nähe des Brandenburger Tors. Dachte ich zumindest. Beim Blick auf meinen Stadtplan stellte ich jedoch nach einigen Orientierungsschwierigkeiten fest, dass ich eine Haltestelle zu früh ausgestiegen war. Das machte aber nichts, denn wie ich auf meinem rund zwei Quadratmeter großen Papierstück erkennen konnte, lag die Museumsinsel (1) direkt auf meinem geplanten Spazierweg gen Brandenburger Tor – wer hat sich das mit den faltbaren Stadtplänen bloß ausgedacht?
Hurtig marschierte ich ausnahmsweise gleich in die richtige Richtung und knipste wie ein Weltmeister drauflos. Der Berliner Dom (2) sowie der Berliner Lustgarten zogen mich mit ihrer Schönheit derart in ihren Bann, dass ich sie unbedingt festhalten wollte.
Entspannen vor der Kulisse des Berliner Doms
Der Fernsehturm, der als Hintergrundkulisse des Doms in den Berliner Himmel ragt, machte sich auf meinen Bildern ebenfalls recht gut. Nach meinem 20-minütigen Fotoshooting hatte sich die Akkulaufzeit von Frau Kolumna (meiner Kamera) um einen Balken reduziert, und ich beschloss, meinen Weg fortzusetzen. Ich spazierte über die Schlossbrücke (3) und bewunderte die acht Skulpturen, von Nike, Athena und Iris.
Von der Schlossbrücke über den Prachtboulevard „Unter den Linden“ (4) ging es nun schnurstracks zum Brandenburger Tor (5). Es war zwar schon ein Weilchen her, das hier die Grenze zwischen West und Ost verlief, dennoch hielt ich einen Moment inne und dachte an diese Zeit. Allzu viele Emotionen konnten allerdings nicht aufkommen, dafür war einfach zu viel Rummel auf dem Pariser Platz davor. Ein paar Künstler, Lebenskünstler, Polizisten und vor allem jede Menge Touristen tummelten sich dort. Autos musste ich allerdings in unmittelbarer Nähe nicht fürchten, das Brandenburger Tor darf ausschließlich zu Fuß durchschritten werden. Darf – und muss.
Autofreie Zone: das Brandenburger Tor
Lebenskünstler, Polizisten und vor allem Touristen en masse: der Pariser Platz
Während ich also durch das traditionsträchtige Tor stolzierte, hatte ich rechter Hand schon fast die nächste Sehenswürdigkeit vor der Linse: den Reichstag. Nettes Plätzchen, das unsere Bundeskanzlerin samt Konsorten als ihren Arbeitsort bezeichnen darf. Lange hielt ich mich dort jedoch nicht auf. Eine Führung stand zwar auf meinem imaginären Programm, aber ich würde Berlin sicher auch mal bei schlechtem Wetter besuchen. Informiert hatte ich mich dennoch schon: Eine 90-minütige Führung kostet nichts, es bedarf allerdings einer vorherigen schriftlichen Anmeldung. Ich investierte meine Zeit an diesem Tag lieber ins Verspeisen einer XXL-Portion Eis.
Allerdings nahm ich mir erst noch die Visite der Siegessäule (6) vor, bevor ich den kühlenden Gaumenfreuden frönte. Der Marsch auf der Straße des 17. Juni, die ihren Namen zum Gedenken an den Aufstand der DDR-Bürger im Jahre 1953 trägt, erwies sich als länger als vermutet. Als ich nach gefühlten zwei Stunden Fußmarsch vor dem 66,89 Meter hohen Bauwerk stand, bereute ich meine körperlichen Strapazen aber keineswegs. Die Siegessäule samt Goldelse, wie die Berliner die vergoldete Victoria auf der Spitze nennen, ist wirklich beeindruckend. Ihr majestätischer, erhabener Charme verkörpert auf jeden Fall den Grund ihrer Entstehung. So wurde die Siegessäule anlässlich des preußischen Sieges im Krieg zwischen Deutschland und Dänemark errichtet. So, nun genug gestaunt. Mein Eishunger wollte gestillt werden.
Zum Gedenken an den Erfolg von Preußen im Krieg zwischen Deutschland und Dänemark errichtet – die Siegessäule.
Daher schlenderte ich zurück in Richtung Brandenburger Tor, variierte meine Route jedoch etwas und durchstreifte den Tiergarten. Wer dort wie ich wilde Tiger und drollige Elefanten erwartet, wird jedoch enttäuscht, denn der Tiergarten ist ein Park. Nicht wirklich vergleichbar mit dem Englischen Garten in München, dem Hyde Park in London oder dem Central Park in New York, aber zumindest so in etwa. Ein Besuch lohnt sich bei schönem Wetter allemal, um ein bisschen auszuspannen, die zahlreichen Denkmäler oder einfach nur Fauna und Flora zu betrachten. Der Tiergarten ist Kurfürst Friedrich III. zu verdanken, der ihn im 17. Jahrhundert als Lustgarten für die Bevölkerung erbauen ließ.
Das Naturerlebnis findet spätestens am Postdamer Platz (7) ein jähes Ende. Dort angekommen, stach mir sofort das riesige Sony Center ins Auge. Weil mir selbstverständlich bloßes Schauen nicht reichte, stand ich Sekunden später im Inneren des imposanten Kuppelbaus. Im Juni 2000 öffnete das Sony Center mit seinen insgesamt sieben Gebäuden zum ersten Mal seine Pforten. Mittlerweile beherbergt das hochmoderne Bauwerk zahlreiche Geschäfte, Restaurants, Wohnungen, das Legoland Discovery Centre und das Filmhaus.
Nun war es jetzt aber wirklich höchste Eiszeit für mich, und endlich stand ich mit Pistazie, Zitrone, Cookie und einem breiten Grinsen unter der strahlenden Berliner Sonne.
Altmodische Schilder und moderne Bauten am Potsdamer Platz
Gestärkt setzte ich auf der Leipziger Straße (8) und der Friedrichstraße (9) mein Sightseeing fort. Meine nächste Station hieß Checkpoint Charlie (10), der einstige militärische Kontrollpunkt. Den ehemaligen Grenzübergang zwischen Ost- und West-Berlin empfand ich als einen unglaublich bewegenden Ort, an dem sich ein großes und trauriges Kapitel in der Historie Berlins abspielte. Etwa die zahlreichen Fluchtversuche, häufig mit tödlichem Ausgang oder der Austausch von Agenten und Gefangenen. Mich überkam ein Gefühl von Gänsehaut. Zudem war es mittlerweile bitterkalt, und ich hoffte inständig, dass ich bald fotografiertaugliche Handschuhe finden würde. An diesem Tag musste ich noch mit meinen vereisten Fingern klarkommen.
Am südlichen Ende der Friedrichstraße knipste ich trotz der Kälte wie wild die bemalten Mauerreste. Wenn deren Geschichte eine...