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100 Fehler bei der Einstufung von Pflegebedürftigen

und was Sie dagegen tun können. Das neue Begutachtungsinstrument. Die aktuellen Pflegegrade. Die pflegefachliche Einschätzung. Kompetent einschätzen. Pflegegrad. Richtig argumentieren

AutorJutta König
VerlagSchlütersche
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl96 Seiten
ISBN9783842688018
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Mit dem neuen Begutachtungsassessment (NBA) gibt es ab 1. Januar 2017 nur noch Pflegegrade. Der ausschlaggebende Faktor für einen bestimmten Pflegegrad ist der Grad der Selbstständigkeit, den der Pflegebedürftige (noch) hat. Das ist neu, das ist ungewohnt - und das birgt Gefahren. Fehler sind schnell passiert und führen unter Umständen zu einer fehlerhaften Einstufung. Das muss nicht sein. Mit diesem Buch lassen sich gleich 100 mögliche Fehler bei der Einstufung vermeiden. Für den Umgang mit dem NBA wurde das Werk grundlegend überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht. Ein unverzichtbarer Ratgeber für den Alltag in der Pflege. Auf den Punkt gebracht: Kompakt - die Grundlagen des Neuen Begutachtungsassessments Kompetent - die Vorbereitung auf den MDK-Besuch Know-how - Argumente und Strategien für die Begutachtungssituation

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Leseprobe

1 DAS VERFAHREN


1. Fehler: Annahme, der Antrag müsse einer Form
entsprechen


Kein Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung bedarf einer bestimmten Form. Man kann also schreiben, wie oder was man will. Hauptsache, es wird klar, was man möchte. So kann der Antrag lauten: »Ich bitte um Einstufung« oder »Ich bitte um Feststellung meines Pflegegrades« oder »Ich bitte um Feststellung der Pflegebedürftigkeit«. Oder formvollendet: »Hiermit bitte ich um Feststellung der Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI.«

Evtl. kommt auf dieses Schreiben hin ein Formvordruck der Pflegekasse, der vor der Begutachtung ausgefüllt werden soll (vgl. 2. Fehler).

2. Fehler: Annahme, die Vordrucke der Kasse seien korrekt


Die Vordrucke der Pflegekasse sind auszufüllen, denn der Versicherte hat eine Mitwirkungspflicht. Diese Pflicht betrifft aber nicht etwa eine Pflegeeinrichtung, sondern den Antragsteller selbst! Bei den Vordrucken sollten Sie aber genau hinsehen. Einige Formulare sind bei der Auflistung anrechenbarer Bereiche unvollständig. Das muss kein böser Wille sein, aber evtl. wird das, was auf dem Vordruck fehlt, später auch nicht berechnet. Was nicht angegeben wird, kann zumindest bei einer Aktenlagebegutachtung nicht angerechnet werden.

Gelegentlich werden irreführende Fragen gestellt, welche die Einschränkung des Pflegebedürftigen nicht korrekt abbilden. Lautet beispielsweise die Frage: »Kann der Versicherte selbständig essen oder wird dem Pflegebedürftigen das Essen gereicht?«, muss mit Nein geantwortet werden, wenn der Pflegebedürftige nur mit Anleitung sein Essen in den Mund nimmt. Selbständig sieht anders aus! Auch wenn er erst auf Aufforderung das Glas zum Munde führt, trinkt er nicht selbständig. Die Fragen in einem Bögen der Kassen oder des MDK »Kann der Versicherte allein essen?« lässt die Einschränkungen »überwiegend selbständig« (= 1 Punkt) und »überwiegend unselbständig« (= 2 Punkte) eher außen vor und das ist grundsätzlich nicht korrekt.

Tabelle 1 stellt alle anrechenbaren Verrichtungen der Grundpflege (am Modul 4: Selbstversorgung) dar. All diese Verrichtungen sind einzeln anrechenbar. Was in den Selbstauskunftsbögen der Kassen oder des MDK nicht aufgeführt ist, wird auch nicht berücksichtigt.

Tabelle 1: Modul 4, Selbstversorgung (= Grundpflege)

3. Fehler: Annahme, ein Selbstauskunftsbogen der Kasse müsse ausgefüllt werden


Wenn ein Antrag bei der Pflegekasse eingeht, so senden einige Kassen direkt einen sogenannten »Selbstauskunftsbogen« zu. Wie im 2. Fehler schon angedeutet, hat die Einrichtung keine Mitwirkungspflicht, weder der ambulante Dienst noch die Pflegeeinrichtung. Lediglich der Versicherte selbst hat die Pflicht zur Mitwirkung. Und wenn er diesen Bogen der Kasse oder mitunter auch des MDK nicht ausfüllen kann, bleibt der Bogen eben leer. Einige Kassen oder MDK-Geschäftsstellen wollen die Dokumentation geschickt haben. Auch das machen Sie natürlich nicht: Kein Dokument verlässt das Haus.

Die Kassen versuchen dann ggf. Druck aufzubauen. Sie behaupten, die Bearbeitungszeit würde sich verlängern. Oder sie schreiben die Einrichtung an und weisen darauf hin, dass die Einrichtung verpflichtet sei, mitzuwirken. Natürlich findet sich in solchen Schreiben kein Hinweis darauf, in welchem Gesetz stehen soll, dass die Einrichtung verpflichtet ist …

Dann nennen einige Kassen (vermehrt habe ich das im nördlichen Baden-Württemberg, der Kurpfalz, erlebt) als Hinweis § 18 SGB XI. Originalzitat aus einem Schreiben der AOK Mannheim: »Unsere Datenforderung stützt sich auf § 18 Abs. 5 SGB XI.« Ein Paragraf verleiht dem Schreiben natürlich zusätzlich Gewicht. Aber davon sollten Sie sich nicht beeindrucken lassen. Denn im § 18 SGB XI Abs. 5 heißt es: »(5) Die Pflege- und Krankenkassen sowie die Leistungserbringer sind verpflichtet, dem Medizinischen Dienst oder den von der Pflegekasse beauftragten Gutachtern die für die Begutachtung erforderlichen Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen.« Was sind nun aber »erforderliche Unterlagen«? Wer definiert das?

Schauen Sie hier in den Begutachtungs-Richtlinien1 nach. Dort steht auf Seite 29 (»4.5.1 F 1.1 Pflegerelevante Fremdbefunde«):

Vorliegende Befundberichte sind zu prüfen und auszuwerten, soweit sie Angaben über Schädigungen und Beeinträchtigungen der körperlichen, kognitiven oder psychischen Funktionen, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder Fähigkeiten führen können sowie zu gesundheitlich bedingten Belastungen und Anforderungen oder zu vorhandenen Ressourcen enthalten.

Zu den Befundberichten gehören zum Beispiel

Pflegedokumentationen, …«

Selbstverständlich stellen Sie dem Gutachter die Pflegedokumentation zur Verfügung. Zur Verfügung stellen bedeutet aber nicht, die Doku zu kopieren und zuzuschicken!

4. Fehler: Unrechtmäßiger Antragsteller


Immer wieder gehen Anträge bei den Pflegekassen ein, die nicht rechtmäßig unterzeichnet sind. So unterschreibt die Tochter für den Vater, die Nichte für die Tante, die Freundin für eine Bekannte, die Pflegeeinrichtung für den Pflegebedürftigen. Das ist nicht korrekt und könnte angefochten werden.

Unterschriftsberechtigt sind nur folgende Personen:

Versicherter

Bevollmächtigter des Versicherten (schriftlich)

Gesetzlich bestellter Betreuer des Versicherten (Fürsorge Gesundheit)

Pflegeperson im häuslichen Bereich (wird von den meisten Kassen akzeptiert)

Sollte jetzt jemand aus dem pflegerischen Bereich einer stationären Einrichtung denken: »Na prima, dann lassen wir uns eben von jedem Bewohner eine Vollmacht geben«, so muss er sich evtl. fragen lassen, ob man bei einem Interessenskonflikt überhaupt eine Vollmacht einholen kann. Schließlich steigt mit dem Pflegegrad auch das Heimentgelt für die Einrichtung. Es steigt allerdings nicht der Eigenanteil der Bewohner. Alle Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 2 bis 5 zahlen den gleichen Eigenanteil, aber die Einrichtung bekommt mehr, je höher der Grad ausfällt.

Wer bei der Antragstellung keine Fehler machen möchte, sollte immer den genannten berechtigten Personenkreis beachten. Das heißt natürlich nicht, dass eine stationäre Einrichtung bei einer veränderten Pflegesituation untätig bleiben muss.

5. Fehler: Es wird akzeptiert, dass ein Bewohner keinen Antrag stellt


Jede Leitung einer stationären Pflegeeinrichtung kennt die Situation: Die Pflegesituation des Bewohners hat sich deutlich verändert. Man bittet den Bewohner (oder seinen Bevollmächtigten/Betreuer) einen Höherstufungsantrag zu stellen. Aber er weigert sich. Gemäß § 87a Abs. 2 SGB XI hat das Heim aber eine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen.

Ist der Pflegebedarf so hoch, dass der Pflegebedürftige einem höheren Pflegegrad zuzuordnen ist, so ist der Pflegebedürftige verpflichtet, einen Antrag zur Begutachtung (= Höherstufung) zu stellen. Der Heimträger hat den Heimbewohner schriftlich aufzufordern. Die Aufforderung muss begründet werden und ist an den zuständigen Sozialhilfeträger und die zuständige Pflegekasse weiterzuleiten.

Weigert sich der Bewohner dennoch, einen Antrag zu stellen, so ist das Heim berechtigt, »ab dem ersten Tag des zweiten Monats nach der Aufforderung vorläufig den Pflegesatz nach dem nächsthöheren Pflegegrad« (§ 87 Abs. 2 SGB XI) zu berechnen.

Beispiel: Wird der Heimbewohner, bisher in Grad 2, am 20. Juni aufgefordert, einen Antrag zu stellen, so wäre das Heim bei Weigerung berechtigt, ab dem 1. August das Heimentgelt nach Pflegegrad 3 zu berechnen.

Der Sozialhilfeträger wird aber erst dann ein höheres Heimentgelt bezahlen, wenn ein entsprechender Bescheid der Pflegekasse vorliegt.

Wenn der MDK nach einer höheren Berechnung die Voraussetzungen für einen höheren Pflegegrad nicht befürwortet und die Kasse aufgrund des Gutachtens den höheren Pflegegrad ablehnt, muss die Einrichtung das zu Unrecht berechnete Heimentgelt mit 5 % Verzinsung zurückzahlen.

Hinweis

Mit § 87 Abs. 2 SGB XI hat jede Einrichtung ein probates Mittel gegen die permanente Weigerung mancher Bewohner (oder deren Vertreter), eine Höherstufung zu beantragen. Aber gleichzeitig ist darauf zu achten, dass jede Aufforderung und jede Zuordnung zu einem höheren Pflegegrad auch tatsächlich gerechtfertigt und die Begutachtung gut vorbereitet sein muss.

Obwohl Pflegebedürftige in Pflegegrad 2 bis 5 den gleichen pflegerelevanten Eigenanteil zahlen, wollen dennoch einige eine höhere Einstufung verhindern. Hier hilft nur Aufklärung seitens der Einrichtung.

6. Fehler: Annahme, nach Antragstellung komme immer ein...


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