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1.000 Euro für jeden

Freiheit. Gleichheit. Grundeinkommen

AutorAdrienne Goehler, Götz W. Werner
VerlagUllstein
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783430920056
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Angst vor zunehmender Armut und Erwerbslosigkeit prägen unsere Gesellschaft. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Der heutige Sozialstaat weiß darauf keine Antwort. Es fehlt an Ideen, die Wende zur Kulturgesellschaft zu gestalten. Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein bahnbrechendes Konzept, um dem grundlegenden Wandel von Leben und Arbeit zu begegnen und die Menschen von Existenzangst zu befreien. Einfach, gerecht und finanzierbar! Es schafft Sicherheit und Freiraum für Kreativität und Eigeninitiative, gibt der Arbeit ihren Sinn und den Menschen ihre Würde zurück. Götz Werner und Adrienne Goehler zeigen, wie das Bedingungslose Grundeinkommen in die Praxis umgesetzt werden kann und wie es den Traum der Französischen Revolution von einer solidarischen Gesellschaft einlöst. Die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen ist auch ein zentrales Thema von Jan Peters Film Nichts ist besser als gar nichts. Susanne Wiest vertritt darin die Idee des Grundeinkommens als sympathische Protagonistin. Der Film zeigt eine Arbeitsgesellschaft im Wandel, in der ein wachsender Teil der Bevölkerung Zuflucht zu 'selbständigen Tätigkeiten' nehmen muss. Wir begegnen Menschen, denen es mit Ideenreichtum, Geduld, Witz und viel Mühe gelingt, sich trotz verschärfter Bedingungen irgendwie durchzuschlagen. Weitere Informationen finden Sie unter www.nichts-ist-besser-als-gar-nichts.de.

Götz Werner, Gründer und Aufsichtsratsmitglied der dm Drogeriemärkte, war Vordenker eines bedingungslosen Grundeinkommens.

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Leseprobe

1. Kapitel

Was wäre, wenn …

Kein Versprechen – eine Idee

»Tausend Euro für jeden – das ist ein konkretes Versprechen, das jeder sofort versteht«, sagte der Verlagsleiter bei der gemeinsamen Suche nach einem Titel für unser Buch und schaute fragend in die Runde. Ist das so? Würden wirklich alle sofort verstehen, um was es geht? Würden sich Frauen gleichermaßen wie Männer angesprochen fühlen?

Tausend Euro für jeden, für alle, ob reich oder arm, ob alt oder jung. Wollten wir uns wirklich auf diese Zahl festnageln lassen? Würden wir vermitteln können, dass es sich bei ihr zuallererst um eine Denkgröße handelt, und würde auch klar, dass es bei der Idee des Grundeinkommens um sehr viel mehr geht als um Geld? Würde der Untertitel deutlich genug machen, dass es um die Annäherung an einen Menschheitstraum geht, vielleicht um den Traum schlechthin? Um ein Leben ohne Existenzangst und um die Freiheit, tun zu können, was man will, statt tun zu müssen, was man nicht will? Um eine veränderte Gesellschaft, in der jede Person nach ihren Fähigkeiten und Neigungen tätig sein könnte?

Der Wunsch, in einer besseren Welt zu leben, findet bereits in den Schriften der monotheistischen Religionen, Judentum, Christentum und Islam, seinen Niederschlag. Diese greifen alte Überlieferungen aus dem Zweistromland auf – als Folge des frühzeitlichen Klimawandels war diese Region an der Wende vom 12. zum 11. Jahrtausend vor Chr. plötzlich ausgetrocknet. Hatte man im ganzjährig milden Klima die Früchte zuvor einfach von den Bäumen pflücken können, musste die Ernte nun mühsam und mit Hilfe schwerer Werkzeuge eingebracht werden. Die stetig wachsende Bevölkerung litt unter zunehmender Knappheit. Streit und Zwietracht waren die Folge und wurden später in den dramatischen Geschichten über den Sündenfall, die Vertreibung aus dem Paradies und den Brudermord Kains an Abel verarbeitet.

In den darauffolgenden 13 000 Jahren Menschheitsgeschichte waren Mangel, Hunger und Kriege die Regel, das Paradies rückte in immer weitere Ferne – und wurde als Sehnsuchtsort doch nie vergessen. Heute scheint es unerreichbar, betreiben wir unfassbaren Raubbau an der Natur, schlägt diese mit Erdbeben und Tsunamis zurück, führen wir Kriege und manövrieren wir unser Welthandelssystem an den Rand des Abgrunds.

Wer angesichts solcher Zustände über die Verwirklichung eines Menschheitstraums redet, läuft Gefahr, als realitätsfremd angesehen zu werden. Und wer dieser Tage das Postulat »Tausend Euro für jeden« aufstellt, wird zunächst einmal kritisch beäugt.

Tausend Euro für jeden. Das ist kein Versprechen. Wir wollen und können nichts versprechen. Wir wollen nicht einmal gewählt werden. Aber wir wollen, dass die Menschen die Wahl haben, ob und wie sie die Gesellschaft mitgestalten – dass ihnen Alternativen aufgezeigt werden. Das bedingungslose Grundeinkommen ist so eine Alternative, die im Nachdenken über eine gerechte Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt. Es ist der Dreh- und Angelpunkt für eine notwendige gesellschaftliche Weiterentwicklung, die unabdingbar ist: Für Götz Werner ist das bedingungslose Grundeinkommen der »archimedische Punkt«, der mit seiner gewaltigen Hebelwirkung des unbefangenen Denkens die Welt zu einer besseren machen könnte.

Tausend Euro für jeden. Für alle. Das ist eine Idee, die, im Sinne des Philosophen Friedrich Schelling, sich erst im Gebiet des Wissens realisiert haben muss, ehe sie sich in der Geschichte realisieren kann. Dazu wollen wir einladen und dabei die Hoffnungen genauso wie die Herausforderungen, die sich mit einem bedingungslosen Grundeinkommen verknüpfen, benennen und diskutieren.

Kurz: Wir wollen einen gesellschaftlichen Denkprozess aufgreifen und begleiten, anstoßen und weitertreiben, der schon seit geraumer Zeit in Gang ist und der sich in den letzten Jahren und vor allem seit dem Crash von Lehman Brothers unglaublich beschleunigt und intensiviert hat.

Im Zwischenraum von
»Nicht mehr und noch nicht«

Im Jahr 2006 hatten wir fast zeitgleich unsere ersten Bücher veröffentlicht – und darin beide schon das Grundeinkommen thematisiert:

Die eine von uns beiden, Adrienne Goehler, hatte in ihrem Buch Verflüssigungen den Aufbruch in eine Kulturgesellschaft skizziert, wie er an den Rändern unseres Sozialstaates schon seit geraumer Zeit zu erkennen ist. Sie spürt den Verunsicherungen der »flüssigen Moderne« (Zygmunt Bauman) nach, die keine angestammten Plätze mehr vergibt, weil sich Leben und Arbeit derzeit radikal verändern, mithin auch alle Gewissheiten – und charakterisiert diese Phase umfassender gesellschaftlicher Veränderungen als eine Zeit des »Nicht mehr und noch nicht«. Der Sozialstaat, wie wir ihn noch kennen, ist längst an seine Grenzen gestoßen und trägt nicht mehr über die neuen Ungewissheiten der Gegenwart. Aber noch sind die Umrisse einer kulturell definierten Gesellschaft nicht genug ins öffentliche Bewusstsein gedrungen. Noch halten wir aus Angst vor der ungewissen Zukunft an der bekannten Vergangenheit und ihren Lösungsansätzen fest, obwohl zugespitzt gilt, was schon Albert Einstein feststellte: Wir können nicht die Probleme mit demselben Denken lösen, das sie hervorgebracht hat. Dennoch, stellt Goehler fest, bewegt sich eine Menge, vor allem im kulturellen Feld, dem sie selbst zuzurechnen ist, als Beobachterin und Autorin. Dort drückt sich die postindustrielle Realität am stärksten aus, werden neue Modelle von Leben und Arbeit gefunden und aus Not erfunden, die eine zunehmende gesellschaftliche Relevanz haben, dort treten aber auch die Fragen danach, wie wir eigentlich leben wollen, offener zutage. Und obwohl die wirtschaftliche Bedeutung des kulturellen Sektors erheblich zunimmt, ist die Hälfte aller Arbeitsplätze darin so schlecht bezahlt, dass sie von der »Avantgarde der prekären Verhältnisse« spricht.

Diese Beobachtung machte Adrienne Goehler als Präsidentin der Hamburger Hochschule für bildende Künste, als Mitglied diverser nationaler und internationaler Kunstgremien und Jurys, als Berliner Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Kultur und auch als Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds. Sie brachte sie zu der Frage: Ist es vorstellbar, dass eine Gesellschaft, deren Leitidee das Kulturelle ist und die den Sozialstaat weiter und anders denkt, sich auf eine ökonomische Grundsicherung, ein Grundeinkommen für alle verständigt, ein »Bürgergeld«, »allocation universelle«, »renda basica«, »reddito di cittadinanza«, »basisinkomen«, »borgerløn«? Ausgehend von der Überlegung, dass eine Gesellschaft in solch einem dramatischen Umbruch es sich nicht leisten kann, auf die Talente so vieler Menschen zu verzichten, indem sie diese auf ihren Marktwert reduziert.

Den anderen von uns beiden, Götz Werner, hatte die unternehmerische Praxis schon vor längerer Zeit zum Thema Grundeinkommen geführt – genauer seine Empörung über das komplizierte und ungerechte Steuersystem. In seinem ebenfalls 2006 erschienenen Buch Einkommen für alle erklärte er, wie das öffentliche Steuerwesen als ein bürgerliches Gestaltungsinstrument funktionieren könnte, das Gerechtigkeit schafft. Steuern und Abgaben sind lediglich Ausdruck eines gesellschaftlichen Teilungsprinzips. Je nachdem, wie man das gesellschaftliche Vermögen einsammelt und wieder aufteilt, entsteht dabei Gerechtigkeit oder eben nicht. Deswegen kann und darf man nicht gedanken-, sprach- und tatenlos zusehen, wie ein ungerechtes System weitere Ungerechtigkeiten verursacht. Angesichts der wachsenden Armut in Deutschland, der schlechten Bildung, der immer größer werdenden Schere zwischen Arm und Reich und einer Vielzahl von »Einzelfällen« alltäglicher Demütigungen und Würdelosigkeiten, die er über die Jahre beobachtet hat, braucht es – das war dem Autodidakten und Chef eines 30000 MitarbeiterInnen starken Handelsunternehmens klargeworden – dringend neue Ideen.

Und so stellte sich Götz Werner am Ende seiner Überlegungen, auf der Basis vollkommen unterschiedlicher Erfahrungen, fast dieselbe Frage wie Adrienne Goehler: Was wäre, wenn die Existenz eines jeden Bürgers garantiert und bedingungslos durch ein existenzsicherndes Grundeinkommen gesichert wäre?

Wir trauen uns

Im Herbst 2007 trafen wir im Freiburger Stadttheater erstmals zusammen, eingeladen vom dortigen Unabhängigen Kulturrat, der ahnte, dass es zwischen uns beiden funken könnte. An einem kalten, düsteren Werktag im November referierten wir unsere jeweiligen Zugänge zum Grundeinkommen und nahmen wahr, dass unsere Fragen und Erfahrungen trotz grundverschiedener Hintergründe ineinander griffen.

Der eine, Unternehmer, ökonomisch mit der Freiheit und Macht ausgestattet, das denken, sagen und auch vieles davon erproben zu können, was er will, hatte sich das bedingungslose Grundeinkommen längst zur lebenslänglichen Forschungsfrage gemacht. Die andere zögerte noch etwas, war aber bereits angesteckt von der Leidenschaft, die die Vorstellung bereits an ganz verschiedenen Ecken der Gesellschaft auslöste. Wir tasteten uns über unsere Fragen und Einschätzungen aneinander heran, mit uns ein...

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