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E-Book

225 Jahre Knast

Die Bekehrung eines berüchtigten Finanziers

AutorFlorian Homm
VerlagFinanzBuch Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783862488544
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
53 Jahre und 153 Tage in Freiheit. Doch jetzt soll er 225 Jahre ins Gefängnis. Florian Homm. Der Zweimeterhüne, »Plattmacher« und einstige skrupellose Hedgefonds-Manager. Von seinen Häschern verfolgt kommt es in Florenz zum Showdown: Er wird vor den Augen seiner Familie entführt und ins Florenzer Gefängnis Sollicciano gebracht. Die Strippen ziehen die US-Justiz und das FBI, die Homm um jeden Preis in den Vereinigten Staaten vor Gericht stellen wollen. Die Folgen sind selbst für Homm, der im härtesten Business der Welt zu Hause war und in Venezuela niedergeschossen wurde, die Hölle: soziopathische, allmächtige Gefängniswärter, die Häftlinge wie menschenverachtende, sadistische Sklaventreiber behandeln. Korruption, Selbstverstümmelungen, gewalttätige Auseinandersetzungen, Selbstmordversuche und Drogenmissbrauch sind unter den Häftlingen an der Tagesordnung. Doch Homm nimmt den Kampf auf. Von seiner Familie, Freunden und früheren Weggefährten verlassen, unheilbar an MS erkrankt und unter ständiger Angst, doch an die USA ausgeliefert zu werden, kämpft er um sein Leben. Was folgt ist ein Thriller. Die lang erwartete Fortsetzung des Spiegel-Bestsellers »Kopf Geld Jagd«.

Florian Homm ist Deutschlands bekanntester ehemaliger Hedgefondsmanager. Er verfügt über jahrzehntelange Erfahrung als Hedgefondsmanager, Unternehmer und Investment Banker. Homm arbeitete unter anderem bei Merrill Lynch, Fidelity, Tweedy, Browne, Bank Julius Ba?r als Analyst, Nostro-Ha?ndler und Fondsmanager bevor er als Finanzunternehmer und Hedgefondsmanager Milliarda?r wurde.

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Leseprobe

 

Kapitel 2:
Wie ich meine tiefe Verzweiflung bewältigte


Juni 2013, Gefängnis Don Bosco, Pisa


»Die glorreichsten Augenblicke in unserem Leben sind nicht die sogenannten Stunden des Erfolgs, sondern die, in denen in uns aus Missstimmung und Verzweiflung ein neuer Lebensmut und die Gewissheit künftiger Erfolge erwächst.«

Gustave Flaubert

Im Juni 2013 hatte Il Commandante genug von mir. Seine eigenen Gefängnisneurologen bescheinigten, dass ich auf der Krankenstation von Sollicciano nicht angemessen behandelt werden könne. Das ständige Kribbeln und Zucken in meinem rechten Fuß war nahezu völliger Taubheit gewichen. Ich war fest entschlossen, nicht nach Amerika zu gehen, und egal, welcher Misshandlungen ich seitens des Gefängnisleiters und seiner Hilfssheriffs ausgesetzt sein würde, konnten diese gar nicht schlimm genug sein, als dass ich mich freiwillig einem Prozess in diesem Mekka der Freiheitsberaubung gestellt hätte, den das amerikanische Justizsystem darstellt. Die amerikanische Bevölkerung macht zwar weniger als fünf Prozent der Weltbevölkerung aus, dennoch beträgt die Zahl der Inhaftierten in den USA mehr als 25 Prozent der weltweiten Gefängnispopulation.

Die Fahrt in dem schwer gesicherten Gefängniskonvoi dauerte ungefähr zwei Stunden. Ich versuchte, zwischen den Gitterstäben so viele Landschaftseindrücke wie möglich zu gewinnen. In Sollicciano hatte ich gehört, das Gefängnis von Pisa sei ein wesentlich zivilerer Ort, aber das stimmte nur zum Teil. Das Gefängnis war »nur« zu 150 Prozent überbelegt, im Vergleich zu den 223 Prozent in Sollicciano. Allerdings war das Gefängnis in einem noch schlechteren Zustand. Überall tummelten sich Ratten. Die Wasserqualität hätte es mit einem Slum in Honduras aufnehmen können. Das Heizungssystem war defekt; im November 2013 sank die Innentemperatur auf drei Grad. Die Gebäude stammen aus den Dreißigerjahren – den »guten alten Tagen« Italiens –, als Benito Mussolini mit eiserner Hand für Recht und Gesetz sorgte. Mussolinis größenwahnsinniger Baustil glich der Naziarchitektur: riesige kalte Säle mit hohen Decken.

Nach meiner Ankunft wurde ich in eine dunkle Zelle gesteckt. Es war ungefähr zehn Uhr morgens, aber es gab keinen Strom. Ich war völlig entnervt. Die einzige Annehmlichkeit war ein Plastikstuhl. Nach einer Wartezeit von ungefähr zwei Stunden in diesem Drecksloch rammte ich den Stuhl gegen die Tür und schleuderte ihn anschließend an die Decke, um die Lampe zu zertrümmern. Kümmerte aber niemanden. Keiner griff ein. Ich ließ meinen Aggressionen freien Lauf. Schließlich wurde ich aus diesem Rattenloch geholt und registriert, es wurden die üblichen Fotos gemacht und ich wurde zu einem Gesundheitscheck begleitet.

Die positivsten Aspekte des Stadtgefängnisses von Pisa waren die folgenden: Es war nicht so überfüllt wie Sollicciano und die Wärter waren weniger feindselig. Am meisten gefiel mir, dass wir regelmäßige Gottesdienste und donnerstags sogar eine Katechismusstunde hatten. In meinem ganzen Leben bin ich nicht so gerne zur Kirche gegangen wie im Gefängnis von Pisa. Seit 2011 hatte ich jede Woche Messen und Betgruppen besucht. Während der drei Monate Untersuchungshaft in Sollicciano war mir die Teilnahme am Gottesdienst verboten; nicht einmal zu Ostern durfte ich in die Kirche gehen.

Hier wurde mein Hofgang auf die gesetzlich festgelegten vier Stunden pro Tag erhöht und drei der Gefängnisärzte waren wirklich gute, fürsorgliche Menschen. Der Nachteil von Pisa war ein weiteres Arschloch als Commandante, dieses Mal mit sadistischer Ader. Während meines einjährigen Gefängnisaufenthalts wurde ich mehr als zwanzigmal verlegt. Das klingt nicht so übel, ist es aber. Es war sehr schwierig, jedes Mal wieder halbwegs freundlich gesinnte Bekanntschaften zu machen, Allianzen zu schmieden und sich zu integrieren. So etwas wie Stabilität gab es nicht einmal im Traum. Der ständige Zellenwechsel machte mich ganz irre. Außerdem verbrachte ich Monate in verschiedenen Isolierzellen. Ich lebte wie ein Eremit und hatte alle Zeit der Welt zum Nachdenken und Beten. Der einzige Nachteil bestand darin, dass das Licht oft 24 Stunden angeschaltet blieb, und es in der gleichen Ecke, in der ich mich duschte, nur ein Loch im Boden gab, um die Notdurft zu verrichten. Die Zellenmöbel bestanden aus unzerstörbarem Stahl. Im Vergleich zu einem Leben zwischen Psychopathen war das aber ein Spaziergang. Die Isolationshaft war hart, auf der anderen Seite war die Einsamkeit Balsam für meine Seele.

Die Gefängnisleitung dachte, sie würde meinen Willen brechen, indem sie mich in Rattenlöcher einsperrte. Tatsächlich machte mich das nur stärker. Das war eine der Methoden, mit denen man versuchte, mich zu brechen. Eine andere Taktik bestand darin, mich von meinen Anwälten zu isolieren. Der Gefängnisleiter von Pisa verweigerte mir mehrmals willkürlich das Recht auf Telefongespräche mit meinen Anwälten, und zwar vor allem in der kritischen Phase meines Gerichtsprozesses, als ich dringend mit meinen Verteidigern sprechen musste. Das hörte auf, als Mario Zanchetti ihm wegen der Verletzung verfassungsmäßig garantierter Grundrechte mit einer zehn Millionen Euro Klage drohte.

Ein weiteres großes Minus war das verseuchte Wasser. Falls man es trank, wurde man ernstlich krank. Im Übrigen wimmelte es nur so von Mücken. Selbst im Winter wurde man am Tag gut und gerne von 20 bis 30 Mücken gestochen.

Unmenschen im weißen Kittel


»Je größer die Macht, desto gefährlicher der Missbrauch.«

Edmund Burke

Die Mücken allein hätte ich aushalten können, aber irgendwann wurde ich in eine Zelle gesteckt, in der die am schwersten erkrankten ­Häftlinge der gesamten Krankenstation vor sich hin vegetierten. Der Typ zu meiner Rechten hatte Aids und Bronchitis. Zu meiner Linken befand sich einer, der an drei Formen der Hepatitis erkrankt war. Die Betten beider Patienten waren gerade einmal 30 Zentimeter von meinem entfernt. Mücken übertragen bekannterweise Krankheiten. Ich hatte aufgrund eines Mordversuchs in Caracas meine Milz und ein gutes Stück meiner Lunge eingebüßt. Mein Immunsystem war daher viel zu schwach, um die Medikamentenhämmer zu verarbeiten, die zur Behandlung dieser Krankheiten eingesetzt wurden. Wenn ich von der falschen Mücke gestochen werde, ist das mein Todesurteil. Der einzig mögliche Schutz bestand darin, dass ich mich rund um die Uhr von oben bis unten mit Mückenspray einsprühte. Dennoch war es nur eine Frage der Zeit, bevor ich mich anstecken würde. Das Fäkalienloch zu benutzen war lebensgefährlich. Wenn dein Schwanz länger als zehn Zentimeter war, streifte er unweigerlich den Boden. Auf diese Weise zog ich mir in Zelle 96 eine böse Harnwegsentzündung zu.

Es wäre ein Leichtes gewesen, mich in eine Zelle mit Häftlingen zu verlegen, die keine derart lebensgefährlichen Krankheiten hatten. Die Gefängnisleitung kannte meinen Gesundheitszustand. Man hatte mich ganz bewusst in Zelle 96 gesteckt, in der die Häftlinge untergebracht waren, die an den gefährlichsten und ansteckendsten Krankheiten litten.

Gottlob protestierte eine äußerst liebenswürdige und kompetente Ärztin, energisch gegen meine Unterbringung und drohte der Gefängnisleitung mit einer offiziellen Beschwerde. Sie rettete mir wahrscheinlich das Leben, indem sie meine Verlegung in eine wesentlich sicherere und hygienischere Umgebung durchsetzte.

Eine der grausamsten Formen medizinischer Misshandlungen ist die bewusste Verweigerung lebenswichtiger Medikamente, während man dem Verfall eines Patienten zusieht. Dafür bedarf es einer Persönlichkeit vom Typ des berüchtigten KZ-Arztes Josef Mengele. Die Leiterin der Krankenstation, verweigerte mir drei Monate lang meine Medikamente gegen die Multiple Sklerose, bis meine Anwälte der Sache gründlich nachgingen und die verschwundenen Medikamente »zufällig« in einer Schublade ihres Schreibtisches »auftauchten«.

In Sollicciano und Pisa wurde ich von vier Gefängnisneurologen und zwei externen Gutachtern untersucht. Alle sechs gelangten übereinstimmend zu der Einschätzung, ich müsse in eine spezielle MS-Klinik verlegt werden, damit die effektivste Behandlungsmethode bestimmt und ich unverzüglich therapiert würde. Dottoressa de Franco ging über alle sechs Fachgutachten hinweg und schrieb in ihrem Gutachten: »Mr. Homm wird im Centro Medico gut betreut und versorgt. Seine Erkrankung wird von unseren Ärzten angemessen behandelt, so dass weder Bedarf an einer externen Analyse noch an alternativen Behandlungen besteht.« Was für eine widerliche Hexe. Was für eine dreckige Lüge, dachte ich. Fazit: Die USA können alle Aspekte unseres Lebens kontrollieren, wenn sie es sich vornehmen.

Ich wog fast 35 Kilo weniger als mein Idealgewicht, beide Beine zuckten und zitterten unkontrolliert. Mein rechter Unterschenkel war völlig taub und in meinem linken Arm nahmen die Taubheitsgefühle zu. Meine Hände zuckten unaufhörlich. Man hatte mir Krücken und einen Stock ausgehändigt, damit ich nicht stolperte oder stürzte. Zu diesem Zeitpunkt war meine Harnwegsinfektion so schlimm, dass ich inkontinent wurde. Genau wie die Multiple Sklerose wurde auch diese Infektion nicht behandelt. Das Einzige, was ich tun konnte, war, Seifenwasser über einen langen Strohhalm in die Harnröhre einzuführen und zu versuchen, die Bakterien auf diese Weise abzutöten. Ich nahm Antidepressiva, weil man mir ein hohes Suizidrisiko diagnostiziert ­hatte. Monatelang hatte ich nicht mehr als zwei Stunden am Stück geschlafen.

Die Krönung des Ganzen war ein Professor, der das abschließende...

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