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360°-Feedback

Praxis der Personalpsychologie 1

AutorMartin Scherm, Werner Sarges
VerlagHogrefe Verlag Göttingen
Erscheinungsjahr2002
Seitenanzahl98 Seiten
ISBN9783840914836
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Beurteilungs- und Feedbackinstrumente werden von Unternehmen und Organisationen zunehmend eingesetzt, um das Potenzial ihrer Führungskräfte zu entwickeln. Das 360°-Feedback als multiperspektivisches und durchaus kontrovers diskutiertes Konzept sieht die Einschätzung von Führungskompetenzen aus mehreren Quellen (Vorgesetzte, Kollegen, Mitarbeiter usw.) vor. Der vorliegende Band bereitet die theoretischen und methodischen Grundlagen auf, gibt Konzepte für die erfolgreiche Durchführung von Feedback-Prozessen an die Hand und illustriert diese an zahlreichen Beispielen aus der Unternehmens- und Beratungspraxis. Schließlich wird auch der Frage nach positiven wie möglichen negativen Effekten von 360°-Feedbacks nachgegangen.

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Kapitelübersicht
  1. Inhaltsverzeichnis
  2. 1 Begriff und Konzept des 360°-Feedback
  3. 2 Theorien und Modelle des 360°-Feedback
  4. 3 Analyse und Maßnahmenempfehlung
  5. 4 Vorgehen und Probleme
  6. 5 Fallbeispiele
  7. 6 Ausblick: Zukünftige Trends im360°-Feedback
  8. 7 Weiterführende Literatur
  9. 8 Literatur
  10. Karten
Leseprobe
Die erste Person möge beruflich nicht sonderlich erfolgreich oder gar gescheitert sein, die zweite möge mit ungleich größeren Erfolgen und entsprechender Anerkennung belohnt worden sein. Woran hat es nun Ihrer Auffassung nach gelegen, dass die beiden Kandidaten sich so unterschiedlich entwickelt haben? Waren es die verschiedenen Konstellationen in den jeweiligen Unternehmen, fehlende oder hervorragende Aufstiegsmöglichkeiten etwa oder ein wertschätzendes Organisationsklima – möglicherweise. Vielleicht aber waren es andere hemmende oder glückliche Umstände, z. B. rasche und nachhaltige Veränderungen auf den Märkten, die zu geänderten Personalstrukturen geführt haben, oder auch wichtige, weichenstellende Kontakte zu wichtigen Dritten. Auch diese Möglichkeiten werden in einigen Fällen plausible Erklärungen liefern.

In der Mehrzahl der Fälle allerdings dürften Sie die Gründe für unterschiedliche berufliche Entwicklungen vor allem in den betroffenen Personen selbst und ihrem jeweiligen Umgang mit konkreten beruflichen Erfahrungen suchen. Und in der Tat zeigt sich bei eingehender Betrachtung einer Vielzahl untersuchter Karriereverläufe gerade bei Führungskräften, dass ihr beruflicher Erfolg maßgeblich davon abhängt, wie sie aus Erfahrungen lernen. Dabei sind es weniger die alltäglichen, routinisierten Verhaltensabläufe, die zu persönlicher Entwicklung und Wachstum führen, als vielmehr herausfordernde und schwierige Situationen: „The primary vehicle for development is challenging experiences“ (McCall, 1997, S. 143). Zusammen mit anderen wichtigen Komponenten lassen sich herausfordernde Situationen in einem Modell abbilden, an dessen Ende wichtige Lerneinsichten stehen. Diese wiederum stellen die Essenzen individueller beruflicher Entwicklung dar (Abbildung 2).

Die für das HR-Management wichtigen Ausgangsfragen sind: Wie kommt es zu unterschiedlichen Karriereverläufen von Führungskräften? Aus welchen Gründen kommt die Karriere der einen Führungskraft zum Stillstand oder gar zum Scheitern, aus welchen Gründen gelingt die der anderen?

Zahlreiche empirische Studien zeigen, dass Führungskräfte mit erfolgreichen Karriereverläufen in der Lage sind, gerade aus für sie kritischen Situationen solche Lerneinsichten zu destillieren, die sie zu besonderen Leistungen befähigen (exemplarisch: McCall, Lombardo & Morrison, 1988). Solche Führungskräfte dagegen, deren Karriere von enttäuschten Erwartungen und „Knicks“ begleitet ist, gewinnen oft gar keine oder lediglich oberflächliche Einsichten aus kritischen Situationen – häufig geben sie zuallererst anderen die Schuld dafür, dass sie nicht erfolgreich sind. Es fehlt ihnen somit an der nötigen Intelligenz und, da sie Problemen eher defensiv gegenübertreten, an der erforderlichen Leistungsmotivation. Dieser Mangel in der Fähigkeit, wichtige Einsichten zu gewinnen, hindert sie daran, außergewöhnliche berufliche Leistungen zu erzielen (McCall, 1997; Spreitzer, McCall & Mahoney, 1997).

Den Ausgangspunkt des Modells, an dessen Ende die Lerneinsichten als Treiber beruflicher Entwicklung stehen, bildet das Potenzial einer Führungskraft. Unter dem Potenzial verstehen wir eine Kombination von Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person, die sie in den Stand versetzt, den an sie gestellten Tätigkeitsanforderungen gerecht zu werden (Sarges, 2000b). Darüber hinaus richtet der Begriff den Blick auch auf künftige Anforderungen und bezeichnet das Spektrum der Möglichkeiten der Person, quasi das, „was noch in ihr steckt“ (Schuler, 2000, S. 54).

Die Kombination von Eigenschaften und Fertigkeiten ist demnach für das Ausüben einer bestimmten Tätigkeit erfolgsrelevant. Eine Verknüpfung des individuellen Potenzials mit kritischen, berufsbezogenen Situationen zu entwicklungsstiftendem Lernen kann durch verschiedene HR-Maßnahmen hergestellt werden. Als mögliche Maßnahmen kommen z. B. die Job Rotation, die Übertragung einer höheren Position im Zuge der Nachfolgeplanung oder auch ein Auslandseinsatz in Frage. All diese Maßnahmen beinhalten in der Regel die Konfrontation mit unbekannten und somit herausfordernden Situationen, in denen sich der Kandidat bewähren kann, neue Verhaltensweisen erproben muss, gegebenenfalls aus Fehlern lernt usw. Es versteht sich beinahe von selbst, dass solche „critical incidents“ (kritische Ereignisse) nicht selten als emotional belastend empfunden werden und zu psychischen Spannungen führen. Das typische Karrieremerkmal von Führungskräften mit wechselnden Phasen von Stabilität und Neubeginn pointiert McCall denn auch wie folgt: „Life – and executive development – is a creative tension between stability and change, and talent is best viewed as a promise that, if conditions are right, may eventually be realized“ (1997, S. 189).

Die Schlüsselfunktion für das Lernen aus Erfahrung nimmt zweifellos das Feedback ein, d.h. die Rückmeldung auf das eigene Verhalten und die erzielten Ergebnisse aus verschiedenen Quellen. Um nachhaltige Lernprozesse einzuleiten, müssen auf Seiten der Führungskraft die Bereitschaft und die Fähigkeit vorhanden sein, die Wahrnehmung der eigenen Person mit der Sicht ihrer Umgebung abzugleichen. Gerade die Offenheit für Feedback zeichnet erfolgreiche Führungskräfte gegenüber weniger erfolgreichen aus. Mehr noch: Führungskräfte müssen, um erfolgreich zu sein, aktiv nach Feedback aus unterschiedlichen Quellen suchen und dieses offensiv für sich verarbeiten, um ihren Verhaltensstil beständig an wechselnde Anforderungen anzupassen. Begleitet man im Management diejenigen unter ihnen, die dieser Forderung gerecht werden, so fällt auf, dass es sich um „agile“ Lernpersönlichkeiten handelt: Sie fühlen sich durch die Mehrdeutigkeit von Situationen eher stimuliert denn bedroht, betrachten die Dinge gerne von mehreren Seiten, schätzen den Wandel – und akzeptieren überdies, dass ihnen diese Kompetenzen mitunter auch den Neid ihrer Umgebung eintragen (vgl. Lombardo & Eichinger, 1996).

Empirische Untersuchungen an Führungskräften im internationalen Einsatz belegen denn auch den Wert des Umgangs mit Feedback: Diejenigen Führungskräfte, die mehr als andere
– nach Gelegenheiten suchen zu lernen,
– andere um Feedback bezüglich ihres eigenen Verhaltens bitten und – offen sind für Kritik sowie
– schließlich die gewonnenen Einsichten aktiv für die eigene Entwicklung verwenden, sind erfolgreicher bei der Bewältigung ihrer Aufgaben und erhalten für ihre Leistung bessere Beurteilungen von ihren Vorgesetzten (Spreitzer, McCall & Mahoney, 1997, S. 16 f.).

Das 360°-Feedback als eigenständiger Ansatz, das Lernen voranzutreiben, soll die katalytische Wirkung von Feedback verdichten, indem es das Verhalten der Fokusperson in ausgewählten, wichtigen Tätigkeitsbereichen thematisiert. Der kompakte Vergleich ihres Selbstbildes mit relevanten Fremdbildern ermöglicht ihr die kritische Reflexion der eigenen Person. Gerade die Reflexion von Erfahrungen, das Auswerten von Feedback ist es, das tiefergehende Lernprozesse ermöglicht – Erfahrung allein reicht dazu nicht aus (Tjosvold, 1991).

Neben der Möglichkeit der Übereinstimmung können nämlich besonders die Differenzen in der Einschätzung der eigenen Fähigkeiten mit der Sicht der Fremdbeurteiler (Vorgesetzte, Mitarbeiter etc.) wichtige Lernimpulse stiften: Wo unterschätze ich meine Fähigkeiten, wo überschätze ich sie? Inwieweit sind die abweichenden Einschätzungen das Ergebnis unterschiedlicher Wahrnehmungen oder auch unterschiedlicher Erwartungen?
Inhaltsverzeichnis
360º-Feedback1
Inhaltsverzeichnis7
1 Begriff und Konzept des 360°-Feedback9
1.1 Einführung des Begriffs9
1.2 Definition9
1.3 Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen/Konzepten11
1.4 Bedeutung für das Personalmanagement14
1.5 Betrieblicher Nutzen19
2 Theorien und Modelle des 360°-Feedback19
2.1 Feedback als Katalysator der Persönlichkeitsentwicklung19
2.2 Feedback als Katalysator des Organisationslernens24
2.3 Kompetenzen als Fokus des 360°-Feedback28
2.4 Von der Wahrnehmung zur Konstruktion der „Wirklichkeit“: Feedbacks als Eindrucksurteile32
2.5 Prozessmodell und zentrale Forschungsbefunde38
3 Analyse und Maßnahmenempfehlung51
3.1 Voraussetzungen der Installation von 360°-Feedbacks51
3.2 Der Feedback-Prozess55
4 Vorgehen und Probleme67
4.1 Leitfaden für die erfolgreiche Auswahl von Feedbackverfahren67
4.2 Fragen und Probleme im Feedback-Prozess78
5 Fallbeispiele83
5.1 Abteilungsleiter Controlling eines Konsumgüter-Unternehmens83
5.2 Führungsnachwuchskraft eines IT-Unternehmens87
6 Ausblick: Zukünftige Trends im360°-Feedback88
7 Weiterführende Literatur91
8 Literatur91
Karten97

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