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50+1 im Abstiegskampf?

Der Grundsatz der §§ 16 c Ziff. 3 DFB-Satzung/8 Ziff. 3 DFL-Satzung im Lichte des AEUV

AutorMichelle Beth
VerlagKommunal- und Schul-Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl164 Seiten
ISBN9783829313971
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Entgegen des gängigen Sprachgebrauchs sind die meisten deutschen Profifußballklubs nicht mehr als Vereine im rechtlichen Sinne organisiert, sondern als Kapitalgesellschaften ausgegliedert. An diesen müssen wiederum die 'klassischen' Muttervereine die Mehrheit halten, so die sog. '50+1'-Regel des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Im Rahmen der kürzlich einberufenen DFL-Mitgliederversammlung stimmten die Klubs beider Profiligen mehrheitlich für Antrag des FC St. Pauli, die Verbandsregelung beizubehalten. Dieses Ergebnis erfreut sich des großen Zuspruchs zahlreicher Fußballfans, hatten zuvor doch über 3000 Fanclubs in einer Petition den Erhalt der 50+1-Regel gefordert. Schließlich intendierten die beiden Fußballverbände mit ihrer Einführung einen stabilen sportlichen Wettbewerb zwischen selbstbestimmten Ligateilnehmern, die über die organisatorische Verflechtung zum Mutterverein eine nachhaltige Förderung des Breitensports gewährleisten sollen. Tatsächlich weitet sich der Kreis derer, die für eine Relativierung oder gar eine komplette Aufhebung der allein in Deutschland geltenden 50+1-Regel plädieren, ebenso aus, wie der ihrer Befürwortet. Neben Hannover 96-Investor Martin Kind, der als ihr schärfster Kritiker gilt, äußern auch weite Teile der Fachliteratur zunehmend juristische Bedenken, die insbesondere auf die Vorschriften des europäischen Kartellrechts verweisen. Daneben sieht sich die Regel dem Vorwurf ausgesetzt, gegen die unionsrechtlichen Grundfreiheiten zu verstoßen. Dementsprechend gewährt das Werk einen tieferen Einblick in das Europarecht und legt dabei ein besonderes Augenmerk auf die bisherige Rechtsprechung des EuGH. Es richtet sich jedoch nicht nur an das rechtswissenschaftliche Fachpublikum, sondern gleichermaßen an die breite, interessierte Öffentlichkeit. Insbesondere Fußballfans, die die brandaktuelle Debatte rund um die 50+1-Regel mitverfolgen, wird Aufschluss über ihre juristischen Hintergründe geboten.

Michelle Beth ist Studentin an der Hochschule Trier, Standort Umwelt-Campus Birkenfeld, im Masterstudiengang 'Unternehmens- und Energierecht' und studentische Hilfskraft am Birkenfelder Institut für Ausbildung und Qualitätssicherung im Insolvenzwesen. Zuvor absolvierte sie eine Ausbildung zur Bankkauffrau und ein Bachelorstudium im 'Wirtschafts- und Umweltrecht'.

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Leseprobe

2.Allgemeine Informationen


Zunächst bedarf es einiger allgemeiner Informationen, die einen Überblick über die historischen Entwicklungen des deutschen Profi-Fußballs gewähren. Neben dem genauen Regelungsgegenstand der 50+1 Regel werden auch ihre Ausnahmetatbestände erläutert. Zum besseren Verständnis der Angemessenheitsprüfung wird die Verbandsautonomie als Ermächtigungsgrundlage der Sportverbände angesprochen. Darüber hinaus soll das bisherige (gerichtliche) Vorgehen gegen die 50+1 Regel beleuchtet werden.

2.1Historischer Hintergrund


An die Kommerzialisierung des Fußballs anknüpfende Diskussionen sind keine neuartige Erscheinung, wie ein Blick auf die Historie verdeutlicht.

Das Eingangszitat, welches die aktuellen Befürchtungen vieler Fußballfans widergibt, ist nicht etwa den gegenwärtigen Medien entnommen. Es handelt sich dabei vielmehr um einen Kommentar der Stuttgarter Zeitung zur ersten Trikotwerbung in Fußballdeutschland. In der Oberligapartie Wormatia Worms gegen den SV Alsenborn trat der Gastgeber am 20.08.1967 in Trikots an, denen das Logo des U.S.-amerikanischen Baumaschinenherstellers Caterpilla (CAT) aufgedruckt war. Was heutzutage als selbstverständliche Einnahmequelle empfunden wird, stieß seinerzeit auf das Missfallen von Fans und Medien. Neben der Stuttgarter Zeitung schrieb der Kölner Stadtanzeiger: „Das Wormser Beispiel wird Schule machen“ und die Welt sah einen „nicht gerade sympathischen Schritt zur weiteren Kommerzialisierung des Leistungssports“ und sprach gar von einem Sport, der sich „prostituiert“. Zunächst sollte die Bild Zeitung, die davon ausging, dass Worms keine Nachfolger haben wird, Recht behalten. Der DFB, der bisher keine Regelung zur Trikotwerbung vorsah, untersagte diese Art der Werbung fortan. Erlaubt waren lediglich die Rückennummer sowie das Wappen des jeweiligen Vereins.18

Eintracht Braunschweig umging dieses Verbot zur Saison 1972/73, indem das Logo des Getränkeherstellers Jägermeister in das Vereinswappen übernommen und dieses wiederum auf den Trikots platziert wurde. Der damalige DFB-Präsident Hermann Neuberger kommentierte dieses Vorgehen mit den Worten: „Das hohe Gut Fußball ist fern von jedem Geld“. Dieser Disput entfachte eine medienwirksame Diskussion, die schlussendlich dazu führte, dass der DFB im November 1973 offiziell Werbeschriftzüge auf den Trikots der Fußballspieler erlaubte.19

Im Verlauf der Bundesligahistorie versuchte der DFB stets, durch die Aufnahme entsprechender Vorgaben in seinem Reglement, der zunehmenden Kommerzialisierung des Sports entgegenzuwirken. Schon der erste Schritt der Professionalisierung des deutschen Fußballs erfolgte zur Saison 1963/1964 mit Einführung der Bundesliga relativ spät - verglichen mit anderen europäischen Fußballnationen. Zudem waren die Vereine angehalten, eine Gehaltsgrenze von 1200 D-Mark pro Spieler und Monat nicht zu überschreiten.20

Dass die Reglementierungen des Fußballverbandes keinesfalls unantastbar sind und von ihren Adressaten hingenommen werden müssen, zeigt auch das Beispiel des FC Homburg, dessen Trikotwerbung für die Kondommarke „London“ im Jahre 1987 seitens des DFB als sittenwidrig empfunden und unter Androhung von Punktabzug verboten wurde. Übergangsweise überklebte der Verein den Schriftzug, zog dann jedoch vor Gericht und gewann den Rechtsstreit.21

In den 1990er-Jahren erfuhr der Fußball bzw. seine Vermarktung einen weiteren Schritt in Richtung Kommerzialisierung. Wurden die Zusammenfassungen der Spiele zunächst nur von den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten angeboten, löste die Sendung „Anpfiff“, die vom Privatsender RTL ausgestrahlt wurde, neue Proteste beim Publikum aus, was zum einen auf die Werbeunterbrechungen zurückzuführen war. Überdies war RTL nicht in allen Haushalten empfangbar, wodurch der Sport nicht mehr für jedermann zugänglich war. Gleiches gilt nach wie vor für die Live-Übertragung der Bundesligaspiele, die am erstmals am 02.05.1991 durch den PAY-TV Sender Premiere erfolgte.22

Mit dem Beschluss des DFB-Bundestages vom 24.10.1998 wurde es den Vereinen ab der Saison 1999/2000 erlaubt, ihre Profimannschaften in eine Kapitalgesellschaft (AG, GmbH oder KGaA) zu überführen.23 Diese Umstrukturierungsmöglichkeit sollte den Entwicklungen des Marktes gerecht werden und den deutschen Vereinen die Chance bieten, neue Finanzierungsquellen in Form von Eigenkapital zu erschließen, um wiederum im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. In England, das gerne als Mutterland des Fußballs bezeichnet wird, bot sich den Vereinen die Option einer Umwandlung in Kapitalgesellschaften bereits 1896.24

Überdies erscheint die Organisation der Lizenzspielerabteilung als Kapitalgesellschaft vor dem Hintergrund einer ansonsten möglichen Rechtsformverfehlung rational. Angesichts der stetig wachsenden Umsatzzahlen liegt die Annahme nahe, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten der Vereine nicht mehr ihren ideellen Zwecken untergeordnet sind und damit nicht weiter als Nebenzweck eingestuft werden können, wie es § 21 BGB hingegen vorschreibt. Daher wird bis heute eine Debatte darüber geführt, ob den Vereinen der Entzug ihrer Rechtsfähigkeit nach § 43 BGB und damit die Löschung aus dem Vereinsregister drohen. Ist dies zu bejahen, stellt die Ausgliederung keine Option, sondern vielmehr ein rechtliches Muss dar.25

So beschloss die Mitgliederversammlung des Borussia Dortmund e.V. bereits am 28.11.1999, die Lizenzspielerabteilung in eine GmbH & Co KGaA auszugliedern.26 Diesem Vorbild sind zahlreiche Bundesligisten gefolgt mit dem Ergebnis, dass in der aktuellen Saison der ersten Fußballbundesliga mit dem FSV Mainz 05, dem FC Schalke 04 und dem SC Freiburg gerade noch drei „echte“ Vereine i.S.d. BGB spielen.

2.2.Regelungsgegenstand


Wie aus dem Dokument zur „Sicherstellung der „Eckwerte“ des DFB bei der Ausgliederung von Kapitalgesellschaften aus Fußballvereinen der Bundesligen“27 (Eckwertpapier) hervorgeht, war es ein zentrales Anliegen des deutschen Fußballverbandes, eine Fremdbestimmung der Muttervereine und damit des sportlichen Wettbewerbs durch externe Investoren zu vermeiden. Die Überführung der Lizenzmannschaft in eine Kapitalgesellschaft sollte sich nicht negativ auf den Wettbewerb auswirken, sondern vielmehr seine Integrität und Stabilität erhalten. Zudem sollte der Leistungssport organisatorisch mit dem Breitensport verbunden bleiben und ein Mitteltransfer zugunsten des Amateurfußballs gesichert werden.28 Daher setzte der DFB den Umstrukturierungsmöglichkeiten Grenzen, die sich u.a. in dem Verbot von Mehrheitsbeteiligungen äußern.29

Demnach kann eine Kapitalgesellschaft (Tochtergesellschaft) nur dann eine Lizenz für den Spielbetrieb der 1./2. Fußballbundesliga erwerben, wenn ein Verein (Mutterverein) mit eigener Fußballabteilung mehrheitlich an ihr beteiligt ist. Um wiederum das Erfordernis einer mehrheitlichen Beteiligung zu erfüllen, müssen in der Versammlung der Anteilseigner mindestens 50% der Stimmanteile zuzüglich eines weiteren Stimmanteils bei dem Mutterverein verbleiben. Dies impliziert also auch, dass eben diese Mehrheit nicht bei vereinsfremden Personen liegen und diesen nur eine Minderheit der Stimmanteile von unter 50% zustehen darf. Es ist ihnen hingegen erlaubt, Kapitalbeteiligungen beliebigen Umfangs zu halten, was durch die Ausgabe stimmrechtsloser Anteile verwirklicht werden kann.30

Für dieses Verbot von Mehrheitsbeteiligungen hat sich der Begriff der 50+1 Regel etabliert. Sie wurde zunächst in § 16 c Ziff. 3 der DFB-Satzung aufgenommen. Durch einen Beschluss des außerordentlichen DFB-Bundestages wurde im Dezember 2000 der „Die Liga-Fußballverband e.V.“ (Ligaverband) als ordentliches Mitglied des DFB gegründet. Die Clubs (Vereine und Kapitalgesellschaften) der Lizenzligen gehören als ordentliche Mitglieder wiederum dem Ligaverband an, der zur Saison 2001/2002 den bis dato zum Aufgabenbereich des DFB zählenden Betrieb der Lizenzligen übernahm. Daher wurde die 50+1 Regel auch in § 8 Ziff. 3 der Satzung des Ligaverbandes übernommen. Das operative Geschäft wurde auf eine 100%ige Tochtergesellschaft des Ligaverbandes, die Deutsche Fußball Liga GmbH, übertragen. Ihr obliegt die Durchführung des Lizenzierungsverfahrens, wobei sie an die Satzungen des DFB und des Ligaverbandes gebunden ist.31 Die Einhaltung der 50+1 Regel ist Voraussetzung einer Lizenzerteilung und somit als conditio sine qua non für die Teilnahme am Spielbetrieb einer Lizenzliga zu verstehen.32 Seit einer entsprechenden Satzungsänderung, die im Rahmen der Generalversammlung 2016 erfolgte, firmiert der Ligaverband nun unter „DFL Deutsche Fußball Liga e.V.“ (im Folgenden kurz: „DFL“).33

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