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E-Book

99 philosophische Rätsel

AutorMartin Cohen
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783492974301
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Was ist Liebe, ist Zeit umkehrbar, und kann Achilles die Schildkröte überholen? Schon die alten Griechen hatten ihre Freude daran, verblüffend einfache Fragen zu stellen, um sich dann tagelang die Köpfe zu zerbrechen. Martin Cohen hat 99 philosophische Rätsel zusammengestellt und damit eine spielerische Einführung in das philosophische Denken geschaffen. Leicht verständlich erklärt er Grundbegriffe der Philosophie und stellt bekannte Geistesgrößen vor. Ein Buch, mit dem jeder zum Philosophen werden kann!

Dr. Martin Cohen ist Herausgeber der Zeitschrift »The Philosopher« und unterrichtet Philosophie und Pädagogik der Philosophie an Schulen und Universitäten in Australien und England, zuletzt am Centre for Social Change Research in Brisbane, Australien. Er ist Autor zahlreicher Bücher.

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Leseprobe

Zu Rätsel 1


Der gestrenge Richter


»Der gestrenge Richter« ist eine Variation des Problems »Alle Kreter sind Lügner«, das Philosophen wie Aristoteles, Zenon und Thomas von Aquin lange beschäftigt hat. Das Problem geht auf den griechischen Philosophen Epimenides zurück, der behauptet haben soll, dass die Einwohner Kretas ausnahmslos lügen. Seine Behauptung trug nicht nur rassistische Züge, sondern wurde zu einem berühmten Beispiel einer logischen Paradoxie, da er selbst aus Kreta stammte. Sollte seine Aussage stimmen, hatte Epimenides gelogen, wenn es aber eine Lüge gewesen war, dann … Der Wahrheitsgehalt der Behauptung beeinflusst die Umstände, unter denen sie geäußert wird, die wiederum den Wahrheitsgehalt der Behauptung beeinflussen, der wiederum … – ein Teufelskreis. Tatsächlich ist die Behauptung weder wahr noch falsch, obwohl es so aussieht, als müsste sie es sein. Anders verhält es sich mit Äußerungen wie »Hallo Viktor«, die nicht auf ihren »Wahrheitsgehalt« hin überprüft werden müssen.

Was könnte also der gefangene Philosoph gesagt haben, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen? So etwas wie »Ihr werdet mich morgen hängen«, dürfte ausgereicht haben, um ihn vor dem Galgen zu retten. Der Scharfrichter kann ihn nicht hinrichten, da seine Verwandten ihn dann zur Rechenschaft ziehen würden, denn der Philosoph hatte schließlich die Wahrheit gesprochen, als er sagte: »Ihr werdet mich morgen hängen«, und die Exekution war deshalb unrechtmäßig. Hätte der Scharfrichter andererseits das Problem erkannt und den Philosophen wieder ins Gefängnis gesteckt, müsste er ihn eigentlich gleich wieder zurückholen, denn der Direktor würde ihn gar nicht einlassen. Jener wäre nämlich der Ansicht, dass der Philosoph das Gericht ganz offensichtlich wieder angelogen hat und die Hinrichtung deshalb vollstreckt werden muss.

Zu Rätsel 2


Die Kuh auf der Weide


Viele Leute würden sagen, dass wir unter Berücksichtigung menschlicher Schwächen dann etwas wissen, wenn:

•wir glauben, dass es so ist;

•wir einen guten, relevanten Grund für unsere Überzeugung haben;

•und dieser sich als wahr erweist.

Wissen definiert sich demnach als »gerechtfertigte und wahre Überzeugung«. Im Fall von Bauer Huber sind alle Bedingungen erfüllt, und dennoch scheint er nicht wirklich genau zu wissen, wo sich Lotte befindet. Dieses Problem findet sich in ähnlicher Form auch in Platos Theätet (201c – 210d). Es hat Philosophen bis heute beschäftigt, besonders seit im 20. Jahrhundert die »analytische« Philosophie aufgekommen ist. In unserem Beispiel hat Bauer Huber

•geglaubt, dass es der Kuh gut geht;

•Beweise gehabt, die seinen Glauben bestätigten (seine Vermutung war berechtigt);

•schlussendlich damit recht gehabt, dass es der Kuh gut ging.

Trotzdem könnten wir darauf beharren, dass er es nicht wirklich wusste. Daraus folgt, dass hier vielleicht eine veränderte Definition des Begriffs »Wissen« erforderlich ist. Obwohl Wissen grundsätzlich auf gerechtfertigten und wahren Überzeugungen beruht, bedingt nicht jede gerechtfertigte und wahre Überzeugung auch Wissen. Viele Philosophen sind der Ansicht, dass es hier einer komplizierteren (!) Erklärung bedürfe, um das Gegenbeispiel umgehen zu können.

Die Behauptung, dass diese drei Bedingungen »nicht hinreichend« sind, brachte ein paar Philosophen auf die Idee, ihnen eine weitere hinzuzufügen: Wissen kann nicht auf fälschlichem Glauben beruhen. Das aber kommt einer Tautologie ziemlich nahe (Tautologien sind übrigens die bevorzugte Zuflucht des Philosophen).

Andere Philosophen versuchten dagegen, die erste Bedingung zu streichen und somit Wissen auch ohne Glauben zu ermöglichen. Wieder andere versuchten, Wissen von einem anderen Kriterium als Glauben abhängig zu machen, nämlich von der so genannten »Akzeptanz«, was immer das sein mag …

Das Problem absoluter Gewissheit ist die Basis für einen großen Teil der westlichen Philosophie, die von den alten Griechen begründet und von René Descartes auf den Punkt gebracht wurde (siehe Frage 99), als er im 16. Jahrhundert in seinem Zimmer mit Ofenheizung sinnierte. Er hatte geglaubt, die Antwort in der Gewissheit seiner eigenen Existenz als denkendes Wesen gefunden zu haben, die sich durch den berühmten Ausspruch Cogito, ergo sum (Ich denke, also bin ich) definiert. Das war nach Descartes’ Ansicht etwas, das er mit absoluter Sicherheit wusste und nicht nur glaubte.

Zu Rätsel 3


Das Problem des Protagoras


Man sagt, das Gericht sei so verwirrt gewesen, dass es sich um 100 Jahre vertagt habe. Die Paradoxie liegt darin, dass beide Denkansätze richtig zu sein scheinen, aber zu entgegengesetzten Schlussfolgerungen führen.

Dies ist in jeder Hinsicht ein »klassisches« Problem, wie es die alten Griechen besonders gern hatten. Es gibt hier keinen »Trick«, jedenfalls hat bis jetzt noch niemand einen entdeckt.

Das Paradoxe daran ist, dass beide Argumentationsketten korrekt zu sein scheinen, aber zu gegensätzlichen Schlussfolgerungen führen. Weder Euathlos noch Protagoras begehen einen Denkfehler, aber trotzdem können nicht beide recht haben. Damit wird die Logik an sich in Frage gestellt, die doch die Basis für den Großteil unseres Denkens ist. Deshalb hielten die Griechen solche Probleme für besonders interessant.

Auch Rechtsanwälte haben sich sehr für das Paradox interessiert, obwohl es nie den berühmten Gerichtshof des Areopag erreichte – dort war man wahrscheinlich zu sehr damit beschäftigt, Tiere und unbelebte Gegenstände wegen Mordes anzuklagen. Teilweise liegt es daran, dass viele Teile der Juristensprache sich auf sich selbst beziehen und beispielsweise Aussagen liefern wie »dieses Gesetz ist nicht mehr in Kraft« oder sogar »dieses Buch unterliegt dem Urheberrecht« (das stimmt, aber nur, weil es diesen Hinweis selbst enthält). Andererseits gibt es viele komplizierte juristische »Zirkelschlüsse« wie jene, die gelegentlich bei Versicherungspolicen auftreten, wenn darin »durch andere Policen abgedeckte Verluste« ausgeschlossen werden sollen.

In dem Verfahren Staat gegen Jones, das 1946 in Ohio stattfand, wurde Protagoras’ Problem offensichtlich einbezogen. Dr. Jones war angeklagt, an einer gewissen Ms. Harris eine unerlaubte Operation vorgenommen zu haben. Der Fall beruhte entscheidend auf der Aussage von Ms. Harris, sie habe ihn gebeten, die Operation auszuführen, was er auch getan hatte. Für den Richter bestand das Problem darin, dass Ms. Harris, falls Dr. Jones eine unerlaubte Operation vorgenommen hatte, eine Komplizin war. In diesem Fall wäre ihre Aussage zweifelhaft und juristisch unbrauchbar gewesen. Sowohl der Richter der unteren Instanz als auch das Berufungsgericht ließen zu, dass die Angelegenheit von einer Jury entschieden wurde (auch in unlogischer Weise, falls nötig). Diese Nichtphilosophen ignorierten den Zirkelschluss kurzerhand und befanden den auf Abwege geratenen Dr. Jones für schuldig.

Zu Rätsel 4


Der Friseur vom Hindukusch


Der Barbier wurde durch den Gedanken an seine eigenen Haare erschreckt. Was er auch tut, er muss eine der Regeln brechen.

Das »Barbierproblem«, wie es auch genannt wird, ist die Variation eines sehr alten Problems, das Anfang des letzten Jahrhunderts von Bertrand Russell wiederentdeckt wurde und seitdem große Aufmerksamkeit erregt. Russell spricht in seiner etwas ungelenken Zusammenfassung von der »Menge aller Mengen, die sich selbst nicht als Element enthalten« und fragt: »Ist diese Menge ein Element ihrer selbst?« Die Konsequenzen dieses Problems nicht nur für die Logik, sondern auch für die Mathematik und selbst für die Alltagssprache verstörten ihn so sehr, dass er sein Lebenswerk für zerstört hielt und wochenlang kaum essen und schlafen konnte, wie in seiner Autobiografie nachzulesen ist. Er schickte das Problem seinem Kollegen, dem Mathematik-Philosophen Gottlob Frege, der eine »Erschütterung« der Arithmetik zugestand.

Es sind eine ganze Reihe von Lösungsvorschlägen gemacht worden. Einer davon lautet, dass der Barbier versuchen sollte, die Wächter mit ein paar geschickten Argumenten zu verwirren, ein anderer, dass der Barbier sich selbst einen so großen Schock zufügen sollte, dass ihm alle Haare ausfallen. Beide Vorschläge gehen jedoch am Kern der Sache vorbei.

In seinem Werk Principia Mathematica unternimmt Russell den Versuch, Lösungen für nicht weniger als sieben Variationen dieses Problems zu finden, und überarbeitet seine Formulierung noch einmal: Ist die Menge aller Mengen, die nicht Teil ihrer selbst sind, Teil ihrer selbst oder nicht, und wenn sie es nicht ist, ist sie es dann? Diese Fragestellung ist zwar bewundernswert präzise, löst aber den Widerspruch nicht wirklich auf. Russell griff daher zu einem drastischen Mittel und verlangte, dass alle Aussagen, die sich auf sich selbst beziehen, »verboten« oder zumindest als bedeutungslos angesehen werden sollten. Leider gibt es sehr viele selbst-referenzielle Aussagen, die teilweise genau dadurch ihre Bedeutung erhalten.

Zu Rätsel 5


Der Rabe


Oder noch schlimmer, wenn der Rabe nun aufgrund der Krankheit grün bleibt? Alles Nicht-Schwarze ist kein Rabe …

Das Problem ähnelt prinzipiell der Behauptung, »alle Schwäne sind weiß«, die auch lange Zeit als wahr angesehen wurde, bis man allerdings äußerst lebendige schwarze Schwäne in Australien entdeckte. Daran kann man...

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