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Abfindungs-Caps für Vorstandsmitglieder im deutschen Recht

AutorPhilipp Jakobus
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl109 Seiten
ISBN9783640681259
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Kartellrecht, Wirtschaftsrecht, Note: 1.00, Universität Augsburg, Sprache: Deutsch, Abstract: 'Ich wünsche mir, dass Führungspersönlichkeiten der Wirtschaft gerade heute eine Kultur der Verantwortung und der Mäßigung vorleben.' (Bundespräsident Horst Köhler zu seiner Antrittsrede am 01.07.2004) Spätestens seit dem Goldenen Handschlag von Mannesmann-Vorstand Klaus Esser im Jahr 2000 wird über die Höhe von Abfindungen in Deutschland diskutiert. Hohe Abfindungszahlungen an Vorstandsmitglieder, die vorzeitig aus dem Organ ausscheiden, sind ein Politikum und mitverantwortlich für den schlechten Ruf, den Manager bei vielen Menschen haben. So verlängerte beispielsweise der ehemalige Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff im Juli 2002 seinen Vertrag um fünf Jahre, um dann nach nur wenigen Wochen aufgrund von Unstimmigkeiten mit dem Aufsichtsrat das Unternehmen zu verlassen und eine Abfindungszahlung in Höhe von 25 Mio. Euro zu erhalten. Klaus Kleinfeld verließ Siemens und erhielt für sein Ausscheiden 7 Mio. Euro, Werner Seifert verließ die Deutsche Börse (8 Mio. Euro), Ron Sommer die Deutsche Telekom (11,6 Mio. Euro), Karl-Gerhard Eick den insolventen Arcandor-Konzern (15 Mio. Euro), Clemens Börsig die Deutsche Bank (17 Mio. Euro), Wendelin Wiedeking die Porsche AG (50 Mio. Euro), Bob Eaton die DaimlerChrysler AG (60 Mio. Euro). Diese Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig. Im Gegensatz dazu, wurde in den letzten Jahren in einigen Unternehmen die Belegschaft teilweise drastisch reduziert, einigten sich Gewerkschaften für tarifliche Angestellte in vielen Branchen auf sogenannte Nullrunden und stiegen die Aktien vieler Unternehmen, wenn überhaupt, vergleichsweise nur mäßig an. Instinktives Empfinden von Maßlosigkeit und Unangemessenheit prägte stets die dadurch aufkommende öffentliche Debatte, ob solche Abfindungen gerechtfertigt seien. Das Gefühl der Unverhältnismäßigkeit und moralisches Empfinden sind jedoch keine juristischen Maßstäbe. Von dem 'Schaudern über die Höhe von Abfindungen gilt es sich zu befreien, wenn man beurteilen will, ob sie rechtswidrig waren.' Hinsichtlich eines Abfindungs-Caps bzw. einer Begrenzung der Abfindungshöhe für Vorstandsmitglieder gilt es in der vorliegenden Arbeit den gesetzgeberischen Rahmen zu kennzeichnen, innerhalb dessen frei vergütet und abgefunden werden kann. Des Weiteren sind die für diese Entscheidung maßgeblichen Kriterien aufzuzeigen, wobei die wesentlichen normativen Vorgaben und deren Umsetzung durch die Judikative ausgiebig dargestellt und erläutert werden.

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Leseprobe

2. Abfindungszahlungen an Vorstandsmitglieder


 

Um eine rechtliche Bewertung von Abfindungs-Caps für Vorstandsmitglieder durchführen zu können, soll zunächst gezeigt werden, wann und warum Abfindungszahlungen an Vorstandsmitglieder geleistet werden, um im Anschluss daran die essentielle Frage zu klären, wie sich Abfindungen in diesem Zusammenhang definieren und welche Zahlungen als Abfindungen qualifiziert werden können. Auf dieser Grundlage wird in diesem Kapitel letztendlich der Abfindungs-Cap mit seinen Erscheinungsformen erläutert und auf seine möglichen gesetzlichen, vertraglichen und statutarischen Standorte untersucht.

 

2.1 Organstellung und Anstellungsvertrag


 

Es ist jedoch zunächst notwendig zwischen der Organstellung und dem Anstellungsverhältnis zu differenzieren. Nach der sogenannten Trennungstheorie handelt es sich dabei um zwei unterschiedliche Rechtsverhältnisse, „die sich nicht wechselseitig bedingen, sondern ein unterschiedliches Schicksal haben können.“[29] Demnach sind die Ebene der Organstellung und die Ebene des Anstellungsvertrags in ihrem Fortbestand voneinander unabhängig.[30] Dazu stellt sich nun die Frage, was explizit unter diesen beiden Begriffen zu verstehen ist und ob Abfindungen die Folge einer Beendigung des Anstellungsvertrags sind oder die Beendigung der Organstellung Abfindungszahlungen nach sich zieht.

 

Nach § 84 I AktG ist die Bestellung eines Vorstands höchstens für fünf Jahre vorgesehen. Die Organstellung, die im Gesellschaftsrecht als „das rechtliche Sollen, Können und Dürfen, oder, mit anderen Worten, die Pflichten, Befugnisse und Vertretungsmacht eines Vorstandsmitglieds“[31] beschrieben wird, kann auch vorzeitig durch Widerruf, Amtsniederlegung oder einvernehmliches Ausscheiden beendet werden. Der Widerruf der Bestellung muss gemäß § 84 III 1 AktG ausreichend begründet werden und kann nur durch den Gesamtaufsichtsrat erfolgen, § 107 III AktG. Beispielshaft werden grobe Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung in § 84 III 2 AktG als Widerrufsgründe genannt.[32] Dabei gilt es zu beachten, dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrags nach § 626 BGB stets auch für eine Abberufung gemäß § 84 III AktG ausreicht.[33] Umgekehrt rechtfertigt allerdings nicht jeder Abberufungsgrund auch gleichzeitig eine außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses.[34] Der Widerruf der Bestellung ist jedoch nach § 84 III 4 AktG zunächst wirksam, auch wenn kein wichtiger Grund vorliegt. Dies gilt bis die Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt ist. Im Gegensatz dazu, muss bei einer Beendigung der Organstellung aufgrund eines einvernehmlichen Ausscheidens kein wichtiger Grund gegeben sein.[35] Ob dies ebenfalls bei einer Amtsniederlegung zur Beendigung auslangt, ist dagegen umstritten.[36] Jedenfalls kann das Vorstandsmitglied aus wichtigem Grund sein Amt mit sofortiger Wirkung niederlegen.[37]

 

Das Anstellungsverhältnis hingegen bedarf keines korporationsrechtlichen Aktes der Bestellung und wird vielmehr durch einen schuldrechtlichen Vertrag zwischen Vorstandsmitglied und Gesellschaft begründet. Zum Abschluss des Anstellungsvertrags mit dem Vorstandsmitglied ist der Aufsichtsrat gemäß § 112 AktG als Vertreter der Gesellschaft berufen und wie die Bestellung auch darf der Anstellungsvertrag höchstens auf fünf Jahre abgeschlossen werden, § 84 I 5 AktG. Da die Tätigkeit des Vorstandsmitglieds für gewöhnlich entgeltlich ausgeübt wird, ist der Anstellungsvertrag grundsätzlich als Dienstvertrag zu qualifizieren und beinhaltet typischerweise auch die Vereinbarungen der Bezüge des Vorstandsmitglieds.[38] Zur vorzeitigen Beendigung des Anstellungsvertrags kommt bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung nach § 626 I BGB in Betracht, die sowohl dem Vorstandsmitglied als auch der Gesellschaft gegeben ist. Im Gegensatz zu dem wichtigen Grund, der gemäß § 84 III AktG zum Widerruf der Bestellung berechtigt, muss der Kündigungsgrund gemäß § 626 I BGB in der Person des Organmitglieds liegen.[39] Es kommt also auf ein Verschulden des Vorstandsmitglieds an. Das Anstellungsverhältnis kann jedoch auch in gegenseitigem Einvernehmen mittels eines Aufhebungsvertrags beendet werden.[40]

 

Tatsächlich besteht jedoch ein gewisser Zusammenhang zwischen den beiden Ebenen, da der einzige Zweck des Anstellungsvertrags in der Regel die Bestellung zum Organ ist.[41] Dies zeigt sich deutlich bei Beendigung der Rechtsverhältnisse. Der Anstellungsvertrag des abberufenen Vorstandsmitglieds bleibt zwar von dem Widerruf unberührt. Bei entsprechender Berücksichtigung einer Tätigkeit als Lenkungsorgan im Anstellungsvertrag kann dem Vorstandsmitglied jedoch nicht zugemutet werden, dass es in einer niedrigeren Position als ursprünglich vereinbart in der Gesellschaft verbleiben soll.[42] Das Organmitglied sollte dann die Möglichkeit haben, aus wichtigem Grund gemäß § 626 I BGB zu kündigen. Das gleiche Recht an dem Anstellungsvertrag festzuhalten besitzt die Gesellschaft aus dem gleichen Grund der Unzumutbarkeit, sollte das Vorstandsmitglied sein Amt grundlos niedergelegt haben. Kündigt die AG dagegen den Anstellungsvertrag, ist anzunehmen, dass das Vorstandsmitglied sein Amt niederlegen wird, da es nicht ohne vertragliche Grundlage die Verantwortung seines Amts weiter tragen wird.[43] Es besteht jedoch kein Automatismus zwischen der Beendigung des Anstellungsvertrags und der Beendigung des Vorstandsamts.[44] Dennoch spiegelt sich die Korrelation von Organstellung und Anstellungsverhältnis auch in der Rechtsprechung des BGH wider, denn im Widerruf der Bestellung kann im Zweifel die schlüssige Erklärung einer außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrags liegen.[45] Gemeinhin werden Abfindung jedoch mit der Auflösung des Anstellungsvertrags fällig. Aus diesem Grund und infolge einer engen Kohärenz mit den übrigen Modalitäten des Ausscheidens, werden Abfindungen nahezu ausschließlich in Aufhebungsverträgen vereinbart.[46]

 

2.2 Normativer Begriff der Abfindung

 

Der Begriff der Abfindung ist nicht unumstritten, da er zum einen gesetzlich nicht abschließend definiert ist[47] und zum anderen Aufhebungsverträge oftmals viele verschiedene Zahlungen der Gesellschaft an das Vorstandsmitglied enthalten, ohne dass diese Zahlungen als Abfindung bezeichnet werden.[48] So werden auch teilweise in der Literatur die Probleme der Anerkennungsprämie und der Abfindung unterschiedslos behandelt.[49] Einigkeit besteht darin, dass eine Abfindung in Geldzahlungen oder Sachleistungen bestehen kann und das Ausscheiden des Begünstigten aus der Gesellschaft voraussetzt.[50]

 

Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter dem Begriff der Abfindung eine meist einmalige Leistung, durch die ein vermögensrechtlicher Anspruch aus unübersichtlichen oder auf längere Zeit sich erstreckenden Rechtsbeziehungen unter Ausschluss weiterer Forderungen endgültig beseitigt wird.[51] In der deutschen Rechtsordnung tauchen die Elemente dieser allgemeinen Abfindungsdefinition an unterschiedlichen Stellen auf.[52] In allen gesetzlich normierten Abfindungsfällen stellen Abfindungszahlungen jedenfalls den Betrag dar, der das Bestandsinteresse an der Fortsetzung des Rechtsverhältnisses der einen Seite mit dem Auflösungsinteresse der anderen Seite in Einklang bringt.[53] Nur bei einer bestimmten Höhe der Abfindung wird sich die eine Seite auf die Beendigung ihrer Rechtsposition einlassen, während die andere Seite diesen Schritt nur bis zu einer gewissen Höhe mitgehen wird.[54]  Zudem kann eine Abfindung dazu beitragen, vorzeitig eine rechtlich unklare und konfliktträchtige Situation zu vermeiden. Die Zahlung einer Abfindung hat somit auch eine Befriedungsfunktion.[55]

 

2.3 Abfindungen bei Beendigung von Dienstverträgen


 


Der oben dargelegte allgemeine Abfindungsbegriff lässt sich zwar durchaus auf Abfindungen in Folge der Beendigung eines Dienstvertrags übertragen, es gilt jedoch mangels weitergehender Präzisierung einen Abfindungsbegriff zu erarbeiten, der besonders auf die Auflösung von Dienstverträgen von Vorstandsmitgliedern zugeschnitten ist und aufzeigt, was genau hinter den zentralen Begriffen der allgemeinen Definition Bestandsinteresse, Auflösungsinteresse und Befriedungsfunktion steht.

 

2.3.1 Gemeinsamkeiten bei Arbeitnehmern und Organmitgliedern


 


Die Vorstandstätigkeit, die Spindler zufolge „eine Mischung aus einerseits fremdbestimmter bzw. fremdnütziger Arbeit ist (Festlohn) und andererseits unternehmerisch ausgerichtet, mit Risiken behaftet und auch auf die nötige Eingehung von Risiken gerichtete Tätigkeit ist (Unternehmergewinn)“,[56] muss zwar von der...

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