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Abhandlung über die Methode, richtig zu denken und Wahrheit in den Wissenschaften zu suchen

Vollständige deutsche Ausgabe (Frz. Discours de la méthode)

AutorRene Descartes
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl46 Seiten
ISBN9788026805786
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Dieses eBook: 'Abhandlung über die Methode, richtig zu denken und Wahrheit in den Wissenschaften zu suchen' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Der Discours de la méthode, mit vollem Titel Discours de la méthode pour bien conduire sa raison et chercher la verité dans les sciences ist ein philosophisches und autobiographisches Werk des französischen Philosophen René Descartes. Es erschien erstmals 1637 anonym in Leiden in französischer Sprache und war daher auch philosophischen Laien zugänglich. 1656 folgte eine lateinische Fassung, die in Amsterdam herausgegeben wurde. Aus dem IV. Teil des Discours de la méthode stammt das berühmte Zitat 'Je pense, donc je suis' (dt. 'Ich denke, also bin ich'). Der Discours selbst besteht aus sechs Teilen, deren Einteilung Descartes in seinem Vorwort vorschlägt: Betrachtungen über die Wissenschaften Hauptregeln der Methode Einige moralische Regeln Fundamente der Metaphysik Naturphilosophische Fragen Gründe, die den Autor zum Schreiben bewogen haben

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Leseprobe

Zweiter Abschnitt


Ich war damals in Deutschland, wohin die Kriege, welche noch heute nicht beendet sind, mich gelockt hatten. Als ich von der Kaiserkrönung zum Heere zurückkehrte, hielt mich der einbrechende Winter in einem Quartiere fest, wo ich keine Gesellschaft fand, die mich interessirte und wo glücklicherweise weder Sorgen noch Leidenschaften mich beunruhigten. So blieb ich den ganzen Tag in einem warmen Zimmer eingeschlossen und hatte volle Musse, mich in meine Gedanken zu vertiefen.

Einer der ersten dieser Gedanken liess mich bemerken, dass die aus vielen Stücken zusammengesetzen und von der Hand verschiedener Meister gefertigten Werke oft nicht so vollkommen sind als die, welche nur Einer gefertigt hat. So sind die von einem Baumeister unternommenen und ausgeführten Bauten schöner und von besserer Anordnung als die, wo mehrere gebessert, und man alte Mauern, die zu anderem Zweck gedient, dabei benutzt hat. So sind jene alten Städte, die anfangs nur Burgflecken waren, aber im Laufe der Zeit gross geworden sind, im Vergleich zu den regelmässigen Plätzen, die ein Ingenieur nach seinem Gutdünken in einer Ebene anlegt, meist so schlecht eingetheilt, dass ohnerachtet der hohen Kunst des Einzelnen man doch bei dem Anblick ihrer schlechten Ordnung und der krummen und ungleichen Strassen sie eher für Werke des Zufalls als für die vernünftiger Wesen hält. Trotzdem gab es zu allen Zeiten Beamte, welche die einzelnen Bauten im Interesse der allgemeinen Zierde zu beaufsichtigen hatten. Man sieht also, wie schwer es ist, etwas Vollständiges zu erreichen, wenn man nur die Arbeiten Anderer benutzt. Deshalb befinden sich auch halb wilde und nur nach und nach civilisirte Völker, die ihre Gesetze nur nach Maassgabe der gerade vorkommenden Verbrechen und Streitigkeiten erliessen, nicht in so gutem Zustande als die, welche von Anfang ihrer Verbindung an die von einem weisen Gesetzgeber ausgegangene Verfassung angenommen haben. Ebenso ist es unzweifelhaft, dass eine Religion, deren Anordnungen von Gott allein ausgegangen sind, unvergleichlich besser als alle anderen geordnet sein muss. Was aber die menschlichen Dinge anlangt, so glaube ich, dass der ehemalige blühende Zustand Sparta’s nicht durch seine einzelnen guten Gesetze herbeigeführt worden ist, deren manche sonderbar und selbst den guten Sitten zuwider waren, sondern dadurch, dass sie sämmtlich von einem Manne erdacht waren und dasselbe Ziel verfolgten. Das Gleiche nahm ich von den in den Büchern niedergelegten Wissenschaften an, wenigstens so weit ihre Gründe nur Wahrscheinlichkeit haben, und sie ohne Beweise allmählich aus den Meinungen einer Menge verschiedener Männer gebildet und angewachsen sind. Sie kommen der Wahrheit nicht so nahe als die einfachen Betrachtungen, welche ein Mensch von gesundem Verstande über die ihm vorkommenden Dinge in natürlicher Weise anstellt. Auch sind wir Erwachsenen ja alle früher Kinder gewesen und sind lange von unseren Begierden und von unseren Lehrern geleitet worden, die einander oft widersprachen, und die vielleicht beide uns nicht immer das Beste riethen. Unsere Urtheile können deshalb nicht so rein und zuverlässig sein, als wenn wir von unserer Geburt ab den vollen Gebrauch unserer Vernunft gehabt hätten und immer von ihr allein geleitet worden wären.

Allerdings reisst man nicht alle Häuser einer Stadt nieder, nur um sie in anderer Gestalt wieder aufzuführen und die Strassen zu verschönern, aber Mancher lässt das seinige abtragen und neu bauen, ja er ist mitunter dazu gezwungen, wenn Gefahr droht, dass es von selbst einfallen werde, und die Fundamente nicht zuverlässig sind. Nach diesem Beispiel meinte ich, dass ein Einzelner schwerlich die Reform eines Staats damit beginnen werde, alle Grundlagen zu ändern und behufs des Neubaues umzustürzen; ebensowenig wird in dieser Weise die Gesammtheit der Wissenschaften oder die in den Schulen eingeführte Weise des Unterrichts verbessert werden können. Aber in Betreff der von mir bisher angenommenen Meinungen schien es mir das Beste, sie mit einem Male ganz zu beseitigen, um nachher bessere oder auch vielleicht dieselben, aber nach dem Maasse der Vernunft zugerichtet, an deren Stelle zu setzen. Ich war überzeugt, dass ich damit zu einem besseren Lebenswandel gelangen würde, als wenn ich auf den alten Grundlagen fortbaute und mich nur auf die Grundsätze stützte, die ich in meiner Jugend, ohne ihre Wahrheit zu prüfen, angenommen hatte. Wenn ich auch einige Schwierigkeiten hier antraf, so gab es doch Hülfsmittel dafür, und sie waren nicht mit denen zu vergleichen, die sich bei der geringsten öffentlichen Angelegenheit hervorthun. Diese grossen Körper sind, einmal umgestürzt, schwer wieder aufzurichten und schwer zu erhalten, wenn sie schwanken; ihr Fall muss Viele hart treffen. Ihre Mängel, wenn sie deren haben, und dass dies bei den meisten der Fall, zeigt schon die blosse Verschiedenheit unter ihnen, sind durch die Gewohnheit gemildert. Vieles davon wird allmählich beseitigt oder verbessert, was durch blosse Berechnung nicht so gut erreicht werden könnte, und das Bestehende ist endlich beinahe immer erträglicher als der Wechsel. Es ist wie mit den Heerstrassen über die Gebirge; allmählich werden sie glatt und bequem durch den Gebrauch, und man thut besser, ihnen zu folgen, als geradeaus zu gehen, über Felsen zu klettern und in Abgründe hinabzusteigen.

Ich kann deshalb jene aufsprudelnden und unruhigen Launen nicht billigen, wo man, ohne dass Geburt oder Stellung zur Beschäftigung mit den öffentlichen Angelegenheiten auffordert, doch nicht ermüdet, irgend eine neue Verbesserung auszudenken; und wenn diese Abhandlung nur im Geringsten mich dieser Thorheit verdächtig machen könnte, sollte es mir leid thun, ihre Veröffentlichung gestattet zu haben. Ich habe mich immer darauf beschränkt, meine eigenen Gedanken zu berichtigen und auf einen Grund zu bauen, der ganz mir gehört. Wenn ich hier von meinem Werke, weil es mir gefällt, ein Muster biete, so will ich doch deshalb Niemand zur Nachahmung veranlassen. Die, welche Gott mehr begnadigt hat, mögen vielleicht höhere Pläne haben; aber ich fürchte, dass schon dieser hier für Manchen zu kühn sein wird. Der blosse Entschluss, sich von Allem loszusagen, was man bisher für wahr gehalten hat, ist ein Schritt, den nicht Jeder thun mag. Die Welt ist mit zwei Arten von Geistern erfüllt, denen beiden dies nicht gefallen wird. Die Einen halten sich für klüger, als sie sind, überstürzen sich in ihren Urtheilen und können ihre Gedanken nicht in Ruhe leiten. Nähmen diese sich einmal die Freiheit, an ihren angenommenen Grundsätzen zu zweifeln und von dem betretenen Wege abzuweichen, so würden sie nie den Fussweg einhalten können, der sie geradeaus führt, und sie würden ihr ganzes Leben aus den Irrwegen nicht herauskommen. Die Zweiten sind vernünftig und bescheiden genug, um einzusehen, dass sie das Wahre und Falsche weniger als Andere unterscheiden; sie lassen sich von Diesen unterrichten und werden deshalb lieber den Meinungen Dieser folgen, als selbst etwas Besseres aufsuchen.

Ich würde unzweifelhaft zu den Letzteren gehört haben, wenn ich nur einen Lehrer gehabt hätte, oder wenn ich nicht die Verschiedenheit der Ansichten bemerkt hätte, die von jeher unter den Gelehrten geherrscht hat. Ich hatte bereits in dem Kolleg gelernt, dass man nichts so Fremdes und Unglaubliches sich ausdenken kann, was nicht ein Philosoph behauptet hätte. Ich bemerkte ferner auf meinen Reisen, dass selbst die, welche in ihren Ansichten von den meinigen ganz abwichen, deshalb noch keine Barbaren oder Wilde waren, sondern oft ihren Verstand ebensogut oder besser als ich gebrauchen konnten.

Ich überlegte ferner, dass derselbe Mensch mit demselben Geist, je nachdem er unter den Franzosen oder Deutschen aufwächst, anders werden wird, als wenn er immer unter den Chinesen oder Kannibalen lebt, und wie bis auf die Kleidermoden hinab dieselbe Sache, die uns vor zehn Jahren gefallen hat und viel leicht vor den nächsten zehn Jahren wieder gefallen wird, uns jetzt verkehrt und lächerlich erscheint. So bestimmt uns mehr die Gewohnheit und das Beispiel als die sichere Kenntniss; und obgleich die Mehrheit der Stimmen für schwer zu entdeckende Wahrheiten nicht viel werth ist, und es oft wahrscheinlicher ist, dass ein Einzelner sie eher als ein ganzes Volk entdecken werde, so fand ich doch Niemand, dessen Meinungen mir einen Vorzug vor denen Anderer zu verdienen schienen, und ich war gewissermassen zu dem Versuch genöthigt, mich selbst weiter zu bringen.

Allein gleich einem Menschen, der in der Dunkelheit und allein geht, entschloss ich mich, es so langsam und mit so viel Vorsicht zu thun, dass ich, sollte ich auch nur langsam vorwärts kommen, doch vor jedem Falle geschützt bliebe. Ich beschloss sogar, nicht mit dem gänzlichen Verwerfen Alles dessen zu beginnen, was sich ohne Anleitung der Vernunft in meinem Glauben eingeschlichen hatte, sondern zuvor den Plan des zu unternehmenden Werkes sattsam zu überlegen und die wahre Methode aufzusuchen, die mich zur Kenntniss Alles dessen führen könnte, dessen mein Geist fähig ist.

Ich hatte in meiner Jugend von den Zweigen der Philosophie die Logik und von der Mathematik die geometrische Analysis und die Algebra ein Wenig studirt, da diese drei Künste oder Wissenschaften mir für meinen Plan förderlich zu sein schienen. Bei ihrer Prüfung wurde ich indess gewahr, dass die Schlüsse der Logik und die Mehrzahl ihrer übrigen Regeln mehr dazu dienen, einem Anderen das, was man weiss, zu erklären oder, wie bei der Lullischen Kunst, von dem, was man nicht weiss und versteht, zu sprechen, als selbst zu lernen. Die Logik enthält allerdings viele gute und wahre...

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