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E-Book

Aggression, Gewalt und Aggressionsmanagement

Lehr- und Praxishandbuch zur Gewaltprävention für Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufe

VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl100 Seiten
ISBN9783456758459
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis57,99 EUR
Pflege-, Sozial- und Gesundheitsberufe sehen sich zunehmend mit aggressiven und potenziell gewalttätigen Patienten konfrontiert. Sie müssen daher nach Möglichkeiten suchen, um Aggressionen vorzubeugen, aggressive Ausbrüche zu verhindern und im Fall von Gewalttätigkeit Schaden von sich und anderen abzuwenden. Dazu liefert das Praxishandbuch eine hervorragende Grundlage. Die erfahrenen Herausgeber und das kompetente Autorenteam • stellen die Probleme von Aggression und Gewalttätigkeit im Gesundheitswesen umfassend dar • erklären verständlich die wichtigsten Theorien und Faktoren, um gewalttätiges Verhalten verstehen, beeinflussen, vorhersagen oder verhindern zu können • stellen die Grundprinzipien zur Prävention und zum Umgang mit Gewalt dar • differenzieren psychosoziale, körperbezogene, pharmakologische, psychologische und umgebungsbezogene Interventionen, um Gewalt verhindern und Aggression managen zu können • stellen Aggressionen mindernde oder begrenzende Handlungen vor, wie verbale Deeskalation, Reizabschirmung, Traumabehandlung, Umgebungsgestaltung und freiheitsentziehenden Maßnahmen • beschreiben, wer, wo in welchen Situationen und Settings mit gewalttätigen Menschen umgehen muss • bieten einen Überblick über organisatorisch-institutionelle Maßnahmen sowie Möglichkeiten der Ausbildung und Schulung von Mitarbeitern und Multiplikatoren • fassen wichtige Assessments, Standards, Tools und Werkzeuge in einem umfassenden Anhang zusammen.

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Leseprobe

Anstelle eines Vorworts der Herausgeber zur 2. Auflage: Aus einem Briefwechsel


An: ‚Nico Oud‘; ‚Gernot Walter‘

Von: Johannes Nau

Betreff: E = mc2 (?)

 

Hallo Nico, hallo Gernot,

Ihr lieben zwei!

 

E = mc2 (?)

 

Wir sind hier gerade an der Nordsee in Urlaub.

Ich lese derzeit ein Buch über Albert Einstein und wie es zu der kurzen Formel E = mc2 kam. Es fasziniert mich, wie er einen komplexen Sachverhalt auf eine solche kurze Form bringen konnte. Ich schaue derweil den Wellen zu und denke über unsere Überarbeitung zur 2. Auflage nach. Ich sinniere, ob solches nicht auch für uns möglich wäre. Also etwas noch Einfacheres als das NOW-Modell, das dann natürlich immer noch zur Ausdifferenzierung nötig bleibt.

Der Autor der Einstein-Biografie arbeitete heraus, dass die Welt vor Albert Einstein damit beschäftigt war, alle die vielen Formen von Energien zu identifizieren und zu untersuchen (Freisetzung von Wärme durch Verbrennen, Reibungswärme, Elektrizität usw.) und dass keine Idee existierte, dass Masse und Energie ein und dieselbe Sache sind.

Einstein wird in dem Buch beschrieben, dass er in allen der damals getrennt existierenden Theorien mit ihrer Verschiedenheit nach dem Verbindenden und Gemeinsamen gesucht hätte. Er hätte sodann bemerkt, dass das Verbindende nicht in einem großen Externen, alles Zusammenfassenden zu finden sei, sondern im kleinsten Bereich, jedem vor den Augen liegend und im Alltag ständig präsent. Er entdeckte die Energie, die in jedem Atom steckt und alles miteinander erklärte (und sodann leider auch die Erfindung der Atombombe ermöglichte).

Ich bin in diesem Bereich zu fachfremd, um zu beurteilen, wie gut der Autor das alles wiedergegeben hat. Anregend ist es allemal. Mir kam darüber der Gedanke: Schaut man in die Forschung zu Aggressionsmanagement, so erinnert das an die berichtete Untersuchung der einzelnen Energien im viktorianischen Zeitalter. Bei uns eben bezogen auf die Fachbereiche, Personal, Patient*innen, physische Interventionstechniken, Absonderung/Fixierung, Nachgespräche usw. – Ihr kennt ja dazu auch Nicos Beitrag zur Geschichte der Aggressionsforschung im Wiener High-Noon-Kongress. Das ist alles ja auch nicht falsch. Aber stellen wir uns die Einstein’sche Frage: Was ist in diesem Feld das Eine, das alles erklärt? Das Eine, das auf den Punkt bringt? Es müsste also vielleicht um die Überlegung gehen, dass man nach dem schauen müsste, was vor unseren Augen liegt, aber unsichtbar bzw. unbemerkt geblieben ist. Dass solche Phänomene (Sichtbares nicht zu bemerken) existieren, hatte schön der Frankfurter Goethe in Worte gefasst (er lebte übrigens nicht weit entfernt von unserem Hotel, in dem wir uns immer treffen): „Was ist das Schwerste von allem? Was dir das Leichteste dünket: Mit den Augen zu sehn, was vor den Augen dir lieget“. (Man denke dabei auch an das Kurzfilmchen mit dem Gorilla, der doch tatsächlich nicht wahrgenommen wird, obwohl der mitten durchs Bild läuft. Ist es dann ausgesprochen, dann sehen es alle).

Als historische Beispiele mögen dazu dienen: Die Entdeckung, dass man mit der Zahl 0 rechnen kann, durch italienische Kaufleute (ich glaube im 13. Jahrhundert von Indern gelernt). Die Entdeckung, dass unter Koffer Rädchen montiert werden können und man sie dann nicht mehr zu tragen braucht (erst vor wenigen Jahrzehnten). Die Erfindung der Büroklammer zum Ende des 19. Jahrhunderts. Bis dahin hatte niemand die Idee gehabt, dass gebogener Draht Papier zusammenhält, ohne es zu verletzen. Die Entdeckung, dass um uns herum nicht Nichts ist, sondern Atemluft (was von den Leuten damals nicht geglaubt wurde, da sie ja weder etwas sehen, tasten, riechen konnten …). Wahrscheinlich ließe sich ein Buch alleine mit solchen Beispielen füllen.

Einstein hatte die These entwickelt, dass Energie und Masse so ziemlich das Gleiche sind. Energie kann Masse werden und Masse kann (wieder) zu Energie werden. C2 (Lichtgeschwindigkeit) ist der „conversion factor telling you how the linkage operates“. Einstein fasst dies in die Formel E = mc2 (keine mathematische Formel, sondern eine Phänomen beschreibende Formel – das war mein eigenes großes Missverständnis, das ich lange Zeit hatte).

Also: Schaut man auf die Herausforderung der Deeskalation und die vielen Schriften dazu mit ihren investigativen Ansätzen zur Klärung von Aggression in Notaufnahme, Altersheim, Angehörigenpflege usw., so mag es naheliegen, sich ähnliche Fragen zu stellen: Was ist das Gemeinsame? Was ist das, was in dem kleinsten Teil als Triebfeder wirksam ist? Eine Sache scheint mir in dieser Überlegung für Deeskalation bzw. die Möglichkeit, im Gleichgewicht bleiben zu können, in den Vordergrund zu rücken. Es ist in diesem Kontext nicht wirklich untersucht, aber von zahlreichen Menschen und speziell Fortbildungsteilnehmer*innen bestätigt: Das Erleben von Wertschätzung (übrigens Item 1 der DABS) und die Zuversicht, dass es möglich sein wird, die – als dringend erlebten – Bedürfnisse erfüllt zu bekommen.

In der Tat scheint sich solches durch die Menschheit zu ziehen und auch in zahlreichen Abhandlungen unterschiedlicher Religionen und weltlicher Philosophien als Kulturkonstante zu zeigen. Meine Idee dazu: Vielleicht passt es, in diesem Sinne unsere 2. Auflage des Buches weiter zuzuspitzen? Wissenschaftliche Belege für die Bedeutung von Wertschätzung in diesem Kontext können wir an dieser Stelle nicht einbringen, aber wie es so schön das Wortspiel aus dem Englischen verbalisiert: „Absence of evidence is not evidence of absence“.

Vielleicht sind wir uns einfach dessen nicht bewusst und benötigen es wie Luft zum Atmen (s.o.) und vielleicht hat es einfach auch so viel „face-validity“, dass weitere Untersuchungen entfallen können. (Eine Doppelblindstudie für die Sinnhaftigkeit der Verwendung von Fallschirmen, falls man aus dem Flugzeug springen muss/möchte, ist ja auch unnötig – Ihr kennt ja sicher den lustigen Artikel dazu „Parachute use to prevent death and major trauma related to gravitational challenge“. Wenn nicht, hier ist ein Auszug frei zugänglich: https://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.1177/154510970400300401)

Man könnte auch noch anders argumentieren: Je stärker die „effect size“, umso niedriger die nötige Zahl der Probanden, um die Wirkung zu zeigen. Es besteht Grund zur Annahme, dass Wertschätzung eine solche starke „effect size“ hat, dass sicher jeder Mensch über positive Erlebnisse berichten kann. Also stehen unglaublich viele Fallstudien/Narrative zur Verfügung.

To sum up: Ich, Du, wir alle, jede/r Einzelne von uns: Uns geht es gut, wenn wir spüren, dass der andere (Mit-)Mensch uns wichtig nimmt, ernst nimmt, unsere Intentionen und Anliegen erkennt und achtet. Wer kennt einen Menschen, bei dem das nicht so ist? Braucht es dazu noch wirklich weitere wissenschaftliche Untersuchungen? Natürlich ja! Aber es besteht gute Beleglage aus internen Evidenzen (unsere Expertise als Mensch auf dieser Erde), dass diese Hypothese nicht abwegig ist.

Das Phänomen sollte trotz der großen Bedeutung aber auch nicht zu starr und humorlos betrachtet werden. In diesem Sinne kann man sich fragen: Wenn Einstein seine Erkenntnis in eine Kurzformel E = mc2 (Energie entspricht der Masse mit dem Konvertierungsfaktor Lichtgeschwindigkeit) gefasst hat, was wäre dann die Kurzformel für das, was Menschen davon abhält, aggressiv zu werden, oder positiv gesagt: Was hält den Menschen im Gleichgewicht, frei von Stress und in der Lage, sich mit seinen Anliegen angstfrei unter Anwendung seiner kommunikativen Kompetenzen zu kommunizieren und was wäre dann der Konvertierungsfaktor?

Der Witz ist: Auch dies könnte man in eine Kurzformel für Gelassenheit und Deeskalation bringen. Vielleicht braucht das noch eine bessere Wortwahl, aber als erster Wurf kommt mir:

(escalation prevention) = (men’s estimation) x (cooperative fulfilling of needs)2. Es ist lustig: Wir hätten dann auch die berühmte Buchstabenkombination zur Verfügung: E = mc2

Natürlich könnte man solches dann auch mit jeder anderen Buchstabenkombination darstellen (aber so wäre es augenfälliger). Soweit mal meine kleinen – hoffentlich anregenden – Gedanken aus dem Urlaub. Vielleicht ist das noch ein wenig unausgegoren und wirr, aber ich spüre es deutlich im Bauch: Dort könnte der Ansatz zur Vereinfachung liegen und die Möglichkeit für starke (gesundheits-)politische Aussagen schaffen.

Was meint ihr?

Viele Grüße aus den Dünen

Johannes

 

PS: Das Buch heißt „E = mc2 – A Biography of the World’s Most Famous Equation“ von David Bodanis.

 

 

An: ‚Nico Oud‘; ‚Johannes Nau‘ Von: Gernot Walter

Betreff: E = mc2 (?)

 

Hallo ihr beiden,

ja, lieber Johannes, da kann ich Dir nur zustimmen!

Mich beschäftigt seit einiger Zeit, dass wir den Umgang mit Aggression und Gewalt im Gesundheitswesen zunehmend systematischer angehen, dafür mehr und mehr Begründungen und Konzepte liefern. Eigentlich eine sehr positive Entwicklung. Allerdings steht dem meine praktische Erfahrung der vergangenen Jahre gegenüber, insbesondere, seit wir durch das Buchprojekt unsere Grundhaltung so herausgearbeitet haben und ich bzw. Nico und ich (wenn wir zusammen aktiv sind) ganz explizit damit in...

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