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Aggression und Gewalt an Schulen

AutorSteffi Lippold
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl74 Seiten
ISBN9783638387675
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Pädagogik - Pädagogische Psychologie, Note: 1,3, Universität Leipzig, 50 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Arbeit setzt sich mit Aggression und personaler Gewalt von Kindern und Jugendlichen auseinander. Es wird gezeigt, aus welchen Motiven und Umständen heraus Kinder und Jugendliche zu Aggressionen neigen. Im Anschluss werden Möglichkeiten vorgestellt, mit deren Hilfe Aggression ohne Anwendung von Gewalt begegnet werden kann. Die Aggression von Kindern und Jugendlichen ist nicht nur für Lehrer von Interesse. Glaubt man den vielfältigen Medienberichten, gehören Aggression und personale Gewalt zum Alltag an deutschen Schulen. Meldungen über Gewalt an Schulen, Berichte von randalierenden Jugendlichen, von deren Diebstählen, Sachbeschädigungen, Überfällen, Prügeleien, Angriffen mit Messern oder Schusswaffen deuten auf einen Anstieg der Taten hin. Der Amoklauf im September 2002 in Erfurt mit 17 Toten und daraufhin zunehmende Präsens von Gewalttaten mit besonderer Brutalität in den Medien legen die Vermutung nahe, dass die Schwere der Fälle zugenommen hat. Öffentlichkeit und Politik reagieren darauf. Politiker fordern schärfere Sanktionen, Lehrer kleinere Klassen und Eltern Polizei in den Schulen und mehr Schulsozialarbeit. Die bereits geringen finanziellen Mittel werden statt dessen weiter gekürzt. Im Folgenden werden diese intuitiven Vermutungen über Form und Ausmaß von Aggression auf wissenschaftlicher Ebene bestätigt oder korrigiert und Mittel zur Prävention und Intervention vorgestellt. Hier musste eine Auswahl der Mittel bzw. Maßnahmen getroffen werden.

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Leseprobe

2 Ausmaß der Aggression von Kindern und Jugendlichen


 

Anfang der 90er Jahre entstand die öffentliche Debatte um Gewalt an Schulen.[3] In den Medien wurden Einzelfälle publiziert und Gewalt an Schulen wurde zu einem Schwerpunkt der wissenschaftlichen Forschung.[4]

 

Die Verbreitung und die Bedingungen des Problemverhaltens werden hier näher untersucht. Dazu haben Lösel und Bliesener (2003) zwei Untersuchungen erstellt. Die Ergebnisse der ersten Untersuchung werden in den folgenden Ausführungen dargestellt.

 

Der erste Untersuchungsteil wurde in 7. und 8. Klassen in Nürnberg und Erlangen schriftlich durchgeführt. Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien wurden einbezogen. Da Gesamtschulen nicht flächendeckend eingerichtet waren, wurden diese nicht berücksichtigt. Die Untersuchung wurde in 52 Klassen aus 11 Schulen durchgeführt. 1163 Schülerinnen und Schüler nahmen teil.[5]

 

2.1 Verbreitung des Problemverhaltens


 

2.1.1 Schule und Schulweg


 

4% der Jugendlichen wurden im letzten Halbjahr mit einer Waffe bedroht oder haben selbst andere mit einer Waffe bedroht. Etwa ein Drittel hat in der Schule verbale Gewalt erfahren oder hat verbale Aggression gezeigt. Fast die Hälfte aller Befragten hat Schüler oder Schülerinnen geschlagen oder getreten. Da nur wenige angaben, Opfer gewesen zu sein, ist davon auszugehen, dass sich die Aggression auf wenige Opfer konzentrierte. Lösel und Bliesener weisen jedoch darauf hin, dass diese Schläge und Tritte häufig ein spielerischer Charakter haben. Unter 10% der Schülerinnen und Schüler gaben an, einmal oder mehrmals wöchentlich Aggression zu zeigen. Sehr vielen Schülern, die sich selten aggressiv gegen Mitschüler verhalten, stehen wenige Schüler gegenüber, die es häufig tun. Auf dem Schulweg wird weniger Aggression ausgeübt und erlebt, als in der Schule. Es scheint naheliegend, dass die Opfer auf dem Weg zur Schule andere Wege wählen können und somit ihren Peinigern entkommen können, wohingegen sie in der Schule räumlich keine Fluchtmöglichkeiten haben.

 

2.1.2 Allgemeine Delinquenz und Aggressivität


 

Leichte Normverletzungen (zum Beispiel: Schwarzfahren) im vergangenen Jahr wurden von ca. 80% der Schülerinnen und Schüler zugegeben. Etwa 30% begingen Diebstähle verschiedener Art, vorsätzliche Körperverletzung, schwänzten die Schule oder betranken sich.  Weniger als ein Zehntel der Jugendlichen verübten einen Raub, besaßen unerlaubt Waffen, bedrohten mit einer Waffe, schwänzten länger die Schule, begingen Diebstahl gegenüber Klassenkameraden, gebrauchten Rauschgift et cetera. Die Taten wurden meist nur einmal oder gelegentlich (2-5x) ausgeübt. Schwerwiegende Straftaten waren relativ selten. Mehrfachtäter waren häufiger als Einzeltäter, doch Intensivtäter (6 oder mehr Delikte) machten nur 5% aus. Die Aggression an Schulen steht in einem engen Zusammenhang mit allgemeiner Delinquenz der Jugendlichen.

 

2.1.3 Geschlechter


 

Jungen erfahren häufiger körperliche Gewalt als Mädchen. Bei verbaler Gewalt sind die Geschlechterunterschiede gering. Mädchen sind in ähnlichem Maße Opfer wie Jungen, trotz geringerer aktiver Beteiligung an Aggressionen. Mädchen haben mehr Furcht vor Gewalt. Nach Ergebnissen zur allgemeinen Kriminalitätsfurcht haben sie später als Frauen auch größere Furcht als Männer.[6] Jungen sehen ihre Aggressionen häufiger als mehr oder weniger ernsthaftes Kräftemessen. Die klassische Männlichkeitsrolle lässt sie Aggressivität normaler empfinden und deshalb klagen sie weniger darüber. Da Mädchen physisch schwächer sind, hat Furcht bei ihnen eine protektive Funktion.

 

Bei der Delinquenz außerhalb der Schule zeigen Jungen mehr Normverletzungen, insbesondere Gewalttaten und vandalistische Delikte. Geringere Unterschiede bestehen bei Eigentumsdelikten. Mädchen schwänzen häufiger (41%) die Schule als Jungen (34%).

 

2.1.4 Schultypen


 

Besonders große Unterschiede im Ausmaß der Aggression bestehen zwischen Gymnasien und Hauptschulen. Die Realschule nimmt eine mittlere Stellung ein. Bei der Viktimisierung existieren kaum Unterschiede. Insgesamt ist die Diskrepanz gering ausgeprägt, so dass keine Schulform als besonders belastet angesehen werden kann. Die Qualität des schulischen Lebens ist unabhängig von der Schulform. Der Vandalismus ist in allen drei untersuchten Schulformen ähnlich auffällig. Trotz der geringen Differenzen muss darauf hingewiesen werden, dass auf allen Skalen die Hauptschüler die höchsten Werte aufweisen.

 

2.1.5 Alter


 

An der Untersuchung nahmen nur Schülerinnen und Schüler der 7. und 8. Klassen teil. Deshalb können Lösel und Bliesener nur Aussagen über die 13- bis 15-jährigen Jugendlichen machen.

 

Zwischen 13 und 15 Jahren steigt die körperliche und verbale Aggression deutlich an. Die 15-jährigen begehen signifikant mehr Eigentumsdelikte, Aggressionsdelikte und Rückzugsdelinquenz. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die jüngeren Schüler häufiger Opfer sind.

 

Tillmann (1998) konstatiert „eine Art ‚Gewaltspitze’ bei den 13- bis 15jährigen“[7]. Nach diesem Alter nimmt die Häufigkeit von körperlichen Gewalthandlungen ab. Über verbales Aggressionsverhalten wird keine Aussage getroffen.

 

2.1.6 Ausländische Jugendliche


 

Etwa ein Viertel der an den Studien von Lösel und Bliesener teilnehmenden Jugendlichen war ausländischer Staatsangehörigkeit. Sie erreichten etwas höhere Werte der aktiven Aggressionsausübung, die jedoch unmaßgeblich sind. Ausländische Schülerinnen und Schüler berichten seltener, Opfer zu sein. Bei der Rückzugsdelinquenz haben sie höhere Werte. Es muss jedoch festgestellt werden, dass regionale Faktoren sowie die Stichprobengröße eine Rolle spielen. Eine geringe Anzahl an teilnehmenden Nicht-Deutschen kann wenig verallgemeinert werden. Schüler mit schlechten Deutschkenntnissen nahmen an der Studie nicht teil.

 

2.2 Bedingungen des Problemverhaltens


 

2.2.1 Familienmerkmale


 

Schul-Bullying[8] und allgemeine Dissozialität hängen nur gering mit objektiven familialen Daten zusammen. Unterschichtzugehörigkeit, Scheidung und andere Probleme erklären nur

 

einen Teil des Problemverhaltens. Statistisch signifikant sind multiple Korrelationen zwischen Sozialisationsbelastungen und Problemverhalten. Familiäre Belastungen und Opferwerden stehen in wechselseitiger Beziehung. Sehr bedeutsam ist die emotionale Qualität des Familienklimas. Wenn das häusliche Klima als warmherzig und anregend empfunden und die elterliche Erziehung akzeptiert und nicht aggressiv erlebt wird, dann sind Jugendliche weniger aggressiv gegenüber Mitschülern. Schüler die häufig Aggressionsopfer sind, berichten im Großteil über ungünstigeres Familienklima und Erziehungsverhalten. Dabei ist das erlebte Familienklima für delinquente Mädchen erheblicher als für Jungen. Autoritative Erziehung[9] ist am besten für die soziale Entwicklung des Kindes. Wenig emotionale Wärme, wenig Normorientierung und hohe Aggressivität sind Aspekte einer besonders ungünstigen Kombination.

 

2.2.2 Persönlichkeit und psychische Probleme


 

Schüler, die hohe Werte im Bullying hatten, also Mitschüler über langen Zeitraum absichtlich schädigten, berichteten in stärkerem Maße über Aufmerksamkeitsprobleme, Identitäts- und Denkprobleme. Sie erreichten höhere Werte bei der Delinquenz und bei der allgemeinen Dissozialität. Lehrer schätzten die Opfer aggressiver Handlungen als weniger durchsetzungsfähig und eher unterwürfig ein. Aggressionsopfer sind besonders ängstlich und depressiv. Sie leiden an Identitätsproblemen, sozialen Schwierigkeiten und ziehen sich sozial schneller zurück. Die Wirkprozesse scheinen jedoch unklar: Entweder führt die dauerhafte Opfererfahrung zur Entwicklung nach innen gerichteter Symptome oder ängstliche Jugendliche erscheinen den Täter als besonders geeignete Opfer. Wahrscheinlich ist eine gegenseitige Verstärkung.

 

2.2.3 Verarbeitung sozialer Informationen


 

Lösel und Bliesener (2003) konnten einen Zusammenhang von Aggressivität und Delinquenz mit kognitiven Schemata und Reaktionsbereitschaften feststellen. Der Viktimisierungsgrad hängt nicht mit den kognitiven Schemata und den Reaktionsbereitschaften zusammen. Aggressive Jugendliche haben egoistische Ziele, zeigen weniger Bereitschaft zum Verständnis des Gegenübers oder zur Deeskalation. Sie neigen deutlich mehr zu impulsiven Reaktionen. Die soziale Informationsverarbeitung korreliert am höchsten mit dem Schul-Bullying.

 

2.2.4 Soziale Kompetenz und Problembewältigung


 

Aggressive Schüler berichteten selbst über geringere Kompetenz in interpersonellen Konfliktsituationen. Sie erreichen weniger aktives Bewältigungsverhalten und intern-emotionales Coping und gehen Problemen aus dem Weg. Opfer ziehen sich häufiger zurück und sind unbeliebter, weshalb...

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