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Agrartreibstoffe in Brasilien: Was bedeutet dies für das dialektische Verhältnis von Gesellschaft und Natur?

AutorStephan Tress
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl51 Seiten
ISBN9783955496500
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Heutzutage stammt mehr als 80 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs aus fossilen Rohstoffen, doch die Begrenztheit dieser Energiequellen stellt die heutige Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Mit dem Aufkommen der ökologischen Krise in den 80er Jahren erkannte man, dass die globalen Aneignungsformen über die Natur verbunden mit der kapitalistischen Ausbeutung der fossilen Rohstoffe nicht auf Dauer weitergehen konnten. Ein strukturelles Umdenken in der Energienutzung war deswegen dringend erforderlich. Eine Folge der ökologischen Krise war das exponentielle Ansteigen der Ölpreise. Dadurch entstand ein weltweiter Boom für die Agrartreibstoffindustrie. Doch längst ist klar, dass Agrartreibstoffe alleine den Klimawandel nicht aufhalten können und auch keinesfalls das fossile Benzin komplett substituieren können. Die aktuelle Dürre in den USA, Russland oder Indien ist ein gutes Beispiel für die Probleme der Agrartreibstoffproduktion. Da Brasilien der zweitgrößte Ethanolhersteller für nachwachsende Rohstoffen ist und das Land auf eine fast vierzigjährige Erfahrung in der Agrartreibstoffproduktion zurückblickt, bietet es gute Voraussetzungen, um einen möglichen Wandel der gesellschaftlichen Naturverhältnisse auf Grund der expandierenden Agrartreibstoffproduktion zu analysieren. Deswegen soll in der vorliegenden Studie insbesondere die These erörtert werden, ob es einen Zusammenhang zwischen der zunehmenden Expansion der Agrartreibstoffindustrie und dem Verhältnis von Gesellschaft und Natur gibt. Außerdem soll gezeigt werden, dass ökologische Ziele, wie Klimaschutz oder Erhalt der Biodiversität den ökonomischen Zielen der Agrartreibstoffindustrie untergeordnet sind. Dabei ist auch zu hinterfragen, ob sich Brasilien inzwischen das postfordistische Regulierungsmodell angeeignet hat, oder ob noch immer die grenzenlose Ausbeutung der Natur, wie es im Fordismus der Fall war, praktiziert wird. Weiter soll geklärt werden, welche Bevölkerungsgruppen von den Folgen der Agrartreibstoffexpansion betroffen sind.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 1, Ethanol aus Zuckerrohr: Im Prinzip gab es zwei Auslöser, warum im Jahr 1975 das ProÁlcool-Programm eingeführt wurde. Zum einen gab es Anfang der 70er Jahre einen starken Einbruch des Zuckerpreises aufgrund weltweiter Überproduktion und zum anderen stieg der Ölpreis wegen der Ölkrise von 1973 deutlich an. Da Brasilien stark abhängig von Ölimporten war, musste das Land nach einem Substitutionsprodukt suchen. Bis zum Ende der 70er Jahre importierte Brasilien nämlich bis zu 80 Prozent des gesamten Erdölbedarfs aus dem Ausland. Durch das Alkoholprogramm wollte die Regierung also zum einen den Ölimport reduzieren und somit auch die Abhängigkeit von anderen Staaten verkleinern und zum anderen auch weitere Absatzmöglichkeiten für die Zucker- und Agrarindustrie zu fördern. Die Hauptziele des von der Regierung stark subventionierten Programms waren unter anderem die verpflichtende Beimischung von zunächst 10 Prozent, (später 20 - 25 Prozent) anhydriertem Ethanol zum herkömmlichen Benzin. Außerdem wurde propagiert, dass dadurch neue Arbeitsplätze für den Anbau des Zuckerrohrs und dessen Verwertung in den Destillerien geschaffen werden. Um diese Ziele zu erreichen, versprach die Regierung, dass die gesamte Ethanolproduktion abgekauft werden muss. Weiter soll der Ethanolpreis so reguliert werden, dass er rentabler ist als der Zuckerpreis und billiger als der Erdölpreis. Zusätzlich vergab die Regierung günstige und zinsverbilligte Kredite an Investoren, um dadurch die Ethanolindustrie weiter auszubauen. Da die Regierung den Preis für fossiles Benzin künstlich erhöhte, damit das Ethanol preiswerter war, hatte sie dadurch faktisch eine Zusatzsteuer geschaffen, um somit die umfangreichen Subventionen finanzieren zu können. Die zweite Ölkrise 1979/80 verhalf dem Programm zu einem weiteren Aufschwung und zur Erweiterung des Ethanolplans. Die Ethanolproduktion steigerte sich von 1971 - 1983 um fast das Zehnfache. Nicht nur die Agrar- und Ethanolindustrie war von diesem Boom getroffen, sondern auch die Automobilindustrie, welche aufgrund erheblicher Steuervorteile den Bau von rein mit Alkohol betriebenen Autos, vorangetrieben wurden. Ende der 80er Jahre waren somit bis zu 90 Prozent der Neuwagen bereits mit dieser Technologie ausgestattet, so dass auch die Erdölabhängigkeit immer geringer wurde. Allerdings änderte sich der anfängliche Optimismus bezüglich des ProÀlcool-Programms sehr schnell, als es 1989/90 zu Versorgungsengpässen an den Tankstellen kam, da der Ethanolbedarf nicht gedeckt werden konnte. Andre Novo et al. nennen vier Gründe, weshalb das ProÁlcool-Programm letzten Endes kollabierte. Zum einen sank der Ölpreis stark, da in Saudi-Arabien neue Reserven gefunden wurden. Dadurch wurde fossiles Benzin wieder konkurrenzfähiger. Zweitens wurden in Brasilien eigene Offshore Ölreserven gefunden, die mit neuer Technologie gefördert werden konnten. Dies reduzierte die Ölabhängigkeit von anderen Ländern. Drittens stieg der Zuckerpreis wieder drastisch an, so dass es profitabler war, Zucker zu exportieren als Ethanol zu produzieren. Und viertens hatte die Regierung wegen einer ökonomischen Krise kein Geld mehr zur Verfügung, um das Programm weiterhin in diesem Umfang zu subventionieren. Die Regierung fuhr stufenweise die Regulierung der Zucker- und Ethanolmärkte zurück und verzichtete weiter auf direkte Preiskontrolle und Produktionsquotenfestlegungen. Obwohl die Regierung den Ethanolmarkt weitestgehend liberalisierte, verankerte sie 1993 eine gesetzlich vorgeschriebene Beimischung von 20 - 25 Prozent anhydriertem Ethanol zum fossilen Benzin. Trotzdem stagnierte die Zucker- und Ethanolindustrie bis ins neue Jahrtausend, da die Bevölkerung das Vertrauen in den Agrartreibstoff verloren hatte und fossiles Benzin preiswerter war. Erst mit der Einführung von den steuerbegünstigten flex-fuel-vehicles im Jahr 2003, die sowohl mit Ethanol, als auch mit fossilem Treibstoff betrieben werden konnten, erlebte die Branche einen erneuten Aufschwung. Der Konsument konnte somit direkt an der Tankstelle selbst die preisgünstigere Variante zwischen reinem Ethanol und fossilem Benzin wählen. Wie in Abbildung 1 auch zu erkennen ist, stieg die Ethanolproduktion ab der Einführung der flex-fuel Autos exponentiell an. Ab 2002 verdoppelte sich somit die Ethanolproduktion innerhalb weniger Jahre.
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