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E-Book

Aktive Imagination

Schöpferisch leben aus inneren Bildern

VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl174 Seiten
ISBN9783170240681
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis25,99 EUR
Imaginieren, das Hervorbringen innerer Bilder, ist etwas, das als psychische Aktivität der Phantasie ständig geschieht. Im Bereich der Mystik und Religion sowie in schamanischen Heilspraktiken gibt es seit Jahrhunderten imaginative Erfahrungswege. Als therapeutische Mittel sowie als Weg der Selbsterfahrung und der Persönlichkeitsentwicklung (Individuation) sind Formen der Imagination heute von besonderer Bedeutung und werden in sämtlichen bedeutsamen psychotherapeutischen Schulrichtungen genutzt. C. G. Jung hat die Aktive Imagination selbst erprobt und innerhalb seiner analytischen Therapien als eine eigene Methode entwickelt, bei der das Imaginieren nicht durch Vorgaben des Therapeuten gelenkt wird. Sieben der in Aktiver Imagination erfahrensten deutschsprachigen Psychoanalytiker und Psychoanalytikerinnen beschreiben aus theoretischer und anwendungsorientierter Sicht diese Methode und machen sie so für die psychotherapeutische Praxis nutzbar.

Prof. em. Dr. Brigitte Dorst, Dipl.-Psych., approbierte Psychotherapeutin und jungianische Psychoanalytikerin, war bis 2011 Professorin an der Fachhochschule Köln mit den Lehrgebieten Sozialpsychologie, Gruppendynamik und Gruppenpsychologie sowie Klinische Psychologie. Sie ist weiterhin in den Bereichen Psychotherapie, Supervision, Beratung und in der Fort- und Weiterbildung tätig. Prof. Dr. phil. Ralf T. Vogel, Dipl.-Psych., ist Psychologischer Psychotherapeut und Psychoanalytiker mit klassischer und jungianischer Ausbildung. Er arbeitet in eigener Praxis und ist Dozent und Supervisor an mehreren psychodynamischen und verhaltenstherapeutischen Ausbildungsinstituten. Als Lehranalytiker ist er u. a. am C. G. Jung Institut München tätig. Mit Beiträgen von: Hanna Wolter, Christa Henzler, Thomas Schwind, Margarete Leibig und Bernd Leibig.

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Leseprobe

2


Symbole als Grundlage der Aktiven Imagination


Brigitte Dorst


»Alles Seiende kann in seiner Durchsichtigkeit auf den Urgrund hin zum Symbol werden, und es kommt nur auf uns selbst an, ob wir noch das Gespür haben für das Wunderbare, Geheimnisvolle, Verborgene, für die Hintergründigkeit dieser Welt.«

Paul Claudel

»Nur durch das Symbol kann das Unbewusste erreicht und ausgedrückt werden.«

C. G. Jung

2.1       Was sind Symbole?


Wir sind in unserem Alltag umgeben von Symbolen. Ganz selbstverständlich gehen wir mit ihnen um, reagieren auf sie, benutzen sie im Umgang miteinander und mit der Welt. Fernsehen, Film, Zeitungen, die Werbung senden symbolische Botschaften an das Bewusstsein und das Unbewusste, ebenso tun dies Gegenstände und Handlungen. Die gewöhnliche Begrüßung durch Händeschütteln z. B. ist eine uralte symbolische Handlung mit der Bedeutung: »Ich komme dir offen entgegen, freundlich und nicht feindlich gesinnt, ich habe keine Waffen in den Händen.« Kein Staatsbesuch geht vonstatten ohne die würdevolle Präsentation nationaler Symbole sowie die symbolische Ehrung des Gastes und mit ihm das von ihm repräsentierte Land.

Der Begriff Symbol, abgeleitet vom griechischen Wort sýmbolon, bezeichnet ursprünglich ein besonderes Erkennungszeichen. Wenn Freunde oder Familienangehörige sich trennen mussten, zerbrach man eine kleine Tontafel, eine Münze oder einen Ring, und jeder behielt einen der beiden Teile. Wenn z. B. eine Nachricht geschickt werden sollte, wurde dem Boten die eine Hälfte mitgegeben und dann wurden die beiden Teile aneinandergefügt (symbállein = zusammenlegen, zusammenwerfen). So konnte sich der fremde Bote als vom Verwandten oder Freund geschickt ausweisen und wurde entsprechend gastlich aufgenommen.

In einem Symbol ging es ursprünglich also immer um etwas »Zusammengefügtes«. Daraus entwickelte sich ein Verständnis, dass ein Symbol immer mit einem bestimmten geistigen Aspekt, einer besonderen Bedeutung verbunden ist und eine Einheit damit bildet.

Alles kann potentiell zum Symbol werden, also über ein reales, sichtbares Zeichen hinaus auf eine unsichtbare Bedeutung hinweisen. Daher ist ein Symbol immer mehr als ein Zeichen. »Im Äußeren offenbart es das Innere, im Körperlichen das Geistige, im Sichtbaren das Unsichtbare« (Lurker, 1983, S. 665). Gerade weil das Symbol auf das Unsichtbare und eine tiefere Bedeutungsebene verweist und eine nicht sichtbare Wirklichkeit repräsentiert, lässt es sich mit der Ratio allein nicht begreifen.

Zum Verständnis von Symbolen gehört ihre Abgrenzung von Zeichen. Zeichen haben eine eindeutige, durch Übereinkunft entstandene Bedeutung, die willkürlich und veränderbar ist. Sie vermitteln eine Information, wie etwa die Verkehrszeichen. Zu Symbolen gehört ein multidimensionales Bedeutungsfeld, das im Laufe der Entwicklung der Menschheit entstanden ist und zugleich emotionale Botschaften impliziert. So ist etwa das Victory-V, gebildet aus Zeigefinger und Mittelfinger, das Symbol freudestrahlender Sieger.

Schon in Frühzeiten haben Menschen offenbar innere Bilder und Vorstellungen über die Welt gehabt, die eine spezifische Bedeutung für sie hatten. Davon zeugen auch die Malereien in den Höhlen aus der Steinzeit. Im weiteren Verlauf der Kulturentstehung haben sich Symbole, Riten und Mythen zur Welt- und Selbsterklärung entwickelt. So entstand in der kollektiven Psyche ein sich ständig erweiternder Schatz an Symbolen, der von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Nur Menschen besitzen die Fähigkeit der Symbolisierung, d. h. sie sind in der Lage, auf der Basis innerer, bedeutungsgeladener Bilder bewusst ihr Leben zu gestalten, zu planen und zukunftsorientiert zu handeln und ihren Aktionen Sinn zu verleihen (Hüther, 2005).

Im Laufe der Kulturentwicklung entstand eine Vielzahl von Symboliken, z. B. symbolische Gesten, Rituale, Formsymbolik wie die Spiralen und Labyrinthe, Farbsymbolik, religiöse Symbole wie das Kreuz, politische Symbole wie Nationalfahnen und Hymnen. Auch die menschliche Sprache ist ein Symbolsystem und gleichzeitig voller symbolhafter Bilder, die jeder sofort versteht, etwa in Sätzen wie:

  An dem Problem habe ich mir die Zähne ausgebissen.

  Er wirkte wie versteinert.

  Sie ist ein ganz zartes Pflänzchen und ganz nah am Wasser gebaut.

  Für diese Idee habe ich Feuer gefangen.

  Der Vorschlag hat weder Hand noch Fuß.

  Das liegt wie eine tonnenschwere Last auf der Seele.

In solchen anschaulichen, bildhaften Sätzen werden komplexe Zustände beschrieben, wird seelisches Erleben mitteilbar.

Auch der Berufsalltag wird von Symbolen ausgestaltet. Berufskleidung ist nicht nur funktional, sondern auch symbolisch. So wirkt etwa der weiße Kittel eines Arztes oder einer Ärztin, wie auch neuere Untersuchungen zeigen, noch immer vertrauenerweckend. Der Dresscode ist in manchen Betrieben eine Art ungeschriebenes Gesetz der Zugehörigkeit; Dienstwagen, persönlicher Parkplatz, Schlüsselbesitz, Platzierung der Diensträume in den oberen Etagen, Chefsessel, Schreibtischgröße und Raumgestaltung sind symbolische Botschaften und Aussagen, die den Status der jeweiligen Besitzer vor allem in hierarchisch geprägten Institutionen zum Ausdruck bringen sollen. Eine spezifische Angst von Vorgesetzten zeigt sich in dem Ausdruck, die Kollegen könnten »am Stuhl sägen«, auf dem man sitzt.

Allen beschriebenen Phänomenen liegt die menschliche Fähigkeit zur Symbolisierung und zum Symbolverstehen zugrunde. Sie verleiht Handlungen und Ereignissen, die im Lebenslauf Veränderungen deutlich machen und von existenzieller Bedeutung sind – beispielsweise Schul- und Studienabschlüsse, Verlobung, Hochzeit, Konfirmation und Beerdigung, einen spezifischen Sinn.

Was ist das Geheimnisvolle und Besondere der Symbole? Wie gewinnen Symbole über das Zeichenhafte hinaus ihre Wirksamkeit? Die menschliche Fähigkeit zur Symbolisierung gehört zu den wichtigsten Errungenschaften im Prozess der Evolution. »Das Symbol […] ist ein Mittel der Daseinserhellung – freilich nicht auf der Ebene der intellektuellen, begrifflichen Ausgliederung, auf der Ebene des abstrakten, d. h. vom Leben abgezogenen und nur auf sich selbst bezogenen Geistes, sondern auf der Ebene des Existentiellen, die eine einzige Seinsebene darstellt und in der es darum keine Gegenüberstellung von heilig und profan geben kann« (Rosenberg, 1984, S. 35 f.). In der Fähigkeit zu sinnhaften inneren Bildern liegen die Ursprünge seelischer Erfahrung. Ehe die Menschen in Begriffen denken lernten, dachten sie in Bildern. Wann immer ein Gegenstand, eine Handlung oder ein Ereignis eine existenzielle Bedeutung bekommt, sind seelische Reaktionen, Emotionen im Spiel – und diese werden über Symbole vermittelt.

2.2       Das Symbolverständnis der Analytischen Psychologie1


Im Verständnis der Analytischen Psychologie sind Symbole Mittler und Schlüssel zu den Tiefenschichten der Seele. Sie verbinden Bewusstes, Vorbewusstes, Unbewusstes und Überbewusstes. Sie sind Energiezentren und wirken ganzheitlich, d. h. Denken und Fühlen, Empfindung und Intuition können gleichzeitig angeregt und aktiviert werden. Dies ist durch neurophysiologische Forschungsmethoden nachweisbar (vgl. den Beitrag von Bernd Leibig »Imagination und Neurobiologe« in diesem Buch).

Im Verständnis der Analytischen Psychologie C. G. Jungs sind Symbole Projektionsträger für unbewusste seelische Inhalte. Wenn etwa im Traum ein Baum Blätter verliert und abzusterben droht, so kann dies ein Hinweis auf eine innere seelische Not und einen kritischen Zustand des Träumers oder der Träumerin sein. Symbole sind chiffrierte, dem Bewusstsein zugängliche und zu verstehende Aussagen des Unbewussten und tragen als Bilder Botschaften an das Bewusstsein heran. So können sie auch als Symptome über den Körper Hinweise auf psychische Problemlagen und Konflikte geben.

Alle Formen von Symbolarbeit dienen der Bewusstseinserweiterung, sie lassen die unbewussten Bedeutungsaspekte eines Symbols, das in der Phantasie auftaucht, ins Bewusstsein treten. Warum berühren uns manche Träume, Bilder und Märchengeschichten so tief? Ihre Symbole mobilisieren und entbinden psychische Energie in Form von Gefühlen. Sie verdichten, veranschaulichen, wecken unter Umständen frühere Erfahrungen und Erinnerungen; sie sind mit Erwartungen, Hoffnungen oder auch Ängsten und Befürchtungen verbunden, mit Liebe und Hass. Sie fördern den Dialog zwischen Bewusstem und Unbewusstem über das Erleben der Gefühle.

Der...

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