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E-Book

Albträume

Was sie uns sagen und wie wir sie verändern können

AutorBrigitte Holzinger
Verlagnymphenburger Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783485060738
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Albträume haben einen Sinn und es gibt Möglichkeiten, sich von ihnen zu befreien. Dr. Brigitte Holzinger beschäftigt sich seit über zwanzig Jahren wissenschaftlich und therapeutisch mit Träumen. Anhand vieler Fallbeispiele erklärt sie, weshalb Albträume auftauchen. Oft sind sie ein Versuch, etwas Unerträgliches zu verarbeiten, etwas Schreckliches ins Leben zu integrieren, eine Art Warnung oder eine Ausprägung einer Erkrankung, als Stress- oder Burnout-Marker. Durch ihre Arbeit hat sie hilfreiche Strategien für den Umgang mit Albträumen entwickelt und zeigt, wie deren Botschaften entschlüsselt und verstanden werden können.

Dr. Brigitte Holzinger, in Wien geboren, studierte Psychologie in Wien und Kalifornien (Standford), ist Psychotherapeutin für Gestalttherapie, Supervisorin, Trainerin & Coach und hat Weiterbildungen in Psychosomatik und in Medizinischer Hypnose. Sie forscht im Bereich Schlaf, Behandlung von Schlafstörungen, luzides Träumen und Bewältigung von Albträumen. Sie leitet das Institut für Bewusstseins- und Traumforschung in Wien und ist Vorstandsmitglied der ASRA (Austrian Sleep Research Association).

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Leseprobe

Wie sich (Alb-)Träume im Laufe unseres Lebens verändern

Bereits ab dem ersten Tag unseres Lebens schlafen wir … und damit meine ich nicht nur, ab dem ersten Tag nach der Geburt! Schon im Mutterleib schlafen wir, doch nur weil der Schlaf unser treuester Begleiter ist, heißt das nicht, dass er eine Konstante ist. Kinder haben meistens einen ganz anderen Schlafrhythmus als Erwachsene, das wissen alle Eltern. Teenager sind ständig übermüdet und würden am liebsten das Wochenende im Bett verbringen, natürlich erst, wenn die Party vorbei ist. Dafür kursiert das Gerücht, dass man im hohen Alter weniger Schlaf braucht und öfters in der Nacht wach wird.

Wie sieht es dann mit den Träumen aus, wie mit den Albträumen? Wenn das Leben sich wandelt, wenn der Schlaf sich wandelt, dann leuchtet es ein, dass die Welt der Träume dies ebenfalls tut. Wie sieht es aus mit Menschen, die als Kinder bereits an Albträumen litten? Werden sie ein Leben lang mit unerwünschten nächtlichen Bildern zu kämpfen haben?

Ich möchte in diesem Kapitel darauf eingehen, wie sich Träume und Albträume im Laufe des Lebens wandeln, aber auch darauf, wie unterschiedlich sich Albträume auswirken können, je nachdem, wann sie beginnen und warum sie es tun.

REM-Schlaf-Entwicklung

Wir schlafen im Mutterleib, und zwar die meiste Zeit, doch nicht nur das: Wir erleben bereits REM-Schlaf, noch vor unserer Geburt. Eine Studie belegt, dass ein sieben Monate alter Fötus bereits Augenbewegungen zeigt, die auf REM-Schlaf hindeuten. Gleich nach der Geburt verbringen Babys 80% des Schlafes in der REM-Phase. Es ist noch nicht erforscht, wovon ein Fötus träumt – und dass eine solche Forschung überhaupt jemals im Bereich des Möglichen sein wird, ist eher unwahrscheinlich. Bilder kann das ungeborene Kind eigentlich noch keine haben, denn es hat ja von der Welt noch nichts gesehen. Wovon träumt dann ein Fötus? Womöglich erinnert er sich ja an vergangene Leben, und diese verschwinden nach der Geburt aus seinem Gedächtnis? Vielleicht aber steht das Kind in Verbindung mit seiner Mutter und seine Träume sind von den Bildern geprägt, die sie in ihren Gedanken hat? Eine andere Möglichkeit wäre, dass diese REM-Schlafphase ungeborener Babys ganz anders gestaltet ist und dass sie nicht dem Träumen dient, sondern der Entwicklung des Gehirns. Es ist alles Spekulation, und das wird es zumindest vorerst bleiben. Das Leben und unser Ursprung sind in mancherlei Hinsicht auch heute noch das Mysterium schlechthin.

Die Wissenschaft tut sich derweil leichter damit herauszufinden, was nach der Geburt passiert. Danach erfahren Kleinkinder und Kinder im Allgemeinen viel mehr REM-Schlaf als Erwachsene oder gar ältere Menschen. Bei den Träumen von Neugeborenen und Kleinkindern sind wir natürlich nach wie vor auf Spekulationen angewiesen, was die Inhalte betrifft. Ich vermute, dass sich unsere Wahrnehmung ausbilden muss und dass die REM-Schlafphasen dazu dienen, das neu Erlebte und Erfühlte zu verarbeiten. Im Traum bildet sich, soweit wir das heute wissen, vor allem das sogenannte prozedurale Gedächtnis aus – will sagen, wir lernen Bewegungsabläufe und Prozesse, die später teilweise automatisch ablaufen. Ein Baby hat viele Sinneseindrücke zu verarbeiten, eine ganze neue Welt zu entdecken. Das muss schnell geschehen, denn schon bald wird es sich als Kind in dieser Welt zurechtfinden müssen. Das würde diese lange REM-Schlafphase gut begründen.

Ungeklärt ist natürlich, ob ein Fötus auch Albträume erlebt. Ist das Baby erst »geschlüpft«, erlebt es, frei nach Sigmund Freud, eine primärprozesshafte Welt, eine Welt, die – wie der Meister meint – den Träumen sehr ähnlich ist. Laut Freud ist diese Welt von Gefühlen/Affekten und Bildern geprägt, unlogisch und frei assoziativ. Gerald M. Edelman, ein Bewusstseinsforscher aus den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts, bezeichnet diese Form des angenommenen Erlebens als die »Welt des primären Bewusstseins«.

Das Baby dürfte jedenfalls ohnehin noch nicht zwischen sich und vor allem der Mutter, aber auch anderen und anderem unterscheiden, aber es dürfte auch noch keine Unterschiede zwischen Traum und Wirklichkeit kennen. In einer unserer Studien, durchgeführt von Mag. Martina Ranner, hat sich gezeigt, dass Kinder erst etwa ab dem zweiten, dritten Lebensjahr die Identifikation von Realitäten lernen. Kleine Kinder können erst etwa ab dem zweiten Lebensjahr sich selber im Spiegel erkennen, und das dürfte etwa auch die Zeit sein, wo wir beginnen, die Realität als Realität zu identifizieren, denn bis dahin unterscheiden wir nicht zwischen Geschichten, Witzen, Träumen und der sogenannten wirklichen Welt. Dies ist die Phase, da Kinder besonders gefährdet sind, ein Trauma der Eltern als ein eigenes anzusehen und daraus eine Störung zu entwickeln. Mehr dazu im Kapitel über die Traumaträume.

Diese Fähigkeit, Realität effektiv abzugrenzen, dürfte sich erst mit dem Beginn des Planens und des Reflektierens entwickeln, das wäre in etwa im Alter von fünf bis sechs Jahren. Freud meint, diese Phase beginne mit dem Erkennen und Anerkennen der Existenz eines Rivalen, einer Rivalin und danach würde sich das sekundärprozesshafte Denken entwickeln, also Kognition im engeren Sinn. Edelman bezeichnet dieses Denken als Sekundärprozesse.

Fakt ist jedenfalls, dass viele junge Kinder albträumen. Manchmal ist man geneigt, zu denken, dass unsere Welt eine so grausame ist, dass junge Erdlinge sie erst ertragen lernen müssen, und zu diesem Lernprozess könnte das Albträumen gehören. Evolutionspsychologen würden vielleicht sagen, Überleben will gelernt sein und zum Lernen muss man motiviert sein, und Beängstigendes bewältigen zu lernen, mag das Überleben der Fittesten fördern. Wer weiß, vielleicht könnte unsere Welt eine viel bessere sein als die, die wir kennen …?

Vom Traum zum Albtraum bei Kindern

Bis im Alter von fünf Jahren träumen Kinder häufiger von Tieren als von Menschen, ihre Träume zeigen zudem erst ab dem Alter von sieben zusammenhängende Inhalte, erzählbare Geschichten. Davor sind es meistens zusammenhanglose Bilder (Barret, 2001). Doch was bringt ein Kind dazu, Albträume zu erleben, anstatt zu träumen?

Natürlich kann ein Trauma Albträume auslösen. Wie auch im Kapitel über die Traumaträume erwähnt, ist es seit den 1980er-Jahren auch offiziell anerkannt, dass Kinder unter PTBS leiden können, sogar in höherem Ausmaß als Erwachsene. Kinder aus Kriegsgebieten sind oft betroffen, was kaum verwunderlich ist, wenn man sich vorstellt, dass sogar Erwachsene angesichts der Grausamkeiten, die sie dort erleben, sich oftmals nur schwer davon erholen können. Kinder träumen jedoch nicht allein von dem, was sie gesehen haben. Sie verarbeiten es manchmal in symbolischen Traumwelten, in denen sie zum Beispiel davon träumen, dass sie von einem Wolf verfolgt werden (Barrett, 2001). Die drohenden Menschen verwandeln sich in der kindlichen Albtraumwelt oft in Tiere und andere symbolische Gefahrenquellen. Traurigerweise finden diese Theorien Bestätigung im Kosovo, wo erschreckend viele Kinder betroffen sind.

Das Umfeld spielt ebenfalls eine große Rolle. Wenn Kinder in Armut leben oder in einer gewaltbereiten Umgebung oder wenn Eltern bereits an Albträumen leiden, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Kinder dies in ihren Träumen verarbeiten.

Dass das Albtraum(er)leben der Eltern eine wichtige Rolle spielt, bringt mich gleich zu einer faszinierenden Studie zum Thema der genetischen Komponente der Albträume.

Die finnischen Wissenschaftler Hublin, Kaprio, Partinen und Koskenvuo erforschten 1999 die genetische Grundlage von Albträumen und ob es Zusammenhänge zwischen auftretenden Albträumen und psychischen Störungen gibt. Hierfür wurden 1298 monozygotische (eineiige) sowie 2419 dizygotische (zweieiige) Zwillinge (zwischen 30 und 60 Jahren; ausgewählt aus einer repräsentativen Zwillingspopulation in Finnland) hinsichtlich der Frequenz ihrer Albträume sowie psychischen Anomalien befragt. Frauen berichteten häufiger, dass sie Albträume erleben (nicht nur als erwachsene Personen, sondern auch schon in der Kindheit). Weiterhin konnte ein genetischer Effekt festgestellt werden, der das Auftreten von Albträumen teilweise determiniert. Weiterhin stellten die Forscher fest, dass es signifikante Zusammenhänge gibt zwischen Albträumen und ausgeprägten psychischen Störungen.

Dieselbe Forschergruppe berichtete aufgrund einer weiteren Studie, dass Anomalien im Schlaf (Parasomnien) verstärkt innerhalb von Familien auftreten. Hublin und seine Kollegen untersuchten dabei, inwiefern fünf Parasomnien (Schlafwandeln, Reden im Schlaf, Bettnässen, Zähneknirschen und Albträume) sowohl im Kindes- als auch im Erwachsenenalter bei Zwillingen (815 monozygotische und 1442 dizygotische Zwillingspaare) auftreten. Parasomnien treten also innerhalb von Familien verstärkt auf. Interessant wäre die Frage, ob Albträume ebenfalls teilweise aufgrund einer erblichen Komponente zustande kommen. Albträume als eine Art genetischer Fluch?

Das nächste Beispiel beleuchtet aber andere Aspekte des albträumenden Kindes.

Frau S. erzählte mir von ihren Kindheitsträumen. Die Intensität ihrer Albträume und die Hilflosigkeit, die sie dabei empfand, haben bei ihr starke, andauernde Ängste ausgelöst, die sie erst sehr viel später, im Erwachsenenalter, überwunden hat. Sie berichtete, sich nicht daran erinnern zu können, wann die Albträume anfingen, daher vermutete sie selbst, dass dies schon in ihrer frühen Kindheit geschah. Die Träume waren stets ähnlich: Sie träumte von Geistern.

»Was ich in meinen...

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