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E-Book

Alles kann, Liebe muss

Geschichten aus der Herzregion

AutorKatrin Bauerfeind
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783104906065
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Liebesglück, Herzschmerz, Beziehungsstress - über die unglaublich komischen Seiten des spannendsten Gefühls seit es Menschen gibt! Das Herz ist vermintes Gelände. Unbekannte Gegend, gefährliches Terrain. Aber es nutzt nichts. Wir müssen Liebe wagen. In allen Formen. In allen Aggregatzuständen. Katrin Bauerfeind wühlt sich in ihrem neuen Buch durch alle Facetten dieses Gefühls. Sie hebt die kleinen emotionalen Schätze aus dem Alltag, fragt sich, wo die Liebe herkommt, wo sie hingeht, wenn sie weg ist, wie man sie findet, verliert und wiederfindet, und was es überhaupt damit auf sich hat. Es ist ein Plädoyer für mehr Liebe. Ein Aufruf, dem grassierenden Hass etwas entgegenzusetzen, Viagra fürs Herz, ein heiteres Gegengift zur dunklen Lage da draußen. Zu all dem gibt's in diesem Buch Geschichten, selbst erlebte und selbst ausgedachte. Lustige, melancholische, liebevolle. Geschichten, nach denen Sie hoffentlich das Buch zuklappen und sagen: »Liebe, ja sicher! Her damit! Los geht's!« Tourdaten: 13.03.18 Frankfurt 14.03.18 Mainz 15.03.18 Saarbrücken 21.03.18 Bielefeld 22.03.18 Rheine 23.03.18 Köln 6.04.18 Bochum 7.04.18 Osnabrück 8.04.18 Oldenburg 11.04.18 Bremen 12.04.18 Hamburg 13.04.18 Stade 14.04.18 Lübeck 25.04.18 Freiburg 26.04.18 Mannheim 17.05.18 Nürnberg 18.05.18 Ravensburg 19.05.18 Stuttgart 25.05.18 Erfurt 26.05.18 Wolfenbüttel Weitere Termine folgen

Katrin Bauerfeind absolvierte vor Jahren eine Humorgrundausbildung als Teil der »Harald Schmidt Show«. Seit zehn Jahren tragen verschiedene Sendungen im Fernsehen ihren Namen, zuletzt zum Beispiel »Bauerfeind assistiert« und »Bauerfeind - die Leseshow«.Sie hat bereits zwei Bestseller geschrieben »Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag. Geschichten vom schönen Scheitern« und »Hinten sind Rezepte drin. Geschichten, die Männern nie passieren würden«. Aus beiden Büchern hat sie erfolgreiche Bühnenprogramme gemacht, mit denen sie in ganz Deutschland unterwegs ist. So soll es weitergehen. Und zwar ab März 2018. Dann unter dem im wahrsten Sinne liebevollen Titel »Alles kann, Liebe muss«!

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Leseprobe

Die Liebe und der Hass


Meine Tage werden immer kürzer. Auch im Sommer. Ich kriege mein Leben kaum noch in die paar Stunden gezwängt, die mir pro Tag zur Verfügung gestellt werden. So viel zu tun, so viel zu erledigen. Ein großes Wollen, Sollen, Müssen. Ich muss unbedingt pünktlich bei einem Geschäftstermin sein, weil ich schon die letzten beiden Male zu spät gekommen bin; ich soll vorher bei einer Freundin etwas abholen, und ich will danach noch was einkaufen. Angeblich macht die moderne Technik alles immer leichter und schneller, aber die Technik hält nicht Schritt mit den Terminen. Vermutlich wurde einen Tag nach dem Telefon das Meeting erfunden und drei Stunden nach dem Computer die Deadline. In Wahrheit rufen moderne Lösungen nur noch moderne Probleme hervor, nie ist es andersherum. Die Erfindung des Autos zum Beispiel führte auf kürzestem Weg zur Parkplatznot. Was nutzt es, schnell von A nach B zu kommen, wenn man in B nicht parken kann? Parkplätze gibt es in unseren Städten noch weniger als Zeit, und damit ich nicht schon wieder zu spät komme, parke ich bei meiner Freundin kurz semilegal halb auf dem Bürgersteig. »Man kommt mit dem Kinderwagen noch vorbei«, denke ich. Es sei denn, man hat Zwillinge, aber dann hat man eh ganz andere Probleme. Und ich brauche ja nicht lange. Ich darf gar nicht lange brauchen, sonst kann ich das mit der Pünktlichkeit beim Termin gleich wieder vergessen. Rein, raus, hallo, tschüss. Vier Minuten, höchstens, dann steh ich wieder auf der Straße. Aber offenbar war ich lange genug weg, dass mir jemand einen Zettel an die Windschutzscheibe klemmen konnte: »Sie parken faktisch vor einer Einfahrt. Beim nächsten Mal Spiegel ab. Arschloch.« So steht’s da, in geübter Handschrift, blau auf weiß. Ich werfe den Zettel ins Auto. Ich kann mich wirklich nicht um alles kümmern. Ich muss los. Ich hab’s eilig. Und seit ich bei Facebook, Twitter und Konsorten bin, perlt unqualifizierte Kritik an mir ab wie kalter Kaffee an Meissener Porzellan. Der Zettel liegt neben mir. Als Beifahrer. An der nächsten Ampel gucke ich rüber und sehe das »Arschloch« da liegen. An der übernächsten lese ich noch »Spiegel ab« und dann natürlich doch wieder den ganzen Zettel. Handgeschrieben. Das ist praktisch wie Steinzeit-Twitter. Ich merke, wie meine innere Mikrowelle loskocht. »Sie parken faktisch vor einer Einfahrt.« Wer, um Gottes willen, schreibt denn »faktisch« auf so einen Hasszettel? Da ist es doch genauso benagelt wie in einem Liebesbrief. »Man kann faktisch festhalten, dass ich dich liebe. Punkt!« So was machen nur Lehrer oder andere Beamte. Und wie kommt dieser Hilfspolitessen-Anwärter in einem Satz von »faktisch« auf »Arschloch«? Was sind das überhaupt für Leute, die heute noch am helllichten Tag, mitten auf der Straße, Papier dabeihaben? Nicht die Rückseite von einer Werbung, einer Speisekarte oder einem Bierdeckel, nee, richtiges Papier! Und einen Kugelschreiber! Und wie schnell der Kerl gewesen sein muss, (es ist der Handschrift nach auf jeden Fall ein Mann)! Der muss doch in seiner verschissenen faktischen Einfahrt auf mich gelauert haben! Der macht das wahrscheinlich hauptberuflich. Rennt den ganzen Tag die Straße auf und ab und verteilt Zettel. Vermutlich trägt er so gesunde Mephisto-Schuhe mit Fußbett und eine wetterfeste Jack-Wolfskin-Jacke. Das würde ihm ähnlichsehen. Lehrer für Mathe und Erdkunde. Der geht bestimmt gerne mal wandern und trinkt abends ein »schönes« Glas Wein und hat zuletzt die AfD gewählt. Solche Leute sind das doch! Reinsteigern ist eine meiner leichteren Übungen. Ich schleiche äußerlich mit fünf Stundenkilometern durch die Stadt und bin innerlich auf 180. Weil heute mal wieder alle fahren wie Onkel Horst nach neun Pils, weil die Stadt hier schon wieder ein Freilichtmuseum für Baustellen eingerichtet hat – anders ist die Straßenführung nicht zu erklären –, weil das Navi mir jetzt schon sagt, dass ich zwanzig Minuten zu spät kommen werde, und weil, ey, »faktisch«, Freundchen, dein »faktisch« reimt sich auf mein »fick dich«! Damit das mal klar ist. Einen Fuck-Tisch kenne ich aus Pornos, wo Mutti in der Küche noch mal hart weggeknuspert wird, und bevor du mir den Spiegel abbrichst, du Hobbyhausmeister, kann es durchaus sein, dass ich dir deine dumme Fresse gepflegt auf links ziehe. Jetzt hupe ich einen Panda weg (das Auto, nicht das Tier, aber in meinem derzeitigen Zustand würde ich auch einen Panda in einem Panda weghupen. Soll sich das Scheißvieh doch bei Greenpeace beschweren!). Wenn ich in der Verfassung zu dem Termin gehe, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass ich den Eindruck hinterlasse, ich sei im Fernsehen eine ganz locker, luftige Tante mit Humor, während ich in Wirklichkeit Godzilla mit Make-up bin. Toll! Super! Danke an den Zettel-Blockwart! Bis ich das Image korrigiert habe, hat es sich wahrscheinlich schon überall verbreitet, und entsprechend werden die Anfragen weniger. Ich kann im Prinzip gleich den anstehenden Termin ignorieren und sofort zum Jobcenter fahren. Weil irgendein Straßenverkehrsordnungsnazi nichts mit seinem Leben anzufangen weiß, stehe ich jetzt mit einem Bein in Not und Elend! Im Reinsteigern war ich immer schon gut. Von null auf furchtbar in einer Minute ist kein Problem. Unter Apokalypse fange ich gar nicht erst an. Ich hab ja sonst keine Hobbys.

Mein Park-Karma lässt mich weiter im Stich. Alles voll. Mit viel Mühe und Not rangiere ich mich ohne Blechschaden in die letzte freie Fläche. Der Tag ist im Grunde jetzt schon verratzt. Stimmungsmäßig ist bei mir an diesem Mittwochmittag schon Totensonntag. Erst recht, als ich nach dem Termin wieder zu meinem Auto komme. Jemand hat mich tatsächlich zugeparkt!! Es ist nicht zu fassen! Irgendein Schrotthaufen hat sich mit seinem Auto in die zweite Reihe gestellt, so dass ich nicht mehr rauskomme. Ich setze mich in meinen Wagen und hupe ausführlich. Nichts passiert. Neben mir liegt immer noch der Zettel. Ich krame nach einem Kugelschreiber und schreibe auf die Zettelrückseite: »Glückwunsch zum ›Parkplatz‹! Vollasi«. Ah, nicht gut … Ich sollte durch Facebook & Co eigentlich wissen, dass die Leute Ironie nicht verstehen. Ich sollte außerdem härter austeilen, und eventuell schreibt man Asi auch mit zwei »s«. Wie in »die Geissens«. Am besten, ich schreibe eine zweite Fassung. Härter, schärfer, besser. Noch während ich ›du Parkpimmel‹ schreibe, kommt die Fahrerin des Wagens. Sie sieht aus wie ich. In etwa mein Alter, meine Haarfarbe, und ihren Mantel kenne ich von Zara. Sie trägt eine Einkaufstüte und ein kleines Kind. Sie winkt hektisch entschuldigend in meine Richtung und zeigt auf die gegenüberliegende Straßenseite, wo ich jetzt eine Kita sehe. Das »Strolchennest«. Ich lächle in Richtung der Mutter. Mein Lächeln, das ich geübt habe, falls ich jemals für Werbung angefragt werden sollte. Es sagt, dass alles easy ist und mein Leben aus Schmetterlingen besteht, seit ich dieses Shampoo/Waschmittel oder Medikament gegen Scheidenpilz nehme. Ich lächle, als gäbe es kein Morgen. Ich lächle gegen die aufsteigende Peinlichkeit in mir an. Als mein eigener Pressesprecher möchte ich mich jetzt hier, in diesem Auto, mit diesem Lächeln auf das Energischste von mir distanzieren. Es wäre schön, wenn es eine Rückspultaste für mein Leben gäbe. Ich möchte die letzten paar Stunden löschen und noch mal neu anfangen. Um ein Haar hätte ich einer jungen Frau meine »Parkpimmel-Botschaft« an die Scheibe geklemmt. Sie hat wahrscheinlich am Ende ähnlich lange gebraucht, um ihr Kind abzuholen, wie ich vorhin bei meiner Freundin. Ein paar Minuten haben gereicht, um aus mir einen Teil der Hass-Staffel zu machen. Wer weiß, wem die Mutter dann später geschrieben hätte. Ein Kettenbrief der schlechten Laune. Womöglich hat auch mein Zettelschreiber nur was weitergegeben. Vielleicht hat ihm eine Stunde zuvor jemand einen Zettel an seinen Wagen geklemmt, den er für zwei Minuten irgendwo abgestellt hatte, um seiner Großmutter im Wald Wein, Käse und Brot zu bringen oder dem Messias Weihrauch, Myrrhe und Gold zu liefern. Auf dem Rückweg hat er sich reingesteigert in die Wut über den Zettel, und ich kam ihm gerade recht. Natürlich, vielleicht trägt er auch nur Mephisto-Schuhe und ist faktisch ein notorischer Zettelschreiber. Aber so kommt der Hass in die Welt. Und wenn er mal da ist, hat er’s leichter als die Liebe. Jeder von uns kann ein Dominostein werden im großen »Heut kippt die Stimmung«-Tag. Und sie kippt nie ins Positive. Deswegen nutze ich jetzt die Gelegenheit und schreibe hier eine Antwort an ihn:

Lieber Zettelschreiber, Sie haben recht. Ich habe halb in einer Einfahrt geparkt. Das war weder gut noch richtig, und es tut mir leid, wenn Sie dadurch Schwierigkeiten hatten. Wir kennen uns nicht, ich weiß nichts über Sie. Unsere Leben sind uns für einen kurzen Moment in die Quere gekommen. Wer weiß, etwas früher oder später, und wir wären uns womöglich sogar sympathisch gewesen. Vielleicht mögen wir dieselben Filme, hören dieselbe Musik oder haben die gleichen Lieblingsgerichte. Womöglich haben wir gemeinsame Ziele und Ideen. Wollten Sie als Kind Rennfahrer werden, Fußballer oder Astronaut? Wollten Sie die Wale retten, ein Mittel gegen Krebs erfinden oder mal zum Lehrer des Monats gewählt werden, wenn es so was gibt und Sie wirklich Lehrer sind? Sie wollten gewiss glücklich werden. Wie wir alle. Garantiert haben Sie sich nicht ausgemalt, ein gelungener Tag bestehe aus einer wütend hingekritzelten Lektion an eine Falschparkerin. Das ist irgendwann einfach passiert. Ich glaube, dass die Halbwertszeit von Träumen, Plänen und Hoffnungen durch Alltagshass verkürzt wird. Hass macht hässlich. Wir aber brauchen jetzt das Gegenteil. Unbedingt. Vor nicht...

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