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E-Book

Alltag in der Wildnis des kanadischen Yukon Territoriums

Im Laufe eines Jahres

AutorManuela Zeitlhofer
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl108 Seiten
ISBN9783741219146
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Wir leben in der unberührten Wildnis am Yukon-Fluss in Kanada, 120 Kilometer nördlich von Dawson City und ohne Straßenzugang. Unsere nächsten menschlichen Nachbarn leben 30 Kilometer entfernt. Lange, kalte Winter mit wenig Tageslicht gehören ebenso zu unserem Alltag wie die Abgeschiedenheit von anderen Menschen. Wir genießen die unberührte Wildnis, müssen dafür aber harte physische Arbeit in Kauf nehmen. Während der ersten zwei Jahre meines Lebens in der Wildnis mit Gaetan, der bereits seit 30 Jahren hier lebte, führte ich ein Tagebuch, in dem ich meine Erlebnisse und Erkenntnisse festhielt. Die Geschichten in diesem Buch basieren auf diesen Aufzeichnungen und dokumentieren den Lauf eines normalen Jahres.

Ich bin geborene Österreicherin und kam 2003 nach Kanada. Die unberührte Wildnis des Yukon Territoriums übte immer schon eine magische Anziehungskraft auf mich aus. Hier zu leben war und ist ein Traum für mich. Ich war Soziologin, Lehrerin, Sozialarbeiterin und Reiseleiterin, bevor ich Gaetan kennen lernte. 2008 zogen mein Hund Lance und ich in die Wildnis am Poppy Creek.

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Leseprobe

Frühling


Flusseis bricht auf


Krokus mit Biene, 2.5.2006

Bärenspuren im Sand, 19.7.2010

Geteilter Lebensraum


13. Februar

Wir teilen unseren unmittelbaren Lebensraum mit Lebewesen, die wir nur sehr selten, wenn überhaupt zu Gesicht bekommen. Wir finden jedoch regelmäßig Spuren von Tieren wie Wölfen, Luchsen, Füchsen, Wieseln, Bären und Elchen. Kleinere Säugetiere sowie Vögel sehen wir öfter. Im Sommer halten sich auch Weißkopfseeadler und Wanderfalken hier auf. Kolkraben sind immer in der Gegend anzutreffen. Eichhörnchen, Mäuse und Spitzmäuse können manchmal lästig werden, wenn sie sich an unsere Essensvorräte machen.

Erst gestern fanden wir Wolfsspuren im Schnee. Ein Fußabdruck war so groß wie meine Handfläche! Praktisch das ganze Jahr über können wir darauf gefasst sein, Wölfe heulen zu hören. Letzten Frühling hörten wir sie erst heulen und zählten dann 20 Tiere, die im Rudel am anderen Flussufer entlang liefen.

Ich bin in meinen ersten fünf Jahren in Poppy Creek lediglich drei Schwarzbären begegnet. Den Ersten sah ich bei einer Wanderung etwa 500 Meter vom Haus entfernt. Der Arme war zumindest so erstaunt mich zu sehen, wie ich es war ihn zu sehen. Er flüchtete, ohne einen Augenblick zu zögern. Ich war stehen geblieben (vorbildliches Verhalten bei Bärbegegnungen!), hatte aber ehrlich gesagt gar keine Zeit zu reagieren, so schnell war der Bär verschwunden.

Die anderen zwei Bären besuchten uns bei der Hütte. Einer war ganz besonders hartnäckig. Ich hatte gerade die Hütte verlassen, als ich aus den Augenwinkeln einen schwarzen Fleck bemerkte. „Ein Bär!”, dachte ich und machte einen Schritt rückwärts. Gaetan folgte mir ins Freie und wir klapperten mit Blechgegenständen. Der Lärm sollte das Tier verscheuchen, aber der Gute hatte es gar nicht eilig und verstieg sich sogar auf das Dach des alten Badehauses, wo er an einem alten, von Moos bewachsenen Geweih zu knabbern begann. Ich erinnere mich noch ganz deutlich an die kleinen schwarz glänzenden Augen, die uns wachsam beobachteten. Als Gaetan schlussendlich mit der Schrotflinte einen Warnschuss abfeuerte, wurde dem Bär der Lärm dann aber doch zu viel und mit selbstsicherer Gemächlichkeit machte er sich von Dannen.

Hudsonmeise (engl. Boreal chickadee), 9.2.2009

Hasenspuren sind auf dem ganzen Grundstück zu finden. Wir sehen die Tiere allerdings kaum. Zum einen sind sie sehr gut getarnt und ihr Fell ist im Winter nahezu gänzlich weiß. Zum anderen haben sie eine große Zahl von Fressfeinden und es ist ihnen daher nicht zu verdenken, dass sie vor uns Menschen in panischer Angst flüchten. Raben flüchten auch, aber mit mehr Stolz, als ob sie sich willentlich dazu entscheiden, uns den Platz zu Überlassen. Es ist im Winter so still hier, dass man das trockene Rascheln der Feder hören kann, wenn der Rabe mit den Flügeln schlägt. Adler behalten generell absolute Kontrolle über eine Situation. Im Normalfall flüchten sie nicht, sondern bleiben sitzen wo sie sind (oftmals im Wipfel einer hohen Tanne am Flussufer) und beobachten uns mit wachsamem Blick. Adler sehen etwa 30 Mal besser als wir!

Junge Raben, 10.6.2009

Suche nach dem Frühlingserwachen


13. April

Es war ein langer Winter, und es scheint mir, dass Pflanzen, Tiere und Menschen gleicherweise erwartungsvoll nach Zeichen des bevorstehenden Frühlings Ausschau halten. Die Knospen von Birken, Pappeln und Amerikanischem Schneeball (engl. Highbush cranberries) glänzen prall. Sie werden in den ersten frostfreien Tagen explosionsartig Blätter hervorbringen.

Die Eichhörnchen in unserer Nachbarschaft haben wohl alle ihre Winterfuttervorräte aufgebraucht, da sie seit etwa einer Woche Hagebutten ernten. Die Tiere sehen abgemagert aus, wenn sie über den harten Schnee hopsen und die biegsamen Rosenbüsche erklimmen.

Ich bin dabei, meine Gartenpflanzen vorzuziehen. Das neue Haus bietet dafür reichlich Platz an den Fenstern. Ich freue mich schon auf das erste essbare Grün. Aber es wird noch mehrere Wochen dauern, bis Weidenröschen- und Schafgarbensprösslinge zum Pflücken bereit sind. Derzeit liegt der Schnee auf dem Grundstück noch bis zu 40 Zentimeter dick.

Gaetan nutzt was die Saison zu bieten hat bestens: Morgens, solange die Wege noch hart genug sind, transportiert er Ladung um Ladung an Bau- und Feuerholz vom Wald zum Haus. Nachmittags, wenn der Schnee matschig wird und die Wege für schwere Ladungen unpassierbar werden, arbeitet er meist an seinen Vogelschnitzwerken.

Sheep Rock, 11.4.2009

So schön, dass es fast schmerzt


19. April

Wir machten uns auf zu unserer ersten Frühlingswanderung auf Sheep Rock, einer steilen Erhebung direkt am Fluss, von der aus man mehrere Flusswindungen überblicken kann. Am darauffolgenden Tag fuhren wir zu einem trockenen Nebenarm des Flusses. In der dortigen Treibholzverklausung suchten wir nach Fundamenten für Gaetans Schnitzarbeiten. Dann aßen wir unser Picknick und genossen die Wärme der Sonne, hörten Eulen schreien und sahen einen Weißkopfseeadler im Wipfel eines nahen Baumes. Lance lief die ganze Strecke hin und retour. Nach unserer Heimkehr war er so erschöpft, dass er den Rest des Nachmittages damit verbrachte, ein ausführliches Schläfchen zu halten.

Die Sonnenstrahlen haben schon sehr viel Kraft. Das Tageslicht ist nicht mehr blau und kalt wie im Winter, wenn die Sonne nur knapp über den Horizont empor blinzelt. Die Welt ist in warmes, goldenes Licht getaucht, und wenn auch die Temperatur nur knapp über dem Gefrierpunkt liegt, erahnt man doch schon den nahenden Sommer! Der Schnee schmilzt rapide, und Dinge wie die Feuerstelle oder der Waldboden, die wir ein halbes Jahr lang nicht gesehen haben, treten erneut ans Tageslicht.

Der Bach ist auch wieder erwacht. Begonnen hat das Ganze damit, dass mehr Wasser in meinem Wasserloch war. Dann, eines Tages, gurgelte es fröhlich unter dem Eis. Mittlerweile plätschert das Wasser über und unter dem Eis, was die Eisdecke langsam zum Schmelzen bringt. In der Hütte erwachen Insekten und tragen zur Geräuschkulisse des Ofens bei. Das Surren ihres Flügelschlags klingt wie das Versprechen, dass der Sommer kommen wird. Die Erinnerung an Tannenharz, das in der Sonne schmilzt, kitzelt meine Nase. Ich versuche die Gedanken an andere Aspekte des Sommers, wie zum Beispiel die Stechmücken, im Moment zu verdrängen!

Wir nutzen die warmen Tage, um Reparaturen und Wartungsarbeiten durchzuführen. Gaetan hat auch begonnen Bauholz zu schneiden.

Flusseis beginnt aufzubrechen


20. April

Vergangene Nacht brach ein Teil des Flussarmes knapp unterhalb von Poppy Creek auf. Warme, sonnige Tage, rapide Schneeschmelze und über dem Eis fließendes Wasser kündigen das Ende des Winters an. Bald wird der Fluss eisfrei sein, was für uns den Beginn des Sommers markiert. Irgendwann zwischen Ende April und Mitte Mai wird auch der Frühling für einige kostbare Tage vorbei schauen. Alle Pflanzen werden zugleich erwachen und die Stimmen unzähliger Zugvögel werden die Luft erfüllen, aber damit bin ich der Jahreszeit noch um einige Wochen voraus.

Die Schneedecke auf dem Flusseis ist fast zur Gänze geschmolzen. Klares Eis, über einen Meter dick, absorbiert nun mehr Sonnenlicht, da das darunter fließende Wasser dunkel ist, was wiederum die Eisschmelze beschleunigt. Große Wasserpfützen und schwerer, nasser Schnee machen es unmöglich noch mit dem Schneemobil zu fahren. Wir sind nun bis Mitte Mai physisch von der Umwelt abgeschnitten. Dann wird der Fluss wieder per Boot befahrbar sein.

Bach mit Geschmack


22. April

Kanal in der Eisdecke im Bach, 20.4.2010

Jeden Morgen hole ich Wasser1 vom etwa 200 Meter entfernten Bach. Wir verwenden vier 20-Liter Eimer mit Deckeln, die fest auf die Eimer geschraubt werden, damit auf dem Rückweg kein Wasser verschüttet wird. Für den Transport verwende ich im Sommer eine Schubkarre und im Winter einen Schlitten.

Während der vergangenen Tage haben sich sowohl Farbe als auch Geschmack des Wassers verändert: von kristallklar und lebhaft frisch zu hellbraun mit einem erdigen Unterton.

Die Temperatur liegt seit Tagen über dem Gefrierpunkt und außerdem hatten wir letzte Nacht einige Regenschauer.

Der Bach hatte ein halbes Jahr lang geschlafen. Nun ist er aufgewacht und ungeduldig. Das Wasser hat sich bereits einen 40 Zentimeter breiten Kanal in das mehr als zwei Meter dicke Eis gebahnt. An der Mündung des Baches fließt das Wasser über. Der Wasserspiegel im Yukon-Fluss steigt rasch. Die ersten Enten landen im offenen Wasser.

Entlang des Flussufers fanden wir Karibuspuren. Wir vermuten, dass die Tiere hier den Fluss...

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