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E-Book

Als Bischof in Arabien

Erfahrungen mit dem Islam

AutorPaul Hinder, Simon Biallowons
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783451809835
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Paul Hinder ist bekannt als der 'Bischof von Arabien'. In Abu Dhabi, seinem Bischofssitz, hat er Erfahrungen gemacht, die Antworten geben auf die Frage, wie der Dialog mit dem Islam gelingen kann. Hinder schildert die Situation der Christen am Golf und beschönigt nicht, sondern liefert ehrliche Einblicke in eine Welt, die für Christen nicht immer einfach ist. Authentisch erzählt und spannend geschrieben ist dieses Buch ein Muss für alle, die sich für den Islam, den Nahen Osten und Zukunft der Kirche interessieren.

Simon Biallowons ist studierter Philosoph und Absolvent der katholischen Journalistenschule ifp. Er arbeitete für André Lorenz Medien als fester Korrespondent in Rom und am Vatikan, lebte einige Zeit im Nahen Osten und berichtete als Reporter weltweit aus vielen Ländern. Biallowons ist Verfasser zahlreicher Bücher in den Bereichen Religion und Gesellschaft. Derzeit ist er Programmleiter Religion/Spiritualität für den Herder Verlag in München und weiter als Autor tätig.

Paul Hinder ist seit 2003 am Golf und leitete lange das größte Bistum der Welt. Heute lebt der Kapuziner als Bischof in Abu Dhabi und ist für mehrere arabische Länder zuständig. Der gebürtige Schweizer gilt als eine der wichtigsten Stimmen im Dialog mit dem Islam.

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Leseprobe

3. Tausendundeine Macht


Das Park-Hyatt-Hotel Abu Dhabi gehört nicht zu den exklusivsten Häusern in den Emiraten, denkt man an Luxuspaläste wie das Emirates Palace oder den Burj Khalifa. Im europäischen Vergleich, gemessen an manchen angeblichen Edeladressen auf dem alten Kontinent, ist das genau umgekehrt. Hier am Golf ist vieles größer, weiter, teurer. Und das ganz besonders, wenn es um Restaurants geht, um Shoppingmalls oder eben um Hotels. Das Park-Hyatt auf Saadiyat-Island mag also nicht zu den absoluten High-End-Adressen der Region gehören, hoch ist der Standard trotzdem. Der Weg dorthin führt über die Brücke des Sheikh-Khalifa-Highways, links lässt man die Container-Trostlosigkeit des Hafens, des Mina Zayed, hinter sich. Schon taucht das mehrgeschossige, sandsteinfarbige, von Palmen eingerahmte Portal des St. Regis-Hotels auf, wenig später der Golfclub mit seinem endlosen Grün in einem Land, das solches Grün von Natur aus kaum hat und vielleicht auch nicht in diesem Überfluss haben sollte, auf jeden Fall nicht haben muss. Die Fahrt vom Zentrum aus nach Saadiyat-Island lässt erahnen, weshalb Abu Dhabi von vielen Bubble genannt wird, Blase. Künstlich und artifiziell, abgehoben manchmal und absurd nicht selten. Vor allem, weil dieses Blase wieder viele kleine andere Blasen in ihrem Inneren vereint. Wie ein Schneekugelglas, in dem wiederum kleine Seifenblasen herumschwirren. Auch sie berühren sich nur kurz und flüchtig, reißen sich schnell wieder auseinander, allerdings ohne ineinander aufzugehen, zu verschmelzen oder gar neue, gemeinsame Blasen zu bilden.

Dort gibt es beispielsweise die Local-Blase der Einheimischen, definitiv die abgetrennteste von allen. Es gibt die der gut bezahlten Expats, moderne Industrie- und Dienstleistungssöldner, und die der Worker, die auf den Baustellen malochen, und der Maids, die Kinder hüten. Oder auch die der Assistants, die in Malls, Bars oder Restaurants herumwieseln – das Wort „eilfertig“ könnte nicht passender und angebrachter sein. In Hotels kommen sich diese Blasen näher, ohne sich wirklich nahezukommen, immer durch den Zweck und die Hierarchie definiert und distanziert, in den Rollen bleibend und nur selten daraus ausbrechend. Wenn dies trotzdem geschieht, dann sind es Ausbrüche, die deprimieren können, die beschämen oder aber bereichern. Ausbrüche, die viel sagen über den anderen und noch mehr über einen selbst.

So zum Beispiel nach der Autofahrt vorbei an vielen Golfclub-Schildern und noch mehr Maseratis und Porsches, die langgezogene Auffahrt hinauf zum Valet-Parking vor jenem Hotel. „Sir, please, thanks, Sir, welcome, Sir, please.“ Schon in der Lobby und auf blitzblankem Marmor und unter ebenso glänzenden Leuchtern ist es endlich angenehm warm und nicht mehr drückend schwül, die Hitze genauso draußen lassend wie die Realität, zumindest das kleine bisschen an Realität, das es selbst in der Blase zu sehen gibt. Wenn man es sehen will.

Im Restaurant dann Dinner, all you can eat ist hier eher all you want and can imagine. Mit mir ein Priester, allerdings ohne römischen Kragen, natürlich. Bedient werden wir von einer Filipina. Alles sehr freundlich und manchmal für Menschen wie uns, die daran nicht gewöhnt sind, eine Spur zu viel. Oder sollte man überhaupt daran gewöhnt sein? Sollte man nicht … ich schweife in Gedanken ab. Freundlich also fragt uns die Filipina irgendwann, woher wir kämen. Deutschland, gut, Deutschland sei sehr gut. Das höre ich oft hier, und jedes Mal frage ich mich, ob das jetzt wirklich Deutschland ist oder lediglich die Blasen-Rollen-Konstellation. Wie auch immer, die Bedienung fragt weiter, was wir denn so machen würden. Ich stutze kurz. Das geht weiter als der übliche professionelle Small Talk. Echtes Interesse gar? Und während ich mich weiter verkopfe, antwortet mein Begleiter ohne großes Zögern: „I am a priest.“

Ich bin Priester. Drei Worte und ein Satz, der die gesamte Konversation, den ganzen Abend kippt. Kippt ist vielleicht gar nicht der richtige Ausdruck, scheint es doch etwas Negatives zu implizieren. Und negativ ist an dem, was folgt, nichts. Wirklich rein gar nichts. Denn das „priest“ ist gerade erst ausgesprochen und scheint noch kurz über unseren übervollen Tellern zu hängen, als würde es versuchen, sich seinen Weg über den Duft von gebratenem Fleisch und gedünstetem Gemüse zu bahnen, da weiten sich die Augen der Filipina, beinahe so weit und breit wie ihr Mund zum Lächeln. „You are a priest? Father, bless me. Please, father, bless me.“

Der Abend geht danach noch weiter und das Gespräch mit der Filipina, das jetzt überhaupt erst zu einem solchen wird, auch. Grace (Anm. d. Red.: Name von Autor geändert) verrät jetzt auch ihren Namen und viel über ihre Herkunft, ihren Weg in die Emirate und vor allem über ihren Glauben. Ein Glaube, der einerseits stark von ihrer Herkunft und andererseits von ihrem Weg gepräg ist, dem Weg ins – ja, gelobte Land? „Ich bin froh, hier zu sein. Weil ich arbeiten und Geld verdienen kann.“ Also gelobtes Land? „Das ist alles. Wenn ich könnte, würde ich zurückgehen. Denn zu Hause fühle ich mich hier eigentlich nicht.“ Fast nicht, mit einer Ausnahme: „Wenn ich in der Kirche bin, wenn ich bete, wenn wir in der Messe zusammen singen. Dann ist das ein bisschen wie zu Hause zu sein.“

An der Wiege der Christenheit


Das Christentum am Golf hat viele Gesichter und das, das sich am häufigsten zeigt, ist asiatisch. Zusammenfassen könnte man es so, wie das beispielsweise Stefan Stein vom katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“ tut: „Die Christen sind eine Minderheit in den vom Islam geprägten Gesellschaften, einheimische Christen gibt es fast gar nicht. Der hohe Ausländeranteil zeigt sich auch bei den Priestern, die meist aus Indien oder von den Philippinen kommen. Die Mehrheit der Gläubigen ist wegen der Arbeit in die arabischen Länder gezogen. Ein Großteil lebt dort alleine; ihre Ehepartner und Familien wohnen dagegen weiterhin in ihren Heimatländern. Deswegen ist die Pfarrei, aber auch der christliche Glaube ein Stück Heimat für sie.“ (www.kirche-in-not.de, abg. 8. März 2010) Oder wie Paul Hinder in dem Buch Zwischen Morgenland und Abendland schreibt: „Denn nebst der bedrohlichen Emigration der Christen aus klassischen Gebieten des Mittleren Ostens gibt es auch eine beachtenswerte Immigration von Christen in die wirtschaftlich aufstrebenden Länder des Mittleren Ostens vor allem am persischen Golf. Diese ziehen seit den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts zunehmend Investoren und Arbeitskräfte aus allen Weltgegenden, besonders aus Asien an. Millionen von Fremdarbeitern sind in praktisch allen Wirtschaftsfaktoren tätig. Unter ihnen gibt es in den Golfländern gegenwärtig wenigstens zwischen zwei und drei Millionen katholische Christen.“ Das war vor fünf Jahren. Seitdem sind noch mehr Menschen gekommen. Auch mehr Christen.

Das Gesicht des Christentums am Golf mag heute asiatisch sein und in den meisten Staaten keineswegs einheimisch. Wenn man in die Kirchen am Persischen Golf geht, könnte man daher leicht vergessen, dass in der Region wichtige Strömungen des Frühchristentums entstanden oder mindestens ihr Zuhause hatten. Die Quellenlage ist dabei nicht ganz einfach. Das liegt zum einen daran, dass in Saudi-Arabien, dem größten Land auf der Arabischen Halbinsel, echte Forschung nach christlicher Altertumsgeschichte nicht möglich ist. Dadurch bleiben Wissenslücken, die mit archäologischen Grabungen und Funden möglicherweise geschlossen werden könnten. Gesichert ist zumindest, dass sich vor allem eine bestimmte Strömung des frühen Christentums in dieser Gegend sowie anderen Regionen des heutigen Nahen Ostens ausbreitete. Die Rede ist vom sogenannten Nestorianismus. Er geht auf einen ehemaligen Patriarchen von Konstantinopel zurück, eben auf Nestorius, der dem Patriarchat von 428 bis 431 vorstand und als einer der Vordenker der Antiochenischen Schule gilt. Diese Schule, die nach zwei angeblichen Gründern aus Antiochien in Syrien benannt ist, sollte später im Konflikt mit der Alexandrinischen Schule stehen. Deren Patriarch Cyrill von Alexandria galt als erbitterter Widersacher jenes Nestorius und unterstellte ihm, er glaube, dass in Jesu Christus zwei Naturen seien: die göttliche sowie die menschliche. Beide Naturen seien unvermischt und getrennt und würden keinerlei Verbindung eingehen, platt ausgedrückt. Allerdings ist das Bild, das man von den Nestorianern zeichnete, von viel Polemik begleitet und geprägt worden. Ausgangspunkt war weniger die Frage nach der Natur Jesu Christi als zunächst einmal eine marianologische Diskussion. Nestorius selbst gibt darüber Auskunft in seinem Werk Liber Heraclides. So war ein Streit darüber entbrannt, ob Maria nun „Gottesgebärerin“ genannt werden dürfe oder nicht. Nestorius selbst lehnte dies ab und zog es vor, von der „Mutter Christi“ zu sprechen. Von einer Diskussion über die Natur Christi war eigentlich nicht die Rede. Doch begriffen die Gegner des Nestorius, vor allem jener Cyrill von Alexandria, schnell, dass man genau damit noch besser Stimmung machen konnte. Sie begannen zu streuen, Nestorius habe sich gegen die Dreieinigkeit Gottes und für eine Position ausgesprochen, die dem Adoptianismus nahestand, also der Überzeugung, Jesus sei letztlich ein Mensch gewesen, der vom Geist erfüllt worden sei. Davon war aber bei Nestorius so nie die Rede gewesen. Auch nicht, als er und Cyrill sich an Papst Coelestin I. wandten, um eine Klärung zu erreichen. Dies gelang auch, jedoch nicht im Sinn des Patriarchen von Konstantinopel. Stattdessen setzte sich Cyrill durch, der Papst...

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