Sie sind hier
E-Book

...Als die Noten laufen lernten...Band 2

Kabarett-Operette-Revue-Film-Exil. Unterhaltungsmusik bis 1945

AutorKarin Ploog
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl524 Seiten
ISBN9783738693423
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
...Als die Noten laufen lernten...Band 2 - beinhaltet die Geschichte der deutschsprachigen Unterhaltungsmusik bis zum Jahre 1945. Es geht vom ersten deutschen Kabarett "Überbrettl" zum Theaterleben mit allem Drum und Dran. Bis zum Ersten Weltkrieg spielte die Achse Berlin - Wien - Budapest - Prag eine große Rolle; wo die Entwicklung von der Operette über die Revue zur Filmmusik vollzogen wurde. Hier spielte im wahrsten Sinne die Musik! Als der Unheilsbringer 1933 die Weltbühne betrat, mussten die meisten U-Musiker, Librettisten und Texter emigrieren! Somit sorgten die vielen Exilanten dafür, dass besonders die USA von deren Kreativität profitieren konnten und in Europa saß man dann... Lassen Sie sich in eine Zeit entführen, als die "Jungs" es hier so richtig krachen ließen und die Noten durch flotte Rhythmen das Laufen lernten...

Hallo, ich habe eine vorzeitig abgeschlossene Ausbildung als Kauffrau im Reederei- und Schiffsmaklergewerbe - danach ein Studium an der HfMusik und Theater, Hamburg - Diplome in Lied, Oratorium, Oper, akademischer Grad: Diplom-Musiklehrer Gesang. Schon während des Studiums wurde ich Dozentin im Popkurs-Hamburg. Auf dem Gebiet der Stimm-Pädagogik arbeite ich ebenfalls crossover und viele berühmte Namen und Bands säumen diesen Weg. Von mir gibt es auch das Fachbuch 'Voicecoaching' (Voggenreiter Verlag), was in deutscher und englischer Sprache weltweit vertrieben wird. Nach dem Studium arbeite ich weltweit crossover als Sängerin (Koloratursopran) am Theater, Funk, auch TV und im Studio. Highlights: erste deutsche Gumbie 'CATS' - Stanley Lebowski (Dirigent am Broadway/USA), bezeichnete mich als 'stimmliches Phänomen' und Carl Davies (London) befand mich als 'a genious'. Dazu schreibe ich Libretti und Texte, habe mit Ingo Beck eine Kinderlieder-CD (Die kleine Lok hat keinen Bock) fertig gestellt und eine DVD-Voicecoaching zusammen mit Stefan Lorenz (Realisation) wird demnächst auf den Markt kommen; bei 'Renegades of Jazz', zeige ich gerade neue Stimmfacetten. Seit Studioaufnahmen zu 'Lieder aus Theresienstadt' beschäftige ich mich mit der Erforschung jüdischer Komponisten und Texter; hier nun entstand eine umfassende Dokumentation mit Aspekten, die so bisher in keinem Lexikon stehen...

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

Anfänge des Kabaretts


Im Jahre 1869 gab es in Berlin die Einführung der Gewerbefreiheit; es entstanden minderwertige Vergnügungslokale, die um 1870 Tingel-Tangel hießen. Ende des 19.Jahrhunderts nannte man dann eine Berliner Gaststätte mit einer Konzession für Gesangs- und Tanzvorführungen Singspielhalle, Café Chantant oder Vaudeville-Theater; sie gehörten zu den volkstümlichen Vorfahren der Varietés.

Die Bezeichnung Tingel-Tangel entstand nach dem Gesangskomiker Tange, der sein lang populäres „Triangellied“ in der Singspielhalle Triangel zum Besten gab. Es war immer eine ausgelassene Stimmung in diesen Veranstaltungsstätten, die vom kleineren Mittelstand und Studenten besucht wurden!

Auf einem kahlen Podium saßen meist 10-20 Tingel-Tangelösen (Sängerinnen), die Komiker und Tanzlatsche (Tanzkomiker) auf Stühlen. Wer dran war, erhob sich von seinem Stuhl und legte los. Die meist handfesten Vorträge wurden von einem Pianisten begleitet, der Kapelle genannt wurde. Bei Beginn und Ende wurde von allen Künstlern ein gemeinsamer Chorgesang angestimmt, unter dessen Klängen sie einen Gänsemarsch auf dem Podium veranstalteten. Die begeisterten Zuhörer spendierten ihnen Freimolle; sie sandten den Sängerinnen Porter aufs Podium, was meist durch billiges dunkles Berliner Bier vorgetäuscht wurde. Je mehr Porter eine Tingel-Tangelöse trank, desto beliebter war sie beim Tingel-Tangel-Besitzer, der mit „Herr Direktor“ angesprochen wurde. Die Tingel-Tangelösen erhielten von jedem Porter (kostete eine Mark pro Glas), den ein Verehrer spendierte, von ihrem Direktor 25 Groschen Korkengeld. Dieses System hielt sich noch bis in die 1920er Jahre hinein.

Die bekanntesten Berliner Tingel-Tangel zur Jahrhundertwende waren: Moor's Academy of Music in der Friedrichstraße, unweit der Linden, mit vornehmem Anstrich; man wetteiferte mit Paris, London und New York. Ferner die Gebirgshallen, Unter den Linden, die Silberhallen und das Elysium in der Kommandantenstraße, der Kuhstall in der Elsasser Straße; am Alexanderplatz unter den Königscolonnaden der Primas. In der Neuen Königstraße das Klosterstübl, wurde vom Berliner nur Klosterstiebel genannt, denn der leitete es vom Wort Stiefel ab. Am Köllnischer Fischmarkt existierte Franz Würfels Singspielhalle, von seinen Gästen nur Affenfranz genannt, denn er arbeitete dunnemals als Affendarsteller im Varieté. Nennen muss man noch die Tingel-Tangel Servus in der Koppenstraße und Böge's bunte Bühne in der Weinmeisterstraße.

Anfang 1900 entstand davon unabhängig das, was man heute unter Kabarett versteht. Vielleicht leisteten auch die Witzblätter ab 1829 ihren Beitrag dazu? Sie gründeten sich in Berlin, Hamburg, Leipzig und München; und viele dieser Protagonisten fanden sich später auf den Brettln wieder. Um 1900 waren auch Schlager und Gassenhauer bei der Bevölkerung beliebt, wie Paul Linckes „Schlösser, die im Monde liegen“ aus der Operette „Frau Luna“ - „Im Grunewald ist Holzauktion“ oder „Die Kirschen in Nachbars Garten“ von Victor Hollaender. Doch sollte sich gerade in Berlin ein neues Genre etablieren: das Kabarett!

Otto Julius Bierbaum (1865-1910) entwickelte 1897 in seinem Roman „Stilpe-ein Roman aus der Froschperspektive“ erstmals die Idee einer literarischen Varietébühne, die 1901 mit den beiden Wolzogen-Bühnen Buntes Theater (Überbrettl) vollzogen wurde! Das war der erste Schritt zur Kleinkunstbühne in Deutschland. Bierbaum wollte mit seinen Texten den Geschmack des Publikums niveauvoller gestalten; so gab er Ende 1800 die Sammlung „Deutsche Chansons“ (Brettl-Lieder/im ersten Jahr wurden 30.000 Exemplare verkauft) heraus, worin auch „Der lustige Ehemann“ enthalten ist. Es ist ein eher belangloser Text, der erst um die Jahrhundertwende durch Oscar Straus Musik zum Kabarettschlager wurde; auch „Der alte Lehmann“ hielt sich noch bis WW1.

Anfang 1900 waren unter den Berliner Künstlern die wohl bekanntesten Literaten-Theatertreffen:

1. Café Kaiserhof im Hotel Kaiserhof am Wilhelmplatz. Dort gab es gute Schachspieler, moderne Literaten, die Anhänger Gerhart Hauptmanns und die Verfechter der Neuen Schule. Die Gegenpartei bestand dort aus den Hofschauspielern und -dichtern.

2. Café Metropol am Bahnhof Friedrichstraße. Dort war die neue Richtung zu finden mit denjenigen, die über Tolstoi und Hauptmann hinaus waren, wie Maeterlinck, Strindberg und Maxim Gorki. Dazu gab es den Stammtisch der jungen Schauspieler vom Deutsches Theater, zu denen auch der 26-jährige Max Reinhardt gehörte. Genau dort begann dessen Freundschaft mit Felix Hollaender.

3. Café Westminster, Unter den Linden, der Treff der leichten Muse, jungen Talenten und Entdeckern, eine Kontaktbörse. Dort gab es einen Tisch, an dem saßen u.a. Rudolph Schanzer, Leo Fall, Oscar Straus und Rudolf Nelson! Rudolf Bernauer setzte sich einfach dazu, obwohl es sich um eine geschlossene Gesellschaft handelte. Doch stand er bald in deren Mittelpunkt, als er sich ihnen als Studiosus vorstellte. Er war wohl der erste Hochschüler, der sich ins Westminster wagte. Außer Künstlern fand man dort nur noch einige Glücksritter und Schieber, die sich aber von allen gesondert aufhielten. Rudolf Bernauer fiel dort durch seine norddeutsche Mundart auf, denn in Berlin zu jener Zeit war wienerisch gängiger.

Das Westminster befand sich im Gebäude vom 1890 eröffneten Passage-Panoptikum und die Besitzer hatten dort einen ihrer Säle als Theater eingerichtet, wo sie musikalische Einakter gegen einen geringen Aufschlag für die Besucher ihres Wachsfiguren-Kabinetts geben lassen wollten. Aus dem benachbarten Westminster engagierten sie Oscar Straus als Dirigent für ihr kleines Orchester. Bernauer erinnerte sich noch an eines seiner Singspiele, welches in China spielte, es war jedoch ein Fiasko. Die Besucher zahlten keinen Zuschlag; so lief das Singspiel zweimal täglich vor nur drei bis vier Gästen. Eines Tages war Bernauer sogar der einzige Gast, da legte Straus den Taktstock nieder. Übrigens spielte dort 1893 der zwanzigjährige Leo Fall für ein Jahr als Geiger für eine Monatsgage von 60 Mark.

4. Café Kaiserkrone, Ecke Karl-/Friedrichstraße, war keine typische Literaten- oder Künstlergaststätte. Am Tage war es dort meist leer; dafür aber durchgehend geöffnet. Am Abend erwachte dieser Treff der Schauspieler zu Leben; dort fand man Eduard von Winterstein. In diesem Hause entstand auch die Idee, den Berliner Schauspielern ein Heim zwischen den Vorstellungen zu schaffen. Hier wurde der erste deutsche Bühnenclub gegründet und die ersten tausend Mark Gründungskapital gesammelt.

Im Café Größenwahn (Ku'damm) war der Treff von langhaarigen, ungepflegten Bohemiens, die jeden Erfolg für ein Verbrechen hielten! Doch dazu schreibe ich später, denn Berlin fing zu dieser Zeit erst an, eine Theaterstadt zu werden.

Nun geht es erst einmal zur ersten Kabarettgründung Deutschlands: Ernst von Wolzogen wollte ein literarisches Kabarett auf die Bühne bringen; die Grundlage dessen war die satirische Abwandlung von Nietzsches Begriff Übermensch ergo Überbrettl! Es gab keinerlei politische Ambitionen und pünktlich zur 200-Jahr-Feier Preußens ging es in Berlin über die Brettl:

Erste deutsche Kabarettgründung Buntes Theater (Überbrettl)


Am 18.01.1901 eröffnete das erste deutsche Kabarett Buntes Theater (Überbrettl) im Berliner Theater am Alexanderplatz, Alexanderstraße 40. Ernst Ludwig Freiherr von Wolzogen hatte sehr große Schwierigkeiten, Sponsoren für die Finanzierung seines Theaters zu bekommen. Er lieh sich 10.000 Mark zum Zinssatz von 10% zusammen, sein Theater war klein und billig. Dem beliebten Romanschriftsteller schwebte ein literarisches Kabarett Überbrettl vor; und er wollte es als ein veredeltes Varieté wissen!

Zu: Ernst Ludwig Freiherr von Wolzogen (23.04.1855 Breslau-30.08.1934 München) war der Sohn von Karl August Alfred Freiherr von Wolzogen (27.05.1823 Frankfurt/Main-14.01.1883 San Remo), welcher Hoftheaterintendant in Schwerin war, und wiederum der Sohn eines preußischen Generals. Seine Werke: „Über die szenische Darstellung von Mozarts Don Giovanni“ - „Über Theater und Musik“; Neubearbeitungen von Mozarts „Schauspieldirektor“ und „Don Giovanni“.

Sein Bruder Hans Paul Freiherr von Wolzogen und Neuhaus (*13.11.1848 Potsdam) studierte in Berlin Philologie und Mythologie, lebte in Potsdam und seit 1877 in Bayreuth als treuester Wagner-Apostel. Ernst von Wolzogen war mit der Lauten-Sängerin Elsa Laura Seemann verheiratet und schrieb das erste Kabarett-Chanson „Madame Adèle“. Auch verfasste er das Libretto zur Richard Strauss Oper „Feuersnot“. Zum Ende des Lebens war der Nietzsche-Verehrer nicht frei von...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Musik - Instrumente - Jazz - Musikwissenschaft

Jahrbuch Musikpsychologie Band 17

E-Book Jahrbuch Musikpsychologie Band 17
Musikalische Begabung und Expertise Format: PDF

Der Schwerpunkt von Band 16 ist dem Thema "Wirkungen und kognitive Verarbeitung in der Musik" gewidmet. Themen sind u.a.: Understanding the expressive performance movements of a solo pianist,…

Jahrbuch Musikpsychologie Band 17

E-Book Jahrbuch Musikpsychologie Band 17
Musikalische Begabung und Expertise Format: PDF

Der Schwerpunkt von Band 16 ist dem Thema "Wirkungen und kognitive Verarbeitung in der Musik" gewidmet. Themen sind u.a.: Understanding the expressive performance movements of a solo pianist,…

Jahrbuch Musikpsychologie Band 17

E-Book Jahrbuch Musikpsychologie Band 17
Musikalische Begabung und Expertise Format: PDF

Der Schwerpunkt von Band 16 ist dem Thema "Wirkungen und kognitive Verarbeitung in der Musik" gewidmet. Themen sind u.a.: Understanding the expressive performance movements of a solo pianist,…

Plastizität und Bewegung

E-Book Plastizität und Bewegung
Körperlichkeit in der Musik und im Musikdenken des frühen 20. Jahrhunderts Format: PDF

Musik vermag es, Körperlichkeit in neuer Weise für die Kulturwissenschaften fruchtbar zu machen. Zu oft missverstanden als klingendes Beiwerk bewegter Körper in Tanz oder szenischer…

Plastizität und Bewegung

E-Book Plastizität und Bewegung
Körperlichkeit in der Musik und im Musikdenken des frühen 20. Jahrhunderts Format: PDF

Musik vermag es, Körperlichkeit in neuer Weise für die Kulturwissenschaften fruchtbar zu machen. Zu oft missverstanden als klingendes Beiwerk bewegter Körper in Tanz oder szenischer…

Weitere Zeitschriften

ARCH+.

ARCH+.

ARCH+ ist eine unabhängige, konzeptuelle Zeitschrift für Architektur und Urbanismus. Der Name ist zugleich Programm: mehr als Architektur. Jedes vierteljährlich erscheinende Heft beleuchtet ...

Ärzte Zeitung

Ärzte Zeitung

Zielgruppe:  Niedergelassene Allgemeinmediziner, Praktiker und Internisten. Charakteristik:  Die Ärzte Zeitung liefert 3 x pro Woche bundesweit an niedergelassene Mediziner ...

bank und markt

bank und markt

Zeitschrift für Banking - die führende Fachzeitschrift für den Markt und Wettbewerb der Finanzdienstleister, erscheint seit 1972 monatlich. Leitthemen Absatz und Akquise im Multichannel ...

crescendo

crescendo

Die Zeitschrift für Blas- und Spielleutemusik in NRW - Informationen aus dem Volksmusikerbund NRW - Berichte aus 23 Kreisverbänden mit über 1000 Blasorchestern, Spielmanns- und Fanfarenzügen - ...

die horen

die horen

Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik."...weil sie mit großer Aufmerksamkeit die internationale Literatur beobachtet und vorstellt; weil sie in der deutschen Literatur nicht nur das Neueste ...

Die Versicherungspraxis

Die Versicherungspraxis

Behandlung versicherungsrelevanter Themen. Erfahren Sie mehr über den DVS. Der DVS Deutscher Versicherungs-Schutzverband e.V, Bonn, ist der Interessenvertreter der versicherungsnehmenden Wirtschaft. ...

dima

dima

Bau und Einsatz von Werkzeugmaschinen für spangebende und spanlose sowie abtragende und umformende Fertigungsverfahren. dima - die maschine - bietet als Fachzeitschrift die Kommunikationsplattform ...

building & automation

building & automation

Das Fachmagazin building & automation bietet dem Elektrohandwerker und Elektroplaner eine umfassende Übersicht über alle Produktneuheiten aus der Gebäudeautomation, der Installationstechnik, dem ...