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E-Book

Als ich dem Tod in die Eier trat

AutorAlexander Greiner
VerlagVerlag Kremayr & Scheriau
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783218012010
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Alexander Greiner ist kerngesund. Glaubt er. Bis ihn aus heiterem Himmel die Diagnose Hodenkrebs erwischt. Von diesem Moment an ist nichts mehr wie es war. Doch Greiner geht die Krankheit an, wie er alles angeht: systematisch, zupackend, Sterben ist keine Option. Nach der Operation schaltet er keinen Gang herunter, plant seine Selbststa?ndigkeit, treibt exzessiv Sport. Bis sich Schmerzen einstellen  -  und es zwei Jahre nach der Erstdiagnose heißt: Tumor im rechten Oberarmknochen. Ihm ist klar, dass er nicht mehr so weitermachen kann, wie bisher.   Mit entwaffnender Ehrlichkeit beschreibt Alexander Greiner, was es heißt, eine lebensbedrohliche Krankheit anzunehmen und sich komplett neu auszurichten. Er berichtet, wie unterschiedlich Familie und Freunde reagieren; er klopft sein Leben auf Leerstellen ab und probiert alles aus, was im Verdacht steht, ihm zu helfen  -  sei es Energetik, Meditation oder TCM. Greiner nimmt die Leser mit auf die Odyssee durch Krankenha?user und schildert die emotionale Achterbahn zwischen Hoffen, Warten und Gewissheit, ohne jemals den Optimismus zu verlieren.  

Alexander Greiner , geboren 1980, wuchs im niedero?sterreichischen Mostviertel auf. Bevor er zu  schreiben begonnen hat, war er Unternehmensberater und go?nnte sich eine berufliche 'Auszeit'  als Barista. Er bezeichnet sich selbst als Schu?ler der Glu?ckseligkeit, lacht viel, liebt Bewegung und die Natur und tra?gt bunte Socken. Vero?ffentlichungen von Kurzgeschichten in Anthologien.  Alexander Greiner lebt in Wien und engagiert sich bei der Initiative 'Loose Tie' der  O?sterreichischen Krebshilfe zur Enttabuisierung von ma?nnerspezifischen Krebserkrankungen.  

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Leseprobe

2


Schon wieder Krebs


Möge ich sicher sein.

Schockzustand


Soweit ich zurückdenken kann, war Ostern für das alljährlich stattfindende Sippentreffen reserviert: den gemeinsame Brunch am Sonntagvormittag. Aus diesem Grund hatte ich vorgehabt, gleich nach der Magnetresonanztomografie zu meiner Familie ins niederösterreichische Mostviertel zu fahren. Die Diagnose bremste mich aber auf Schrittgeschwindigkeit.

Meine Beine führten mich wie von selbst an der Straßenbahnhaltestelle vor dem Radiologieinstitut vorbei. Ich hatte keine Lust, herumzustehen und zu warten, sondern einfach nur zu gehen und mit jedem Schritt anderen Boden zu spüren, über die Schwedenbrücke, die Taborstraße entlang und weiter in den Augarten. Das Gehen ließ mich allmählich wieder in meinem Körper ankommen. Ich blieb noch einige Zeit im Park auf einer Bank sitzen, bevor ich zurück in die Wohnung ging und die Fachbegriffe aus dem Befund der Magnetresonanztomografie nachschlug.

Ich konnte es nicht fassen. Knochenmetastase. Das hörte sich nach einem schlechten Scherz an, doch es passte alles zusammen und gab keinen Hinweis auf eine Fehldiagnose.

Gemächlich packte ich meine Sachen, stieg ins Auto und rief während der Fahrt enge Freunde an. Die Diagnose schien unwirklich. Darüber zu sprechen erlaubte mir, die Bedeutung zu verinnerlichen. Nach den Telefonaten drehte ich die Lautstärkeregelung des Radios auf Anschlag und drückte aufs Gas. Polizei hätte mich an diesem Tag keine erwischen dürfen.

Der Tisch war bereits für den großen Osterbrunch gedeckt, als ich am Samstagabend in meinem Elternhaus ankam, aber von der Familie war nur meine jüngste Schwester Babsi anwesend. Das passte mir. Sie verstand mich ohne viele Worte und sollte nun also die erste Person am Heimatort sein, die es erfuhr.

»Was?«, rief sie, riss ihre grünbraunen Augen auf und umarmte mich. »Ich dachte mir schon am Donnerstag, dass etwas nicht passt.«

Vor dem Termin beim Onkologen hatte ich meine drei Schwestern per Textnachricht gebeten: »Schickt mir bitte ganz viel positive Energie.« Das war unüblich für mich, weshalb sie verunsichert war.

Wir plauderten lange. Sie nahm es mit Fassung, aber ich spürte deutlich ihre Angst. Hatte sie sogar mehr als ich? Wovor genau? Und warum war ich nicht ängstlich?

Als ich am Morgen des Ostersonntags meiner Mama in der Küche sagte, dass ich wieder Krebs hatte, fror ihr Blick ein. Ich sah die Gedanken durch ihren Kopf schießen und spürte ihr Herz schlagen.

»Ich kann es gar nicht fassen«, sagte sie bestürzt und umarmte mich ohne viele weitere Worte.

Das freute mich sehr. Ich fühlte ihre Wärme und in meinen Augen sammelten sich Tränen. Feste Umarmungen waren mein Leben lang dünn gesät. Wir hatten früher eine angeschlagene Beziehung, die sich allerdings in den vergangenen Jahren ins Positive gewandelt hatte. Ich atmete entspannt aus, doch im nächsten Moment durchfuhr mich von der Schulter ausgehend ein heißer Schmerz.

»Bitte nicht so fest«, sagte ich.

Ihre Arme drückten von außen auf das Muskelgewebe, das von innen durch den Tumor verletzt war. Ist das nicht schräg?, dachte ich. Da umarmte sie mich aus inniger Liebe, und dann schmerzte es.

Mein Stiefvater sprang von der Couch auf und kam auf mich zu, als ich von der Diagnose erzählte.

»Na, was kann man denn da jetzt machen?«, fragte er in gehetztem Ton.

Woher sollte ich das wissen? Gerade einmal vierzehn Stunden nach der Diagnose? Ohne mit einem Onkologen darüber gesprochen zu haben?

»Das kläre ich noch ab«, antwortete ich.

Seine Frage kreidete ich ihm nicht an. Aber die Art und Weise, wie er sie stellte, kam gefühllos bei mir an. Vielleicht war ich diesbezüglich einfach nur ein anderer Typ Mensch als er: Ich holte zuerst möglichst viele Informationen ein und verfiel nicht gleich in panikartige Hilflosigkeit. Möglicherweise ärgerte mich aber nur die Formulierung. Man machte in einem Fall wie meinem gar nichts, ich machte und die Ärztinnen und Ärzte machten. Vielleicht lagen auch einfach nur meine Nerven blank.

Der Rest des Osterwochenendes verlief intensiv wie üblich. Viel Familie. Viel Essen und Sitzen. Viel Tradition und noch viel mehr alt-eingefahrene Muster, von denen sicher alle wussten, dass sie schon lange überholt waren. Jedes Jahr dieselben Schmähs, die schon lange nicht mehr lustig waren und mir ein verlegenes Lächeln abnötigten. Ich konnte all dem nur wenig abgewinnen.

Solche Familienzusammenkünfte prägte bei uns seit ich denken kann ein Sammelsurium aus besonders positiven und extrem negativen Emotionen. Zuneigung, Freude, Angenommensein, dumme Sprüche, alte Verletzungen, Streit. Das gesamte Spektrum wurde abgedeckt. Damit war ich vermutlich nicht allein. Das kam sicher in jeder Familie vor. Vielleicht war es auch nur ein unbeholfener Ausdruck der tiefsten Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung der einzelnen Familienmitglieder.

Unmittelbar erhielt ich die ersten Tipps und Empfehlungen, was ich gegen die Erkrankung tun könnte. So gelangte ich zu einem Heilpraktiker.

»Du sagst nicht, was du hast, Richard findet es durch Pendeln selbst heraus«, wurde mir von seinen Fähigkeiten vorgeschwärmt.

Ich hielt nicht viel davon, aber neugierig war ich trotzdem.

Der Heilpraktiker empfing mich bei ihm daheim, in einem kleinen Ort mitten im Mostviertel. Als ich mich näherte, öffnete er bereits die Tür.

»Servus! Alexander? Komm gleich herein!«

Drinnen wirkte das Häuschen wie eine Berghütte, heimelig warm, der schmiedeeiserne Holzofen knisterte gemächlich vor sich hin. Mit esoterischen Praktiken hatte ich noch nie etwas anfangen können, aber Richard war mir auf Anhieb sympathisch.

»Sag mir gar nicht, warum du hier bist!«, erklärte er.

Wir hielten kurzen Smalltalk und dann ging es los. Er pendelte und pendelte, fragte dieses, fragte jenes. Die Fragen stellte er nicht mir, sondern dem Pendel. Doch auf die meisten seiner Fragen erhielt er nur ein Nein.

»Dein Zentralchakra ist nur auf 74 Prozent«, fasste er die Untersuchung zusammen.

Über das Konzept der Chakren als Energiezentren unseres Körpers hatte ich bereits gehört, ein Zentralchakra war mir aber bisher nicht untergekommen.

»Okay, warum bist du hier?«, fragte Richard in einem für mich überraschenden Ton, der genervt wirkte.

Ich wunderte mich, dass das Pendel anscheinend nichts Wertvolleres über mich auszusagen hatte, fragte mich, ob ich hier vielleicht falsch war, und erzählte vom Krebs.

Warum auch immer, beim zweiten Pendelversuch fand Richard sofort »Knochenfresser«. Oh Wunder! Wenn er wusste, wonach zu suchen war, fand er also auf Anhieb etwas. Großartige Leistung.

Was diese Knochenfresser sein sollten, erklärte er nicht. Ziemlich geheimnistuerisch. Ich stellte mir grün-rot-schimmernde Käferchen auf zwei Beinen mit Riesenhauern vor. Er stilisierte die ganze Sache zu einer für ihn zwar routinemäßigen, aber doch magischen Angelegenheit hoch.

»Hilft da die gemeine Rübe?«, fragte er weiter.

Ja, schlug das Pendel aus.

Richard verkaufte mir zwei Fläschchen Gemeine-Rübe-Lösung – ein spezieller Kräuteransatz, den er eigenhändig hergestellt hatte – zu je fünfzehn Euro.

»Fünfmal täglich elf Tropfen davon. Und derweil keine Untersuchungen machen und auf jeden Fall noch keine Therapie beginnen!«, sagte er.

Was? War das sein Ernst? Was war das für eine komplizierte Dosierung? Und was nahm er sich eigentlich heraus, mir zu raten, mich von der Schulmedizin fernzuhalten?

»Nimm erst mal die Tropfen und dann komm nochmals zu mir.«

Die Aussagen schockierten mich.

Vor der Tür warteten bereits die Nächsten, deshalb fragte ich nicht nach, ob er sich der Bedeutung seiner Empfehlung bewusst war. Gehalten hatte ich mich sowieso nicht daran. Auch wenn er mir empfahl, nicht genauer nachzusehen: Ich wollte exakt wissen, was in meinem Körper los war.

Obwohl im Nachsorgespital mit dem zweiten Onkologen bereits ein Akuttermin vereinbart war, wartete ich wieder mehrere Stunden in der Ambulanz. Das blieb wohl nicht einmal einem Patienten mit frisch diagnostiziertem Rückfall erspart.

»Ich versuche, die PET-CT vorzuverlegen«, sagte er und rief in dem anderen Spital an, in dem die Untersuchung stattfinden sollte, doch alle kurzfristig verfügbaren Termine waren schon...

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