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Als Kriegsfreiwilliger nach Frankreich 1815

AutorWillibald Alexis
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl169 Seiten
ISBN9783849604738
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
1815 nahm Alexis als Freiwilliger an den Befreiungskriegen teil; als Mitglied des Regiments Kolberg belagerte er einige Ardennen-Festungen und berichtet von diesen Ereignissen in 'Als Kriegsfreiwilliger nach Frankreich.'

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Leseprobe

Zur Einführung


 

Wahrlich, wir leben in einer unvergeßlich großen Zeit! »Wir können nun zu jeder Stunde sterben,« dürfen wir mit Ernst Moritz Arndt uns wieder rühmen, »wir haben auch in Deutschland das gesehen, weswegen es allein wert ist zu leben: daß Menschen in dem Gefühl des Ewigen und Unvergänglichen mit der freudigsten Hingebung alle ihre Zeitlichkeit und ihr Leben darbringen können, als seien sie nichts.« Wie im heiligen Jahre 1813 strömten auch jetzt wieder aus allen Winkeln unsres Vaterlands aus allen Schichten unsres Volks Freiwillige sonder Zahl zu den Waffen: Knaben und Männer, Jünglinge und Greise, und wieder war »das Schönste bei diesem heiligen Eifer und fröhlichen Gewimmel, daß alle Unterschiede von Ständen und Klassen, von Altern und Stufen vergessen und aufgehoben waren, daß jeder sich demütigte und hingab zu dem Geschäft und Dienst, wo er der brauchbarste war, daß das eine große Gefühl des Vaterlandes und seiner Freiheit und Ehre alle andern Gefühle verschlang«. Und doch welch tiefe Kluft im Vaterlandsempfinden des Deutschen von heute und von vor hundert Jahren tut sich vor unsern Blicken auf, wenn wir die nachstehenden Erinnerungen eines Kriegsfreiwilligen jener Tage lesen! Gewiß: Alexis zog, ein Jüngling näher dem Knaben, erst 1815 mit nach Frankreich; aber »es war noch der kräftige Nachhall desselben mächtigen Impulses«, sagt er selbst. Er hat seine Erinnerungen erst rund ein Vierteljahrhundert später auf Grund seiner Briefe und Tagebuchaufzeichnungen niedergeschrieben - sie erschienen 1844-46 in Theodor Hell-Winklers Taschenbuch »Penelope« -, und die Ueberlegenheit und Skepsis des reifen Mannes, den die Zeit der Reaktion verbittert hat, spricht oft genug nur zu laut aus ihnen. Aber auch der Sechzehnjährige vermochte sich nicht immer jenem Unmut zu verschließen, der selbst einen Theodor Körner aus dem russischen Hauptquartier zu Reichenbach (28. Juli 1813) einmal bekennen läßt: »Daß doch nichts die Begeisterung so abkühlt als die ruhige, genaue Beobachtung! Wenn eine so heilige Sache einem ordentlichen Herzen je zu verleiden wäre ...«

 

Gerade dieser grelle Kontrast im Vaterlandsempfinden gibt den in erster Linie kulturhistorisch zu wertenden Erinnerungen heut einen besondern Reiz; dies, und daß sie ein geborener Dichter schrieb, der das Kleinste scharf und im rechten Zusammenhange gesehen hat. Jene Kriegszeit in den Ardennen: dieses Auf und Nieder der Stimmung, dieses wilde Lagerleben und wieder märchenhaft stille Dasein im völlig von der Welt abgeschiedenen Dorfquartiere ist für Alexis nicht nur eine strenge Schule des Lebens, sondern weit mehr noch eine reiche Schule der Dichtung gewesen. Die »volle, gläubige Begeisterung« aber, die den Jüngling vor hundert Jahren zu den Waffen trieb, sie hat ihren reinsten und stärksten Ausdruck in den vaterländischen Romanen des Mannes gefunden, die nicht zum geringsten Teile in uns unsern heutigen höheren Begriff vom Vaterlande, seiner Freiheit und Ehre reifen ließen.

 

Als Kriegsfreiwilliger nach Frankreich 1815.


 

Der Aufruf und der Aufstand der Freiwilligen im Jahre 1815 in Preußen war nur eine Nachdröhnung der Volkserhebung im Jahre 1813. Gentz bewies, nach den ihm sehr unangenehmen Wartburggeschichten, daß die Freiwilligen damals überflüssig gewesen wären. Die Massen Linientruppen, welche Preußen, Österreich mit dem wieder vereinigten Deutschland zusammenbringen konnten, hätten in Verbindung mit den Heeren und Schiffen der englischen und russischen Alliierten das Werk allein zu Ende geführt. Ich weiß nicht, ob man preußischerseits 1819 auf diese diplomatische Rüge geantwortet hat; aber 1815 schien auch der preußischen Regierung das Volk und seine Teilnahme noch notwendig, es war noch der kräftige Nachhall desselben mächtigen Impulses. In den Schulen war nur eine Stimme. Wer konnte, sollte und mußte mit, darüber war keine Frage. Wen schwache Gesundheit, Eltern oder Vormünder nicht fortließen, wurde bedauert oder verhöhnt. Es war gewiß Spielerei mit im Spiel; wo aber fehlt die auch bei den ernstesten Fragen! Und sollte die Jugend, wo sie ihr als Tugend geboten wurde, nicht freudig zugreifen! Es war ein wonniges Gefühl, schon halb in militärischer Kleidung, mit rotgestreiften Beinkleidern oder gar mit der grünen, wohlkleidenden Jägeruniform, in die Klassen zu gehen. Wie staunten die andern jüngern Schüler den künftigen Helden an, wenn er, die kleine Mappe, die alten Klassiker unterm Arm, stolz durch ihre Reihen schritt! Wie anders, mit welchem Selbstgefühl blickte er den Lehrer auf dem Katheder an, der wohl von Aufopferung fürs Vaterland sprach, aber er blieb zu Haus, und wir opferten uns; er redete von den großen Taten unsrer Väter, wir wollten sie vollbringen. Seine Autorität war nur noch eine prekäre; in wenig Tagen gehorchten wir einer andern. Er hatte uns nichts mehr zu gebieten; das war schon ein Heldengefühl.

 

Gentz mag von dem kühlen Standpunkte aus, von dem er die Sache ansah, Recht gehabt haben. Materiell war der Volksaufstand nicht mehr nötig; es war wenigstens nicht mehr nötig, daß der Beamte sein Amt, der Meister sein Handwerk, der Gatte die Gattin verließ, und daß sechzehnjährige Knaben von den Bänken in Prima und Sekunda forteilten, um das Vaterland zu retten. Wenn es noch das zu retten galt, so reichte die bewaffnete Macht aus. Die ideelle Macht war von beiden Seiten schon gebrochen. Napoleon focht bei Waterloo für seine Sache; aber er mußte ihr einen andern Namen geben, um die Nationalbegeisterung in Frankreich dafür zu erwecken. Daß es für Deutschland nicht mehr um die geträumte Freiheit und nationale Einheit sich stritt, hatten die Verhandlungen des Wiener Kongresses verraten.

 

Nur nicht uns sechzehn- und siebzehnjährigen Jünglingen. Wir träumten noch, wir waren noch berauscht; noch fühlte man nichts von Nachwehen. Die begeisterten Reden unsrer Lehrer, die Nachklänge der Fichte-, Schleiermacher-, Arndtschen wissenschaftlichen Kriegsberedsamkeit, von allen Kathedern hallend, Körners und Schenkendorfs Lieder, die Erzählungen der älteren Jünglinge, die 1813 und 1814 mit geblutet und mit gesiegt, alles das erhielt den Rausch lebendig. Wir schwelgten in Fouques Nordlandssagen, in seinem gründlichen Neufranzosenhaß. Die Ideen des Turnertums waren mächtig, auch außerhalb der Hasenheide. Der Plumpsack, der dort jedem, welcher durch ein Fremdwort die deutsche Sprache entweihte, drei Streiche versetzte, ging auch moralisch in der jungen Gesellschaft um. Jahns Deutschtümlichkeit war uns kein Phantom, sondern eine Wahrheit, und wir hofften noch zuversichtlich auf die Realisierung unsrer Ideen von einem deutschen Volkstume, wenn wir auch über das Wie? weder mit andern noch mit uns im reinen waren.

 

Dennoch war auch schon da in die preußische Jugend ein Mißklang gedrungen. Ganz war es uns nicht entgangen, daß die Diplomatie der Nationalbegeisterung ein Schnippchen geschlagen hatte, und daß andre das ernten wollten, was das Volk durch Opfer und Tapferkeit errungen hatte. Aber wir bewegten uns noch in einem engen Formelkreise. Die gespenstischen Wörter: Aristokratie, Bureaukratie und Hierarchie, die uns seitdem erschreckten, lagen damals außerhalb desselben; und das Wort Tyrannei, das gründlich gehaßteste, kannten wir zwar, aber wir waren viel zu loyal, um es auf andre anzuwenden, als auf den Franzosenkaiser Napoleon. Unsre natürliche Freiheitsliebe war mit dem Franzosenhaß identifiziert. In den Intrigen, die auf dem Wiener Kongresse spielten, sahen wir nichts als eine Rückkehr zu der alten französischen Diplomatie, der wir nicht sowohl ihre Tendenzen als ihre unvolkstümlichen Formen vorwarfen. Mit höchster Entrüstung betrachteten wir Deutsche es namentlich, daß so viel deutsches Blut auf deutscher Erde geflossen war, und doch wurde der Friede in französischer Sprache geschlossen. So viele der wunderbarsten Begriffe von Volkstum hatten wir uns eingepfropft – zu denen aber Fürsten, Könige und womöglich auch ein Kaiser gehörten – und doch verhandelte und handelte man nicht aus einem Volksrat heraus oder offen königlich für das Volk, sondern aus den Kabinetten zu den Kabinetten, heimlich, schriftlich und in französischer Sprache! Wie paßte das zu den herrlichen, kernigen Aufrufen an das Volk, zu den Proklamationen, die immer an Karl und Wittekind gemahnt hatten!

 

Die Stimmung in der Jugend war durchaus ernst und religiös; christlich und durch die Vermittlung der Romantik sogar etwas katholisch. Nichts von lasziver Beimischung und ironischer Betrachtungsweise; diese hat erst der nachfolgende Druck in der deutschen Jugend hervorgebracht. Von der Seite fürchteten wir keine Reaktionen, wie uns der Ausdruck überhaupt fremd war. Nur die geheime, fremde, französische Hofsitte, das nicht deutsche Galakleid der Etikette, die gleisnerischen Schranzen, die vornehmen Riccauts de la Marliniere, die wir überall wieder durch die Türritzen dringen sahen, waren uns verhaßt. Daß ein Talleyrand sogar, in dem wir den leibhaftigen Bösen mit dem Klumpfuß sahen, in Wien mitsprechen, das große Wort führen durfte; daß Kaiser Alexander, nach dem herrlichen, heiligen Kampfe, mit Franzosen und Französinnen schön tun konnte, und die deutschen Fürsten vergingen nicht in edler Entrüstung! Deutsche Aristokraten von Schrot und Korn, die gewußt hätten, geschickt die Sache anzufangen, hatten einen guten Teil der deutschen gärenden Jugend damals noch für...

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