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Altern und Zeit

Der Einfluss des demographischen Wandels auf Zeitstrukturen

AutorChristine Meyer
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl223 Seiten
ISBN9783531908823
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis46,99 EUR


Dr. Christine Meyer ist Hochschulassistentin im Institut für Sozialpädagogik an der Universität Lüneburg.

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Leseprobe
9 Emotionen im Lebensverlauf entscheiden über die Qualität des Alterns (S. 158-159)

Die folgenden Überlegungen gelten der Frage des Verfügbarhaltens und Verfügbarmachens von Erinnerungen. Die Erfahrungen des bisher gelebten Lebens, die in Form von Erinnerungen bewusst und unbewusst vorhanden bzw. gespeichert sind, heißt es für ein Leben im Alter neuen Bewertungsschleifen zugänglich zu machen. So könnte eine aktive Lebensgestaltung im Alter von der Auseinandersetzung getragen sein, welche Erfahrungen und Erinnerungen im bereits gelebten Leben weiterhin von Bedeutung sein sollen oder erst wieder werden, welche Kontinuitäten weiter geführt werden könnten und was an, für das eigene Leben aktuell, bedeutsamen Aktivitäten wieder oder neu aufgenommen werden müsste.

Menschen müsste es gelingen, eine individuelle Reflexionsebene zu schaffen, um in der Rentenphase zunächst aus dem zu schöpfen, was bedeutsamer Lebensinhalt war, jedoch eventuell über Erwerbsarbeit und Familienphase in den Hintergrund geriet und wieder entdeckt werden könnte. Darüber hinaus gälte es zu erlernen auf Neues zugehen zu können, um Aktivität und Zufriedenheit im dritten und vierten Lebensalter bestimmen zu können. Überlegungen zu Emotionen, ihrer Wertigkeit und Bedeutung für den Einzelnen werden zunächst angestellt, um zu erfassen, wie sehr sie das aktuelle Leben eines jeden einzelnen Menschen beeinflussen und formen.

In der jüngsten Diskussion arbeitet besonders Nussbaum Macht und Einfluss der Emotionen für jeden Menschen heraus und eröffnet damit Chancen, sich den Beurteilungen eines alternden Menschen in Bezug auf sein eigenes Leben zu nähern. Nach ihren Überlegungen wird es darum gehen, vor dem Hintergrund der Bedeutung der Emotionen für den Einzelnen, das bis zum Verrentungszeitpunkt gelebte, zurückliegende und beurteilte Leben neuen Bewertungen in emotionaler Hinsicht zu öffnen, um nach den gefühlten Kontinuitäten und Brüchen zu sehen und sie Neubewertungen zur Verfügung zu stellen. Neubewertungen gemachter Erfahrungen oder eigener Gedanken können für den Prozess des Alterns hilfreich sein, weil dies bedeutet, sich neuen Dingen, Tätigkeiten und Erfahrungen gegenüber zu öffnen.

Ebenso gilt es die Bewusstheit zu schaffen, die erlernten und nun für den aktuellen alltäglichen Gegenwartsbezug irrelevanten überkommenen Zeitmuster in Frage zu stellen und aktiv den eigenen Wünschen und bewusster Planung anzupassen. Alles bis zum Verrentungszeitpunkt Erlebte und Erworbene an Erfahrungen, Wissen, Erinnerungen, Getanem steht zur Disposition und Veränderung im Hinblick auf die Bedeutung der Emotionen und kann über die weitere Entwicklung für ein gutes Leben im Alter entscheidend sein. Welzer hingegen stellt heraus, Erinnerungen eines Menschen hätten mit der eigenen Vergangenheit kaum etwas zu tun. „Was ein Mensch erinnert, hat extrem wenig mit seiner Vergangenheit zu tun" (Welzer 2004).

Das Gedächtnis sei keineswegs ein verlässliches Archiv, da es Eindrücke auswählt, ergänzt und sogar neu formt, um für das Überleben in der komplexen Welt nützlich zu sein. „Das ganze Leben ist eine Erfindung" als Kernaussage weist darauf hin, Erinnerung eines Menschen können sehr wenig mit seiner Vergangenheit zu tun haben. Dennoch bleibt der Rückgriff auf Vergangenheit für eine Orientierung in der Gegenwart bedeutsam (vgl. Welzer 2004, In: http://zeus.zeit.de/text/2004/13/P-Welzer). Die Konstruktion des eigenen Lebens, das je nach Erfordernissen in der Lage ist, Erfahrun gen und Erinnerungen neu zu ordnen und unter dem Motto: „das Leben ist eine Erfindung", weiter zu überformen und entsprechend für den Nutzen in der Gegenwart bereitzustellen, können für die Einschätzung und Bewertung des individuellen Lebens im Alter zukunftsweisende Bedeutung erlangen.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis8
Einleitung12
Teil I: Altern und Zeit18
1 Altern ist eine Erscheinung der Zeit19
2 Alter liegt immer in der Zukunft – Das Alter ist nie eigene Erfahrung, sondern Antizipation48
3 Die Lebenszeit in Zeitnot – ein langes Leben ist auch zu kurz61
4 Koordinaten der Mehrperspektivität: Zeit – Geschwindigkeit – Richtung der Zeit – Altern – Endlichkeit72
Zwischen Teil I und Teil II: Zeit im Übergang – Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft und ihre Auswirkungen auf die Zeitordnung der Gesellschaft78
Teil II: Die Bedeutung des Alterns in der Zeit – Veränderung der Zeit86
5 Qualität der Zeit: Zeit kommt – Zeit vergeht – Zeit entsteht87
6 Altersweisheit oder Starrheit – Entscheidung für ein gutes Leben im Alter117
7 Ein neues Generationenverhältnis verändert den Alternsprozess143
8 Weder Optimierung noch Kompensation allein führen zu Weisheit154
Teil III: Ein „gutes Leben“ zu jeder Zeit im Alternsprozess. Emotionen und Erinnerung als Garanten einer guten Entwicklung im Alternsprozess – Veränderung und Kontinuität der Bedeutung des Alterns in der Lebenszeit158
9 Emotionen im Lebensverlauf entscheiden über die Qualität des Alterns159
10 Erinnerungen des Lebensverlaufs bestimmen die Qualität des Alterns173
11 Die Bedeutung der Emotionen als Werturteile in der Erinnerungskonstruktion196
Teil IV: Aussichten auf ein „gutes Leben“ im Alter200
12 Bedingungen für ein lebenslang „gutes und erfülltes Leben“ liegen in der Bereitstellung gesellschaftlicher Möglichkeiten zur Kompetenz – die Gesellschaft gestaltet optimale Bedingungen für Mitglieder jeden Lebensalters201
Literaturverzeichnis217

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