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Altersarmut in Deutschland: Herausforderung für die Sozialpolitik

AutorNick Loetz
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl74 Seiten
ISBN9783956846601
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Die Altersarmut in Deutschland ist ein Thema, welchem zukünftig eine große gesellschaftliche Bedeutung zukommen wird und das gleichzeitig zu einer Art sozialem Sprengstoff werden kann, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird. Konkret untersucht die Arbeit die Ausgangsvermutung, dass die wesentlichen Ursachen für den voraussichtlichen Anstieg der Altersarmut in Deutschland im demografischen Wandel, in sich wandelnden Erwerbsbiografien und den strukturellen Reformen, besonders im Bereich der Sozialversicherung, begründet sind. Die vorliegende Arbeit soll so einen Beitrag zum Verständnis zukünftig erwarteter Entstehung von Armut im Alter leisten aber gleichzeitig auch die aktuelle Situation beschreiben. Ausgehend von den heute schon sichtbaren Indikatoren für zukünftige Entwicklungen auf dem Gebiet der Sozialpolitik werden Lösungsansätze für die Vermeidung von zukünftiger Altersarmut aufgezeigt.

Nick Loetz, geb. 1982, studierte Soziale Arbeit an der Evangelischen Fachhochschule RWL Bochum. Seit seinem Abschluss 2012 ist er als Dipl. Sozialpädagoge / Sozialarbeiter (FH) tätig.

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Leseprobe
Kapitel 5.2, Strukturelle Entwicklung: 5.2.2, Wandel der Beschäftigungsverhältnisse: Lange Zeit hat das Normalarbeitsverhältnis das Spektrum von Beschäftigungsformen dominiert. Dieses lässt sich als eine tarifrechtlich geregelte Austauschbeziehung bezeichnen, welche durch abhängige Lohnarbeit gekennzeichnet ist, die vom Ende der Ausbildung bis zum Erreichen einer definierten Altersgrenze verrichtet wird. Der Arbeitsvertrag ist unbefristet und es handelt sich um eine Vollzeitstelle. Bei der Entlohnung soll selbst in den untersten Lohngruppen ein Lohn erzielt werden, welcher ausreicht, um eine Familie zu ernähren (vgl. Hinrichs 2008, S. 22f.). Jedoch nimmt in Deutschland seit Jahren die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse zu, welche vom definierten Normalarbeitsverhältnis abweichen. Bei solchen Arbeitsverhältnissen handelt es sich um Teilzeitarbeit, geringfügige und/oder befristete Beschäftigungsverhältnisse, Selbständigkeit und Leiharbeit, die auch zusammengefasst als atypische Beschäftigungsverhältnisse bezeichnet werden. Die Zahl der Normalarbeitsverhältnisse ist im Zeitraum von 1997 bis 2010 von 24 Mio. auf 22,3 Mio. gesunken. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der atypischen Beschäftigungsverhältnisse um 2,58 Mio. Daher wird in diesem Zusammenhang häufig von einer 'Erosion des Normalarbeitsverhältnisses' gesprochen (vgl. Sacher 2011, S. 487f.). Gründe für den starken Anstieg der atypischen Beschäftigungsverhältnisse liegen in der Deregulierung des Arbeitsmarktes, deren Höhepunkt die 'Hartz-Reformen' bilden. Mit der Einführung der vier Gesetze 'für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt' wurde der Spielraum für die Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt ausgeweitet. So werden mit der Einführung des 'Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt' atypische Beschäftigungsverhältnisse gefördert. Das Ziel der Reform ist es, den Einsatz von Leiharbeit, befristeter und geringfügiger Beschäftigung sowie von Teilzeitarbeit zu steigern, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen (vgl. Hegelich 2011, S. 34ff.). Das deutsche Sozialversicherungssystem ist jedoch auf das Normalarbeitsverhältnis ausgelegt. Bei der gesetzlichen Rentenversicherung wird dies sehr deutlich am Modell des Standardrentners, der mit 20 Jahren in das Erwerbsleben eintritt und bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze stets den Durchschnittsverdienst erzielt. Atypische Beschäftigungsverhältnisse jedoch erhöhen das Risiko, arbeitslos zu werden oder im Laufe des Erwerbslebens kein sozialversicherungspflichtiges Einkommen für einen ausreichenden Rentenanspruch zu erzielen. Im Folgenden werden die einzelnen Formen atypischer Beschäftigungsverhältnisse dargestellt und die Folgen für die Rentenanwartschaft erläutert. Die Zahl sozialversicherungspflichtiger Teilzeitarbeit stieg von 3,93 Mio. im Jahr 2000 auf 5,39 Mio. im Jahr 2010. Unter Teilzeitarbeit werden in der Regel alle Arbeitsverhältnisse zusammengefasst, die eine Arbeitszeit unterhalb der regelmäßigen betrieblichen oder tariflichen Arbeitszeit aufweisen. Mit der Teilzeitarbeit verbunden ist ein regelmäßiges Einkommen, welches unterhalb des Durchschnittseinkommens liegt. Eine Ausnahme bilden sehr hohe Lohnsätze. Wird die Zeitarbeit noch über einen längeren Zeitraum ausgeübt, sind die erworbenen Rentenansprüche unterhalb der Armutsgrenze (vgl. Hinrichs 2010, S. 26). Im Sektor der Teilzeitarbeit sind zum größten Teil Frauen beschäftigt. Im Jahr 2007 arbeiteten 30,2 % der Frauen in Teilzeit und gerade mal 3,7 % der Männer. Gründe hierfür sind einerseits darin zu suchen, dass Teilzeitarbeit Frauen ermöglicht, Familie und Beruf zu vereinbaren. Jedoch befinden sich auch viele Frauen aufgrund eines Mangels an Vollzeitstellen in der Teilzeitarbeit. So arbeiten über die Hälfte der Frauen in Ostdeutschland gezwungenermaßen in einer Teilzeitstelle, obwohl eine Vollzeitstelle favorisiert wird. In Westdeutschland liegt der Anteil bei unter 10 % der Frauen (vgl. Bäcker et al. 2010a, S. 438f.). Werden bei der Teilzeitarbeit bestimmte Verdienstgrenzen unterschritten, handelt es sich um eine geringfügige Beschäftigung. Als geringfügig beschäftigt gelten Arbeitnehmer, deren Arbeitseinkommen bei dauerhafter Beschäftigung 400 ? nicht überschreitet. Die geringfügige Beschäftigung kann entweder ausschließlich oder neben einer weiteren Erwerbsarbeit ausgeführt werden (ebd., S. 440). Seit Jahren nimmt die Zahl der geringfügig Beschäftigten zu. Betrug die Zahl im März 2003 noch 4,8 Mio., so liegt diese im Jahr 2010 bei knapp 7,4 Mio. Von den 7,4 Mio. im Jahr 2010 gingen etwa fünf Millionen ausschließlich und 2,5 Millionen neben der Erwerbsarbeit einer geringfügigen Beschäftigung nach (vgl. Sozialpolitik-Aktuell 2010). Gerade eine geringfügige Beschäftigung hat erhebliche Folgen für die Rentenanwartschaften, da aus den Beitragszahlungen keine Leistungsansprüche für Arbeitnehmer entstehen. Hier gibt es nur eine freiwillige Option, der Arbeitnehmer kann über einen Aufstockungsbeitrag Ansprüche in der GRV erwerben. Aber selbst die sind relativ gering und liegen bei einem monatlichen Entgelt von 400 EUR bei lediglich 4,28 EUR Rentenanspruch pro Jahr. Hinzu kommen noch Arbeitnehmer, welche sich in der Gleitzone befinden. Das ist ein Verdienst zwischen 401 und 800 EUR. Innerhalb dieser Zone werden die Beiträge zur Sozialversicherung mit einer Formel progressiv ermittelt. Der Arbeitnehmer zahlt so weniger Beiträge als der übliche Anteil in der Sozialversicherung. Dies hat auch Folgen für die Rentenanwartschaften, infolgedessen wird bei der Rentenberechnung nur das durch die Gleitzonenformel errechnete Arbeitsentgelt berücksichtigt (vgl. Bäcker et al. 2010a, S. 440). Somit kann festgestellt werden, dass gerade Arbeitnehmer, die eine geringfügige Beschäftigung ausüben oder deren Einkommen sich im Bereich der Gleitzone befindet, besonders von Armut im Alter bedroht sind. Hiervon sind besonders Frauen betroffen, ihre Zahl lag im Jahr 2007 bei 15,3 % und bei den Männern nur bei 3,7 % (vgl. BMAS 2008, S. 15). Ein weiterer Faktor ist die Leiharbeit. Ein Arbeitnehmer wird als Leiharbeiter definiert, wenn er einen Arbeitsvertrag mit einem Arbeitgeber oder einer Agentur abgeschlossen hat, welcher ihn an fremde Firmen entleiht (vgl. Bäcker et al. 2010a, S. 445). Die Zahl der Leiharbeit hat sich in den letzten Jahren fast verdoppelt. Waren im Jahr 2000 noch knapp 340.000 Menschen als Leiharbeiter beschäftigt, liegt die Zahl im Jahr 2010 bei knapp 810.000. Zum größten Teil befinden sich Männer unter den Leiharbeitern, nur jeder vierte Arbeitsvertrag wird von einer Frau unterschrieben (vgl. ebd., S. 446). Auch Leiharbeit kann erhebliche Risiken bei der Alterssicherung mit sich bringen. Leiharbeiter werden nach anderen und niedrigeren Tarifen bezahlt als Festangestellte. Im Jahr 2005 lag der monatliche Durchschnittslohn für Leiharbeiter bei 1490 EUR in Westdeutschland bzw. 1270. EUR in Ostdeutschland. Würde ein Beschäftigter 40 Jahre lang für den Durchschnittslohn arbeiten, erwirbt er gerade mal 26 Rentenpunkte. Dies entspricht einem Rentenanspruch von etwa 683 EUR (West) oder 597 EUR (Ost). Zudem kommt noch eine große Anzahl befristeter Arbeitsverhältnisse hinzu. Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis endet das Arbeitsverhältnis durch Ablauf, ohne dass gekündigt werden muss. Um die mit der Befristung verbundenen sozialen Risiken für die Arbeitnehmer zu begrenzen, muss ein befristeter Arbeitsvertrag grundsätzlich sachlich begründet werden. Jedoch existieren in der Praxis viele Ausnahmen, um dieses Erfordernis zu umgehen (vgl. Bäcker et al. 2010a S. 443ff.). Die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse stieg von 1,93 Mio. im Jahr 2002 auf 2,76 Mio. im Jahr 2010. Verbunden mit einem befristeten Arbeitsverhältnis sind die Gefahren der Arbeitslosigkeit oder im Laufe des Erwerbslebens kein sozialversicherungspflichtiges Einkommen zu erzielen, was negative Wirkungen auf spätere Rentenansprüche hat. Befristete Beschäftigungsverhältnisse betreffen vor allem jüngere Arbeitskräfte im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Des Weiteren weisen diese Beschäftigten ein höheres Risiko auf nach drei Jahren arbeitslos zu sein, als diejenigen, deren Arbeitsvertrag unbefristet geschlossen wurde (vgl. Hinrichs 2010, S. 26). Außerdem ist die Zahl der selbständigen Beschäftigten stark gestiegen. Lag diese Zahl im Jahr 1980 noch bei 2,31 Mio., so betrug sie im Jahr 2008 4,14 Mio. Selbständig ist, wer auf eigenem Namen sowie auf eigene Rechnung erwerbswirtschaftlich tätig ist und seine Tätigkeit ungebunden gestalten kann. Bei der Selbständigkeit wird unterschieden zwischen Selbständige mit abhängig Beschäftigten sowie der Solo-Selbständigkeit. Als Solo-Selbständiger wird bezeichnet, wer in einem Betrieb außer unbezahlt mithelfenden Familienmitgliedern keine weiteren Personen beschäftigt. Auch gehören zur Gruppe Personen, die als Freiberufler oder auf Basis eines Werkvertrages arbeiten (vgl. Kelleter 2009, S. 1204). Eine besonders starke Zunahme lässt sich bei den Solo-Selbständigen feststellen. Lag die Selbständigenquote im Jahr 2000 für diese Gruppe noch bei 4,5 %, umfasste sie im Jahr 2008 knapp 6 %. Die Quote für Selbständige mit Beschäftigten lag im Jahr 2000 bei 4,5 % und hat eine konstante Entwicklung durchlaufen. Im Jahr 2008 betrug ihr Wert 4,3 %. Ein Hauptgrund für die Zunahme der Solo-Selbständigen ist in der Einführung neuer arbeitsmarktpolitischer Instrumente zu suchen. Diese zielen darauf ab, durch Förderung der Selbständigkeit die Arbeitslosigkeit zu reduzieren (ebd., S. 1206). Für Solo-Selbständige besteht die Möglichkeit, sich freiwillig in der GRV zu versichern. Hier trägt der Versicherte die Beiträge alleine. Bei einer Analyse der aktuellen Zahlen der GRV wird deutlich, dass viele Solo-Selbständige diese Möglichkeit nicht in Anspruch nehmen. So lag die Zahl der Versicherten in der GRV im Jahr 2008 bei lediglich 39 %. Hinzu kommt noch eine niedrige Stabilität von neu gegründeten Gewerben und Unternehmen und infolgedessen eine hohe Mobilität zwischen Selbständigkeit, abhängiger Beschäftigung und Arbeitslosigkeit. Daher sind häufig unter den zeitweilig Selbständigen Versorgungslücken anzutreffen (vgl. Hinrichs 2010, S. 26). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass atypische Beschäftigungsverhältnisse das individuelle Niveau der Entgeltpunkte beeinflussen. Wie sich jedoch atypische Beschäftigungsverhältnisse auf Rentenansprüche und mögliche Armutsrisiken auswirken, hängt zum größten Teil von der Form und auch von der Dauer der Beschäftigung ab.
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