In diesem Abschnitt wird der Weg des deutschen Gesetzgebers zum heutigen AGG betrachtet, bevor dieses zum Mittelpunkt der Untersuchung gemacht wird. Eine eingehende Vorstellung der europarechtlichen Vorgaben oder gar des für diese prägenden US-amerikanischen ADEA erfolgt hier nicht mehr, insoweit sei auf andere Stellen verwiesen[10].
Vergleichsweise spät setzte die Debatte über eine allgemeine Gesetzgebung zum Diskriminierungsschutz in Deutschland ein, wenn man einen vergleichenden Blick in andere mitteleuropäische Staaten oder gar in den angloamerikanischen Rechtskreis wirft. Erst in der 13. Legislaturperiode wurden verschiede Gesetzentwürfe[11] vorgelegt, die einen breiteren Ansatz des Diskriminierungsschutzes anstrebten, diese wurden jedoch nicht weiter verfolgt. Ein weiterer Entwurf wurde am 10. Dezember 2001 in der 14. Legislaturperiode vorgelegt, er sah bereits einen weitreichenden und über die Anforderungen der Richtlinie hinausgehenden Schutz vor Benachteiligungen vor. Ein politischer Kompromiss kam jedoch nicht mehr zustande, so dass der Vorschlag nicht weiter verfolgt wurde. Nach heftigen Diskussionen in der 15. Legislaturperiode wurde am 15. Dezember 2004 der Entwurf[12] für ein Gesetz zur Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien von der Koalitionsfraktion vorgelegt. Neben weiteren Änderungen enthielt das Artikelgesetz in Art. 1 das Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung (Antidiskriminierungsgesetz – ADG). Dieser Entwurf wurde vom Bundestag am 17. Juni 2005 beschlossen. Am 8. Juli 2005 rief der Bundesrat jedoch den Vermittlungsausschuss an[13], welcher seine Arbeit nicht vor der Neuwahl des Bundestages am 18. September 2005 beenden konnte, wodurch das Gesetz Opfer der Diskontinuität wurde. In der 16. Legislaturperiode bestand nunmehr bereits erheblicher Zeit- und Handlungsdruck, da bereits Vertragsverletzungsverfahren wegen des Ablaufs der Umsetzungsfristen anhängig waren. Trotz unterschiedlicher Positionen der Koalitionsparteien konnte man sich dennoch bereits Anfang Mai 2006 auf einen Entwurf[14] einigen, der am 10. Mai 2006 vom Kabinett beschlossen und dem Bundesrat als besonders eilbedürftig am 17. Mai 2006 zugeleitet wurde. Letztlich beruht der Entwurf auf dem Gesetzesbeschluss aus der 15. Legislaturperiode, er enthielt jedoch auch neben der reinen Namensänderung (von ADG zu AGG) Abweichungen in einigen Punkten. In seiner Stellungnahme[15] vom 16. Juni 2006 meldete der Bundesrat zahlreiche Änderungswünsche an, die in Form weiterer Kompromisslösungen Eingang in den Gesetzesbeschluss[16] fanden. In der geänderten Form wurde das AGG als Art. 1 des RLUmG am 29. Juni 2006 vom Bundestag beschlossen. Nachdem der Bundesrat am 7. Juli 2006 auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichtete[17], wurde das Gesetz am 14. August 2006 vom Bundespräsidenten ausgefertigt, und am 17. August 2006 verkündet[18]. Es ist am 18. August 2006 in Kraft getreten[19].
Nach den soeben betrachteten diversen Verzögerungen kam es letztlich doch zur Verabschiedung des „Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung“ (RLUmG) vom 14. August 2006, mit dem auch die Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG erfolgt. Durch dieses Gesetz wird zum einen das AGG in Kraft gesetzt, worauf in der Folge noch genauer eingegangen wird, zum anderen erfahren jedoch auch andere Gesetze Änderungen, die hier kurz erwähnt werden sollen.
So ändert Art. 2 RLUmG das SoldGG, wobei zu beachten ist, dass die RL 2000/78/EG hierbei gemäß ihrem Art. 2 Abs. 5 unberücksichtigt bleibt. Neben den bereits erwähnten Änderungen durch die Art. 3 Abs. 3-6 RLUmG, erfolgt in Art. 3 Abs. 1 RLUmG eine Anpassung des ArbGG[20]. In der Folge werden durch Art. 3 Abs. 7-10 RLUmG einige Vorschriften der Bücher des Sozialgesetzbuches geändert[21]. Art. 3 Abs. 11 RLUmG enthält eine Änderung des BGleiG, Art. 3 Abs. 12 RLUmG eine des SG, in Art. 3 Abs. 13 RLUmG erfährt das SGG eine der Änderung des ArbGG vergleichbare Anpassung zur Verbandsbeteiligung.
Von besonderem Interesse dürfte hingegen sein, dass durch Art. 3 Abs. 14 RLUmG eine Aufhebung der §§ 611a, 611b und 612 Abs. 3 des BGB erfolgt, da deren Regelungen zum Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts nunmehr im AGG geregelt sind.
Es folgt noch eine Anpassung des SoldGG durch Art. 3 Abs. 15 RLUmG, sowie die Berücksichtigung des AGG in der ZPO durch die Einfügung einer Nr. 4 in § 15a Abs. 1 S. 1 ZPOEG mittels Art. 3 Abs. 16 RLUmG.
Art. 4 RLUmG verfügt zudem, dass mit Inkrafttreten des RLUmG das Beschäftigtenschutzgesetz, dessen Regelungen sich nun ebenfalls im AGG wieder finden außer Kraft tritt.
Art. 1 RLUmG enthält das AGG. Das noch junge AGG, welches sich bereits erheblicher Kritik ausgesetzt sieht[22], die auch das Gesetzgebungsverfahren einschließt, soll nun, als ein Schwerpunkt dieser Arbeit einer eingehenden Untersuchung hinsichtlich des Schutzes vor Altersdiskriminierung unterzogen werden. Diese Untersuchung erstreckt sich auf den Anwendungsbereich (1.), das Ziel des Gesetztes (2.), die Formen der Benachteiligung (3.), mögliche Rechtfertigungsgründe (4.), Rechtsfolgen (5.), sowie Fragen der Beweislast (6.) und befasst sich abschließend mit den Rechten des Betriebsrates und der Gewerkschaften (7.), sowie sonstigen Regelungen (8.).
Der persönliche Anwendungsbereich des AGG findet seine Definition in § 6 AGG, der neben Definitionen für die Begriffe Beschäftigte und Arbeitgeber auch eine teilweise Einbeziehung der Selbstständigen und Organmitglieder beinhaltet.
§ 6 Abs. 1 AGG enthält eine abschließende Aufzählung der erfassten Beschäftigten, wobei das AGG an bereits im Arbeitsrecht etablierte Begriffe anknüpft, so dass es hier keine eigenständigen Bedeutungen dieser Begriffe gibt[23]. Hiernach fallen unter den Anwendungsbereich des AGG:
Da hier der allgemeine Arbeitgeberbegriff Anwendung findet, lässt sich insoweit die klassische Definition „wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages zur Arbeit im Dienst eines anderen verpflichtet ist“ anwenden[24]. Dies erfasst auch geringfügig und befristet beschäftigte Arbeitnehmer.
Keine Arbeitnehmer sind jedoch Personen, die in einem öffentlich-rechtlichem Sonderverhältnis stehen, mithin Beamte, Richter und Soldaten, aber auch Zivildienstleistende und Teilnehmer an einen freiwilligen sozialen Jahr oder Strafgefangene und Fürsorgezöglinge[25].
Wichtig ist hier, dass der Begriff Berufsbildung weitergehender ist, als der Begriff Berufsausbildung, der sich anderen Gesetzten findet. Er erfasst nicht nur die Beschäftigten, die sich in einer Ausbildung befinden, sondern vielmehr auch diejenigen die sich in einer beruflichen Fort- oder Umschulung i.S.d. § 1 BBiG befinden[26].
In Bezug auf arbeitnehmerähnliche Personen lässt sich zunächst feststellen, dass sich diese aufgrund fehlender Eingliederung in die betriebliche Organisation oder sonstiger Freiheiten in einer geringeren persönlichen Abhängigkeit befinden als Arbeitnehmer, sie sind daher Selbstständige. Allerdings wird ihnen der den Arbeitnehmern zustehende arbeitsrechtliche Schutz zuerkannt, wenn sie sich in wirtschaftlicher Abhängigkeit zu einem Auftraggeber befinden, bzw. wenn sie einem Arbeitgeber vergleichbar sozial schutzbedürftig sind[27].
Eine Definition der Heimarbeiter findet sich in § 2 Abs. 2 HAG, auf welche hier verwiesen werden soll.
§ 6 Abs. 2 S. 1 AGG definiert als Arbeitgeber natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften, die Personen nach Abs. 1 beschäftigen. Diese Definition wird für die Themenkomplexe Leih- und Heimarbeit in den Sätzen 2 und 3 erweitert bzw. konkretisiert. So gilt bei einem Leiharbeitsverhältnis neben dem Verleiher auch der Entleiher als Arbeitgeber[28]. Für die Heimarbeiter wird der Auftraggeber bzw. der Zwischenmeister dem Arbeitgeber gleichgestellt um einen adäquaten Anwendungsbereich zu eröffnen[29].
Gemäß § 6 Abs. 3 AGG finden die Vorschriften des zweiten Abschnitts des AGG auch auf Selbstständige und Organmitglieder,...