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E-Book

Alterstraumatologie

VerlagGeorg Thieme Verlag KG
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl216 Seiten
ISBN9783132422131
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis52,99 EUR
Fundierte Entscheidungshilfe bei komplexen Frakturen im Alter Komplizierte Beckenfraktur, assoziiert mit Osteoporose, Multimorbidität oder Polypharmazie - wie gehen Sie das an? Wie beugen Sie einem Delir vor? Wie klären Sie demenziell erkrankte Patienten auf? Geriatrische Patienten sind auf ein interdisziplinäres Team angewiesen. Mit 'Alterstraumatologie' finden Sie den Schlüssel zu einem erfolgreichen ortho-geriatrischen Co-Management - für die beste Therapieentscheidung! Für Chirurgen. Erkennen Sie die Gesamtsituation einschließlich Komorbiditäten des Patienten. Verschaffen Sie sich einen Überblick über Implantate, Techniken und operative Strategien, vom Standardverfahren bis hin zu komplizierten Verläufe. Für Geriater. Überblicken Sie die Operationsverfahren und die chirurgischen Nachbehandlungskonzepte. Alles, was Ihr klinischer Alltag mit alterstraumatologischen Patienten erfordert: - Praxisnah: zahlreiche Kasuistiken zu Grenzfallentscheidungen und Implantatversagen, Assessment und wichtige Scores in der Geriatrie, spezielle geriatrische Nachbetreuung (Frühkomplexbehandlung, Fracture Liaison Services). - Kompakt: operative und konservative Optionen zu allen alterstypischen Frakturen, prä- und postoperative To-do-Checklisten. - Interdisziplinär: renommierte Fachexpertise aus Orthopädie/Unfallchirurgie und Geriatrie, individuelle interdisziplinäre Fallvorstellungen mit Fragen und Antworten.

Prof. Dr. med. Wolfgang Böcker: FA für Orthopädie und Unfallchirurgie, spezielle Unfallchirurgie, Notfallmedizin; Inhaber des Lehrstuhls für Unfallchirurgie und Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemeine, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum der LMU; klinische Schwerpunkte: Verletzungen der Wirbelsäule, komplexe Frakturen der großen Gelenke, alters- und osteoporoseassoziierte Frakturen, Versorgung periprothetischer Frakturen Dr. med. Ulla Stumpf: FÄ für Orthopädie und Unfallchirurgie, Osteologin DVO; Leiterin des Bereichs Osteologie der Klinik für Allgemeine, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie und stellvertretende Leiterin des osteologischen Schwerpunktzentrums DVO, Universitätsklinikum der LMU; klinische Schwerpunkte: Alterstraumatologie, Osteologie Priv.-Doz. Dr. med. Christian Kammerlander: FA für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sporttraumatologie; stellvertretender Ärztlicher Direktor und leitender Oberarzt der Klinik für Allgemeine, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie sowie Standortleiter Großhadern, Universitätsklinikum der LMU; klinische Schwerpunkte: Alterstraumatologie, ortho-geriatrisches Co-Management, Wirbelsäulen- und Beckenfrakturen, Versorgung periprothetischer Frakturen Univ.-Prof. Dr. med. univ. Markus Gosch, Msc, MAS: FA für Innere Medizin, Geriatrie; Chefarzt der Medizinischen Klinik 2 - Schwerpunkt Altersmedizin, Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität, Klinikum Nürnberg; klinische Schwerpunkte: Geriatrie, Polypharmazie, Alterstraumatologie

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Leseprobe

2 Besonderheiten des alten Menschen


2.1 Multimorbidität


M. Gosch

Die Multimorbidität ist ein wesentliches Charakteristikum des älteren Patienten. Dies spiegelt sich in der Definition des geriatrischen Patienten wider. Der geriatrische Patient ist definiert durch sein höheres Lebensalter (überwiegend 70 Jahre und älter) und seine geriatrietypische Multimorbidität, wobei der Aspekt der Multimorbidität vorrangig zu sehen ist oder allein durch ein Alter über 80 Jahre aufgrund der alterstypisch erhöhten Vulnerabilität, z. B. wegen des Auftretens von Komplikationen und Folgeerkrankungen, der Gefahr der Chronifizierung oder des erhöhten Risikos eines Verlustes der Autonomie mit Verschlechterung des Selbsthilfestatus.

Merke

Unter Multimorbidität versteht man das zeitgleiche Vorhandensein verschiedener Erkrankungen in einem Individuum. Demgegenüber beschreibt der Begriff Komorbidität das Vorhandensein zumindest einer zusätzlichen Erkrankung bei einem Patienten, welche im direkten Zusammenhang steht mit der Indexerkrankung.

Weitere wichtige Begriffe sind Krankheitslast und Komplexität. Unter Krankheitslast versteht man die Auswirkungen aller Erkrankungen auf den Gesundheitszustand eines Individuums, unter Berücksichtigung des jeweiligen Schweregrades sowie bestehender funktioneller Beeinträchtigungen. Die Komplexität erfasst zusätzlich noch alle sozialen Umstände eines Patienten. Gerade die Betreuung geriatrischer Patienten erfordert die Erfassung und Implementierung der Komplexität in den Behandlungsplan.

2.1.1 Komplexität


Die Komplexität eines geriatrischen Patienten lässt sich am besten anhand eines Beispiels und mithilfe des Comorbidity Construct darstellen ▶ [45] (  ▶ Abb. 2.1). Die Indexerkrankung ist dabei die Erkrankung, welche unmittelbar zur Aufnahme des Patienten führt. In der Alterstraumatologie ist das in den meisten Fällen die Fragilitätsfraktur. Die Komorbiditäten stehen in einem direkten Zusammenhang zur Indexerkrankung, für Fragilitätsfrakturen ist das z. B. die Osteoporose. Die Multimorbidität umfasst alle weiteren vorhandenen Erkrankungen, welche in keinem direkten Zusammenhang zur Indexerkrankung stehen. In unserem Beispiel sind dies die Herzinsuffizienz, die Hypertonie und die Depression. Welche dieser Erkrankungen in das Behandlungskonzept eingebunden werden muss, ist individuell zu entscheiden. Für die Beurteilung der Krankheitslast sind das Geschlecht, das Alter sowie die erwartete Lebenserwartung und gesundheitsbezogene Eigenschaften des Patienten zu berücksichtigen. Dies sind z. B. Faktoren, wie Mangelernährung, Harninkontinenz, Sarkopenie und Polypharmazie. Fließen dann noch die sozialen Faktoren ein, zeigt sich die Komplexität dieser Patienten.

Comorbidity Construct.

Abb. 2.1 

Fallbeispiel

Ein 88-jähriger Patient wird mit einer pertrochantären Fraktur eingeliefert. Er hatte sich die Fraktur bei einem Sturz auf dem Weg zur Toilette in seiner Wohnung zugezogen. Als weitere Erkrankungen finden sich beim Patienten eine Osteoporose, eine Herzinsuffizienz, eine Hypertonie sowie ein Diabetes. Laut dem mitgebrachten Medikationsplan nimmt er täglich 9 verschiedene Substanzen ein. Er gibt auch an, dass er mit dem Schlucken der Medikamente Probleme hat. Bereits in der Notaufnahme fällt auf, dass er zeitlich nicht orientiert ist und seine Angaben zum Sturz und zu seiner Lebenssituation widersprüchlich sind. Soweit zu erheben war, lebte er bisher alleine und war weitgehend unabhängig. Allerdings erhielt er Unterstützung von seinen Nachbarn und seinem Sohn. Um in seine Wohnung im ersten Stock zu gelangen, muss er eine Treppe bewältigen, was ihm in den letzten Wochen zunehmend schwerer fiel. Er hätte auch Gewicht verloren. Er bezieht Mindestrente und hat keine Pflegestufe.

Wie das Beispiel zeigt, ist es bei der Fülle der Informationen über einen einzigen Patienten schwer, den Überblick zu bewahren. Eine strukturierte Vorgehensweise erleichtert daher den weiteren Prozess und die Therapieplanung ( ▶ Abb. 2.2). Die Fraktur ist die Indexerkrankung und die Osteoporose die Komorbidität. Da ein unmittelbarer Zusammenhang besteht zwischen der Fraktur und der Osteoporose, bedeutet dies für die klinische Arbeit, dass neben der operativen Frakturbehandlung die Therapie der Osteoporose im Fokus der therapeutischen Überlegungen stehen muss. Die weiteren Erkrankungen (Herzinsuffizienz, Hypertonie, Diabetes) können für den Verlauf eine Rolle spielen, müssen aber nicht zwingend in den Therapieplan mit eingebunden werden, da ihnen keine unmittelbare Relevanz zugesprochen wird.

Comorbidity Construct des Beispielpatienten.

Abb. 2.2 

Die angeführten Parameter (männlich, hochbetagt, Lebenserwartung) haben einen wesentlichen Einfluss auf die Prognose und damit auf das Behandlungsziel. Die gesundheitsbezogenen Eigenschaften, wie Immobilität, Malnutrition und kognitive Beeinträchtigung, ergänzen das Bild des Patienten im Sinne des ganzheitlichen Ansatzes in der geriatrischen Medizin. Die genannten Symptome und Syndrome müssen in die Therapieplanung und die diagnostischen Prozesse mit einbezogen werden. Die nicht gesundheitsbezogenen (sozialen) Eigenschaften haben ebenfalls einen entscheidenden Einfluss auf die Therapiezielfindung. Das geriatrische Assessment kann hier Hilfestellung geben, die Krankheitslast und die Komplexität fass- und messbar zu machen. Das geriatrische Assessment ist definiert als multidimensionaler und interdisziplinärer Prozess zur systematischen Erfassung der medizinischen, funktionellen und psychosozialen Probleme und Ressourcen bei hochbetagten Patienten, um damit einen umfassenden Plan für die weitere Behandlung und Betreuung zu erstellen.

2.1.2 Therapieziel


Aufgrund der Komplexität der Patienten hat es sich in der Praxis gezeigt, dass eine frühzeitige Festlegung des Therapieziels die Planung des weiteren Behandlungsprozesses erheblich erleichtert.

In unserem Fall wäre das Ziel, dass unser Patient wieder in seine häusliche Umgebung zurückkehren kann, eventuell mit Unterstützung einer professionellen häuslichen Krankenpflege. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die angesprochene Komplexität frühzeitig erfasst und in die Planung mit einbezogen werden. Aus dem Modell heraus lassen sich relevante Probleme – aber auch Ressourcen – erkennen, welche das Erreichen des Behandlungsziels entscheidend beeinflussen können. Im Rahmen des Behandlungsprozesses müssen weitere Ziele, sog. Teilziele, benannt werden. Für unseren Fall lassen sich je nach Behandlungsphase verschiedene Teilziele benennen, z. B.:

  • operative belastungsstabile Versorgung innerhalb von 24–48 Stunden

  • Mobilisierung mit einem Rollator innerhalb der ersten Woche

  • Einleitung einer spezifischen Therapie der Osteoporose

  • Abklärung der Dysphagie

  • Reduktion von sturzfördernden Medikamenten und Optimierung der medikamentösen Therapie der Herzinsuffizienz

Das beschriebene systematische Vorgehen hat sich im Rahmen des orthogeriatrischen Komanagements bewährt und es hat einen wesentlichen Einfluss auf das Outcome der Patienten, aber auch auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb eines orthogeriatrischen Teams.

2.1.3 Priorisierung


Die hohe Prävalenz von Erkrankungen und funktionellen Einschränkungen stellt in der Betreuung geriatrischer Patienten eine besondere Herausforderung dar. Eine gleichrangige Behandlung aller Erkrankungen, Syndrome und Symptome führt rasch zu einer „Übertherapie“ mit überwiegend negativen Effekten für den Patienten. Entscheidend ist daher die Frage, was ist relevant, um das gesetzte Ziel der Behandlung zu erreichen und was ist weitgehend irrelevant. Auf Basis dieser Überlegungen, am Besten im Rahmen von ...

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