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E-Book

Amalie Dietrich

AutorCharitas Bischoff
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl312 Seiten
ISBN9783849623036
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Amalie Dietrich war Deutschlands bedeutendste Australien- und Naturforscherin, Botanikerin, Zoologin und Pflanzenjägerin im 19. Jahrhundert. Ihre Tochter Charitas Bischoff schrieb diese Biografie über ihr Leben und Wirken.

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Leseprobe

 


»Es ist unglaublich,« sagte Dietrich eines Tages, »weder die aus Tetschen noch die aus Berlin schicken das Geld für die Herbarien. Was soll denn werden? Der Lohn für die Stütze, der nach deinem Wunsche gleich ausgezahlt werden mußte, hat auch ein großes Loch in die Kasse gerissen, damit hätte man doch auch warten können!«

 

»Nein, damit konnte man nicht warten!« sagte Amalie hart.

 

»Gut. – Aber was weiter. Zweimal habe ich nun schon nach Tetschen geschrieben, einmal nach Berlin, keiner antwortet. – Was denken die denn, wovon man leben soll? – Es bleibt mir wahrhaftig nichts anderes übrig, als daß ich selbst nach Berlin reise, um Geld zu holen.«

 

Amalie drehte sich überrascht um und sagte bittend: »Das meinst du doch wohl nicht im Ernst? – Du kannst doch nicht darum nach Berlin reisen? Wir können uns doch unmöglich jedesmal unser Geld persönlich holen!«

 

Dietrich schüttelte ungeduldig den Kopf und sagte gereizt: »Wenn du dir doch kein Urteil in Dingen erlauben wolltest, von denen du absolut nichts verstehst! Wenn ich nach Berlin reise, so hole ich nicht nur das Geld, ich nehme doch Bestellungen an.«

 

»Und mich willst du hier ganz allein lassen? Ach, Wilhelm, ich bitte dich, geh doch nicht fort! – Ich weiß gar nicht, aber ich habe so eine bange Ahnung, als ob uns ein Unglück bevorstände! – Glaubst du eigentlich an Vorahnungen?«

 

»Unsinn! – Dir hängen noch so allerhand Reste von der Niederstadt an. Dergleichen gehört zur Krummbiegeln. Es ist nicht das erstemal, daß ich verreise, hoffentlich auch nicht das letztenmal. Du weißt doch, daß das Reisen zu unserm Beruf gehört. Gewöhne dich daran.«

 

»Du bedenkst nicht,« sagte Amalie klagend, »daß ich noch nie so allein zurückgeblieben bin, sonst waren doch meine Eltern hier. – Schluchzend fuhr sie fort: »Laß mich nicht so allein! Ich fürchte mich in dem alten unheimlichen Hause.«

 

»Na ja, vor bösen Geistern! Wie kann man nur so kindisch und unselbständig sein! Man merkt dir an, daß du nie vom Schürzenzipfel deiner Mutter weg gekommen bist. Mich verschone mit Ahnungen und Furchtvorstellungen. Laß uns lieber ganz sachlich überlegen, was während meiner Abwesenheit zu tun ist. Jetzt zeige, was du gelernt hast. Kannst du selbständig eine Sammlung Giftpflanzen herrichten? Das ist keine ganz einfache Sache, denn das Zeug schleicht sich in fast alle Klassen. Such' dir alles zusammen und dann zieh' auf. Das Aufziehen machst du prächtig, und daran hast du ja große Freude. Du hast Ruhe und Platz, alle Arbeitstische stehen dir zur Verfügung. Die Etiketten suche dazu aus, klebe sie aber noch nicht fest, ich möchte sie vorher sehen, damit keine falsche Bestimmung unterläuft. Nun mach' mal deine Sache so gut wie möglich!«

 

Amaliens Augen leuchteten in heller Freude, und sie fragte zärtlich: »Ach, glaubst du denn wirklich, daß ich das ohne dich fertig bringe?«

 

»Das möchte ich ja grade wissen! Es bringt dich einen großen Schritt vorwärts, wenn du ohne mich arbeiten kannst. Wenn ich erst wieder mehr ans Reisen komme, mußt du ja ohnedies alles allein tun.«

 

Dietrich traf seine Vorbereitungen und reiste ab. –

 

Amalie ging mit Eifer an ihre Aufgabe. Sie stand vor den hohen Gestellen und studierte an den Etiketten herum, dann holte sie die Trittleiter und kletterte auf und ab. Ein Paket nach dem andern holte sie herunter und suchte sich ihr Material zusammen. Also, – dachte sie bei sich, – für das »Aufziehen« hatte Wilhelm doch Anerkennung. Das war ja aber auch eine Freude, jeder Pflanze vor ihrem Ausgang in die Welt das möglichst günstigste Ansehen zu geben. Aus den grauen Löschpapierumhüllungen kamen sie nun auf das schöne, weiße Schreibpapier. Wie sorgsam suchte Amalie in den Vorräten herum, um möglichst schöne vollständige Exemplare zu finden. Mit Geschick und Geschmack ordnete sie jede einzelne Pflanze. Der schlanke Blütenstengel wurde durch kräftige Wurzelblätter ergänzt und vervollständigt, und, soweit es der Charakter der Pflanze erforderte, wurden Knospen und Samen beigefügt. Wie sorgsam ordnete Amalie, bis das Ganze ein möglichst gefälliges und vollständiges Bild bot. Oft stand sie auf, trat ein paar Schritte zurück und ließ das Bild aus der Ferne auf sich wirken, dabei glitt hin und wieder ein Lächeln über ihr Gesicht, wenn ihr die Erinnerung kam, wo und wann sie die Pflanze gesammelt hatte. Erst wenn sie ganz zufrieden war, befestigte sie die Pflanze mit gummierten Streifen. Sie hatte keine Empfindung von Einsamkeit, denn sie hatte sich mit voller Hingabe in ihre Arbeit vertieft. Nun aber kam die kleine Charitas und zupfte sie zaghaft am Ärmel.

 

»Na,« sagte Amalie freundlich, »dich armen kleinen Schelm hatte ich ja ganz vergessen! Was willst du denn?«

 

Das Kind zeigte auf die Trittleiter und sagte bittend: »Darf ich mit der Kletter spielen?«

 

Die Mutter lachte und sagte: »Wenn's nur kein Unglück gibt und das ganze kleine Charichen mit der großen Leiter umpurzelt?«

 

Das Kind schüttelte ernsthaft den Kopf und machte sich stöhnend daran, die Leiter ins andere Zimmer zu schieben, dabei rief es ächzend: »O wie schwer die Kletter is! Wie ich mich aber plagen muß!«

 

Lachend rief Amalie: »Du dummes, kleines Ding! Wer verlangt denn, daß du dich so plagst? Spiel' doch lieber mit der Hitsche, da fällst du auch nicht so tief, wenn die mal kippt. Wo willst du denn mit der Leiter hin?«

 

»Andere Stube, Tiere sehen.«

 

»Daß du aber nichts anfaßt! Denk an Vater!«

 

Amalie arbeitete weiter; das Kind war eine Weile ganz still, plötzlich aber kam es vergnügt angelaufen, es hatte sich eine der Botanisierkapseln über die Schulter gehängt; der Riemen war so lang, daß die Kapsel fast die Diele berührte.

 

»Mutter,« rief sie lebhaft, »ich bin gar nicht Täschen, ich bin Schneider-Agneschen, und hier ist meine Tasche, und da hab' ich einen Brief drin, und jetzt klopf' ich an, und da mußt du ›herein‹ sagen!«

 

»So? Na dann klopf nur! Herein!« Die Kleine öffnete mit drolliger Wichtigkeit die Kapsel und sagte: »Guten Morgen, Herr Dietrich, hier hätt' ich ein Briefchen für Sie!«

 

»Ich danke Ihnen. Bin ich etwas schuldig?«

 

»Nein, ist frankiert!« und lachend hielt das Kind der Mutter einen Brief hin.

 

»Woher hast du denn den Brief?« fragte die Mutter.

 

»O du Mutter!« rief die Kleine ärgerlich, »du machst mir gar keinen Spaß! Ich bin doch gar nicht dein Kind! Ich bin doch das Schneider-Agneschen!«

 

Amalie wollte den Brief gleichgültig hinlegen, da sie meinte, es sei ein Geschäftsbrief. Aber als ihr Blick auf die Handschrift fiel, wurde sie aufmerksam und fragte nochmals, aber jetzt hart und streng: »Woher hast du den Brief?«

 

»War in der Schlafstube, und da hing Vaters Rock. – Wollte dir einen Pfennig bringen, – war keiner. – Aber der Brief war da. Mutter, nicht böse sein! – Nicht wieder tun! –«

 

Die Kleine steckte weinend das Gesicht in den Rock der Mutter; denn die Mutter, ach, die sah so anders aus, als einige Minuten vorher. Und die Stimme erst! Die war so ganz fremd und kalt! Endlich sagte die Mutter: »Geh zu Tante Clärchen und frag', ob du heute da bleiben kannst!«

 

»Ach nein, Mutter! So gern bei dir bleiben. Nicht zu Tante Clärchen! Will artig sein, ganz gewiß artig sein! Nie wieder einen garstigen Brief bringen!«

 

»Geh!« sagte die Mutter und schob die Kleine von sich.

 

Amalie legte den Brief stöhnend beiseite.

 

»Also deshalb die Reise nach Berlin!« sagte sie tonlos und stand auf. Ach, dieses unheimliche Rauschen in ihrem Kopf! Als ob brausende Wassermassen auf sie zustürzten, so war ihr zumute.

 

»O Gott! Also darum!«

 

Ein wilder Schmerz schüttelte sie.

 

Ihr Blick fiel auf ihre Arbeit. »Giftpflanzen!« rief sie verächtlich, »ja, du hast recht, sie finden sich in allen Klassen!«

 

Zitternd fuhr ihre Hand über die schön geordneten Pflanzen. O, dies Weh! Nein, das hielt sie nicht aus! Der Mühlgraben! – Nach dem Mühlgraben mußte...

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