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E-Book

Ameisen

AutorHanns Heinz Ewers
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl309 Seiten
ISBN9783849642808
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Entgegen seinen sonstigen literarischen Gewohnheiten befasst sich Ewers in diesem populärwissenschaftlichen Werk mit der Gattung der Ameisen, einer Tierart, die ihn seit jeher fasziniert hat.

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Leseprobe

Winterschlaf

 

Wenn die Sittenprediger aller Zeiten immer wieder dem Menschen die Ameisen als leuchtendes Beispiel für Fleiß und Arbeitsamkeit vorhielten, so hatten sie damit doch nur halb recht. Denn es gibt, wie in der Menschheit, auch bei den Ameisen regelrechte Faulenzer. Wir werden ganze Völker kennen lernen, die es fertig gebracht haben, überhaupt nichts zu tun, sondern alle Arbeit andern Ameisen, ihren Sklavinnen, zu überlassen. Aber auch die fleißigsten Ameisen arbeiten – wenigstens in den nördlicheren Ländern – durch Monate hindurch garnichts. Zu holen ist im Winter nichts mehr in der freien Natur: Jagd, Viehzucht, Körnersammeln – alles hat aufgehört. So bleiben die Tiere still in ihrem Nest. Sie essen nur sehr wenig von ihren Vorräten, verrichten nur die allernotwendigsten Arbeiten. Sie schlafen nicht eigentlich; drängen sich nur eng aneinander und dösen so vor sich hin. Sie machen's also, wie rings Wald und Flur und manche Tiere – erst wenn die Frühlingsstürme durchs Land brausen, erwachen sie zu neuem Leben.

 

Versammlungen

 

Ich habe in vielen Landen der Erde Massenversammlungen mitgemacht, in Sälen, Hallen, Kirchen oder unter freiem Himmel. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie Geruch und Gehör beleidigen: Menschenmassen stinken und schreien. Manchmal wird man dazu noch gedrängt und gequetscht, sodaß auch das Gefühl leidet.

 

Eins aber habe ich bei Menschenversammlungen immer gewußt: es war mir stets klar, warum eigentlich diese Menschen zusammenströmten.

 

Nun habe ich mir oft große Mühe gegeben, mich in die Ameisenseele hineinzudenken, was einem Dichter immerhin leichter sein mag als einem Gelehrten. Ich glaube auch, daß mir das gelungen ist – nie doch habe ich begreifen können, wozu die Ameisenvölker Massenversammlungen abhalten.

 

Denn sie tun es; tun es draußen in der Natur, wie auch im künstlichen Neste. Sie kommen plötzlich alle zusammen heraus, setzen sich still und ruhig hin, viele Stunden lang. Sie sprechen nicht miteinander, betrillern sich nicht mit Fühlerschlägen. Sie bewegen ein wenig den Hinterleib, so wie etwa ein Hund mit dem Schwanze wedelt; auch die Fühler bewegen sie ganz langsam hin und her.

 

Es ist das sehr auffallend, wenn man bedenkt, daß kein Geschöpf auf Erden so an rastlose, nur durch Schlaf oder gelegentliche kleine Spiele unterbrochene Arbeitstätigkeit gewohnt ist, wie die Ameise.

 

Was treiben die Emsen nun – welchen Zweck haben diese Versammlungen des ganzen Volkes?

 

Beraten sie gemeinsam über irgendetwas dem Staatswohle Wichtiges?

 

Beten sie, wie Menschen in der Kirche, danken sie dem Schöpfer dafür, daß er sie zur Krone der Insektenschöpfung gemacht hat?

 

Singen sie ein stilles ›Te Deum Laudamus‹ zur Erinnerung an ihren letzten Sieg über ein feindliches Volk?

 

Oder halten sie nur einen Ruhetag ab, einen Tag der Sammlung, einen stillen, beschaulichen Festtag nach soviel Arbeitstagen?

 

Vielleicht nichts von dem allen, vielleicht überhaupt nichts, was Menschengeist heute zu begreifen imstande ist.

 

Doch mag es sein, daß wir auch dies Rätsel noch einmal lösen. Und ich glaube fast, daß wir dann wissen werden, daß diese Zusammenkünfte der stillen Ameisen einen sehr viel vernünftigeren Zweck haben, als alle Massenversammlungen der Menschen!

 

Ernährung

 

Jedes menschliche Volk hat seine eigenen Sitten, Gebräuche und Lebensgewohnheiten – nicht anders ist es bei den Ameisen. Überall Trennendes, überall Besonderes – dennoch aber in großen Zügen sehr viel Gemeinschaftliches. Ist das Besondere auch stets das mehr fesselnde, so ist es doch nicht verständlich, wenn wir nicht erst das Gemeinsame kennen.

 

Der Mensch und jedes andere lebende Wesen hat das Bestreben, sich und seine Art am Leben zu erhalten und fortzupflanzen – diesem Bestreben entspringen alle Lebensgewohnheiten.

 

Da ist nun die wichtigste Sorge jedes Tages die Ernährung.

 

Wir haben Tierarten, die reine Fleischfresser sind, andere, die sich nur von pflanzlicher Nahrung ernähren. Wir haben Arten, die Allesfresser sind und wieder solche, die sich an eine ganz bestimmte Nahrung gewöhnt haben. Bei den Menschen aber – und bei den Ameisen – finden wir das alles zu gleicher Zeit. Es gibt nördliche Stämme, die, wie die Eskimos, nur Fleischnahrung zu sich nehmen, indische, die sich nur von Reis nähren, arabische, die sich auf Datteln beschränken. Ich kenne einen mexikanischen Indianerstamm, der ausschließlich von den Gaben des Meeres lebt, von Fischen und Muscheln, während der Europäer im allgemeinen alles verzehrt, was nur einigermaßen schmeckt und bekömmlich ist. Genau dasselbe Bild zeigt die Ameisenheit. Wie die Menschheit war sie ursprünglich auf Fleischnahrung aus: Jägervölker. Auch heute noch haben wir solche Arten, die Stachelameisen und die Wanderameisen. Im allgemeinen aber sind die Ameisen heute, wie die Menschen, Allesfresser; manche Arten sind dann zur Pflanzenkost übergegangen und einige wenige haben sich gar auf eine ganz bestimmte Nahrung eingestellt. Alle aber vermögen, wenn dies nottut, von der einen auf die andere Nahrungsweise überzugehen.

 

Die fleischfressenden Ameisen nehmen tote wie lebende Nahrung. Tot, ist ihnen kein Tier zu groß, um nicht schließlich damit fertig zu werden.

 

Allgemein beliebt als Nahrung ist fremde Brut; aber auch die eigene wird nicht verschmäht. Ja, eine Art hat gar das Fressen erwachsener Schwestern zum Gesetz erhoben: die Völker der soldatenfressenden Sparameise schlachten jeden Winter regelmäßig eine Anzahl ihrer größten Soldatinnen.

 

Alles Süße mundet den meisten Ameisen trefflich, alles was übel riecht, rühren sie nicht an – genau wie die Menschen. Sie hassen also die Exkremente aller Fleischfresser, dagegen lieben sie Honig, süße Harze und alle möglichen süßen pflanzlichen Ausscheidungen; sie nehmen solch süße Ausscheidungen auch von andern Tieren, wie von Blattläusen, Zirpen und Raupen. Im Grunde ist diese Nahrung ja auch eine pflanzliche, die freilich durch einen fremden Tierkörper erst durchgegangen ist.

 

An rein pflanzlicher Nahrung werden Samen bevorzugt, auch Früchte. Ganz einseitig in ihrer Nahrung sind neben den Termitenjägerinnen einige Arten des tropischen Amerika, die Pilze züchten und sich ausschließlich davon ernähren. Auch die Honigameisen. Diese Arten, wie auch manche Jägervölker, sammeln in Vorratskammern große Mengen von Nahrungsmitteln an, die es ihnen ermöglichen, magere Zeiten zu überstehen. Eine solche Vorratskammer im kleinen trägt freilich stets jede Emse bei sich: ihren Kropfmagen. Wenn eine Ameise Nahrung zu sich nimmt, so nährt sie damit doch noch nicht sich selbst; das ist erst dann der Fall, wenn sie den Verschluß ihres Kropfmagens öffnet und von ihm ein wenig Nahrung in ihren eigentlichen, den Privatmagen übertreten läßt. Der Kropfmagen ist nichts anders, als ein Marktkorb, ein Lebensmittelsack, vergleichbar den Backentaschen der Affen. Mit dem Unterschied jedoch, daß der Affe in seinen Taschen die Speisen aufbewahrt, welche er nicht rasch genug kauen kann – die er aber gewiß sich selbst einverleibt, sowie er nur Zeit dazu hat. Der Kropfmagen der Ameise aber dient nur zum geringsten Teile der eigenen Ernährung: er gehört dem ganzen Volke. Es ist ein sozialer Magen, oder besser ein nationaler Magen, denn nur in seltenen Fällen – und dann zum Schaden des Volkes – werden aus ihm andere Geschöpfe, als Volksgenossen, gefüttert. Die Ameise nimmt sehr viel Nahrung zu sich, gebraucht davon aber für sich nur das allernotwendigste, so wenig, daß sie eigentlich immer hungrig ist. Ihr nationales Bewußtsein ist so stark, daß sie sich selbst stets hinter das Wohl des Volkes zurücksetzt.

 

Nur ein Teil des Volkes zieht aus auf Nahrungserwerb, während der andere, in strenger Arbeitsteilung, die Arbeiten im Haus verrichtet. Kehrt nun eine Emse zurück, so kommt zugleich eine andere zu ihr hin, betrillert sie mit den Fühlern, streichelt sie mit den Vorderbeinen, beleckt sie –

 

– Ich werde nie die Entrüstung einer älteren Dame über eine Stelle in einem meiner Bücher vergessen. Sie war eine Freundin meiner Mutter und eine richtige alte Jungfer. Sie war Malerin, zeichnete und aquarellierte recht hübsch; sie empfand sich ein bißchen als Künstlerin und tat, was sie nur konnte, sich aus dem Dunstkreise des alten Hamburger Patrizierhauses, dem sie entstammte, herauszuentwickeln. Sie reiste viel und konnte nicht genug zusammenlesen – in meiner Mutter Hause fand sie reiche Schätze, die in Hamburg in keiner guten Familie je geduldet worden wären. Mit...

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