In diesem Kapitel werden durchgeführte Studien zum Thema Working Capital Management vorgestellt. Dabei wird zuerst ein umfassender Überblick über die verschiedenen Arten der Studien gegeben und dann auf die Erkenntnisse der Studien eingegangen. Anschließend erfolgt eine Zusammenfassung des Forschungsstandes in Deutschland.
Nach der Analyse vorhandener Studien die sich mit dem Thema WC beschäftigen, können diese, drei verschiedenen Arten zugeordnet werden. Zum einen werden Befragungen durchgeführt, die zumeist von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bzw. Unternehmensberatungen veröffentlicht werden. Diese geben die aktuelle Meinung über Nutzung und Relevanz des Themas WCM in Unternehmen wieder. Zum anderen werden univariate und multivariate Inhaltsanalysen durchgeführt, welche WC Kennzahlen analysieren bzw. Zusammenhänge zu anderen Kennzahlen untersuchen. Dabei werden Univariate meist von Beratungsgesellschaften und Multivariate von wissenschaftlichen Einrichtungen erhoben. Die Dr. Wieselhuber & Partner GmbH (2004) weist dazu in seiner Studie zum Working Capital Management darauf hin: „Die Selektion einzelner korrelativer Zusammenhänge von Variablen bleibt der empirischen Betriebswirtschaftslehre als Forschungsdisziplin vorbehalten. Für Praktiker sind robuste Umsetzungsmaßnahmen und -prozesse relevant, die in die Führungspraxis einfließen sollen. Als Unternehmensberatung sind wir diesem Ziel in allererster Linie verpflichtet.“[140]Weiterhin sollte hier erwähnt werden, dass Unternehmensberatungen eigene Ziele mit der Veröffentlichung solcher Analysen verfolgen. Aus diesem Grund sind solche Analysen mit der nötigen Vorsicht zu betrachten.
Im Folgenden werden aus allen drei Bereichen einzelne Analysen vorgestellt.
Befragungen sollen die aktuelle Stimmung zum Thema Working Capital messen. Deswegen werden diese Untersuchungen meist in bestimmten Zeitabständen wiederholt.
KPMG betrachtete im Jahr 2005 die Steuerung von Working Capital in europäischen Unternehmen. Dazu wurden mittelständische und große Unternehmen aller Industriezweige in 12 Ländern Europas befragt.
Die Ergebnisse zeigen, dass die meisten Unternehmen ein WCM für sehr wichtig halten, jedoch zumeist andere Unternehmensziele für wichtiger erachten. Während ein kleiner Teil ein ganzheitliches WCM betreibt, betrachtet eine größere Anzahl von Unternehmen nur losgelöste Ansätze in den einzelnen WC-Stellhebeln.[141]Kleinere Unternehmen[142]erachten ein WCM als wichtiger, haben jedoch im Vergleich zu größeren mehrheitlich keinen ganzheitlichen WCM Ansatz definiert. Weiterhin geht aus der Studie hervor, dass zur Messung der WC Performance größtenteils die Kennzahlen Forderungsreichweite (DSO), Verbindlichkeitenreichweite (DPO) und Bestandsreichweite (DIH) genutzt werden.[143]
Horvath & Partners (2007) führt regelmäßig eine Studie zur Steigerung der Kapitaleffizienz durch. Zuletzt wurde diese im Jahr 2007 vorgestellt. 100 Unternehmen sind dabei befragt und die Bilanz und GUV von 656 Unternehmen aus verschiedenen Branchen mittelgroßer und großer Unternehmen analysiert worden. 50 % der befragten Unternehmen räumten dem WCM in Zukunft eine zunehmende Bedeutung ein. Weiterhin sahen mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer den größten Nutzen eines WCM in der Liquiditätsverbesserung. Die größte Handlungsnotwendigkeit erachten über 75 % der Studienteilnehmer in dem Bereich Vorräte.[144]
Diese Befragungen bestätigen einige bereits im Kapitel 2 angesprochene Trends und Gefahren, sollten jedoch mit der entsprechenden Vorsicht betrachtet werden. Das Ziel solcher von Privatunternehmen durchgeführten Analysen besteht zumeist darin, Schwachstellen herauszuarbeiten, jedoch im Endeffekt auch darin Ihre eigene Beratungsleistung für diese Problemfelder anzubieten.
Inhaltsanalysen können in univariate und multivariate Analysen unterschieden werden. Im Folgenden wird auf beide Arten getrennt eingegangen.
Univariate Analysen
Die Studien mit univariaten Analysen werden genauso wie Befragungen meist in regelmäßigen Abständen durchgeführt um nicht an Aktualität zu verlieren. Dabei wurden beim WCM die relevanten Daten aus den Finanzdaten von Unternehmen gewonnen um dann den aktuellen Stand im Working Capital zu ermitteln. Die hier recherchierten Analysen dienen zumeist dazu, aktuelle Schwachstellen im WCM aufzudecken und aufzuzeigen wo Handlungsbedarf besteht. Auch hier ist auffällig, dass die größte Anzahl dieser Analysen von Unternehmensberatungen durchgeführt wurden.
Die Economist Group mit dem Magazin CFO Europe und das Beratungsunternehmen REL führen alle 2 Jahre eine Studie[145]über die Working Capital Performance der 1000 größten Unternehmen mit Hauptsitz in Europa durch. Hier werden die Finanzdaten der Unternehmen analysiert und vor allem die WC Werte Forderungsreichweite, Bestandsreiche, Verbindlichkeitenreichweite und Reichweite des Working Capital aller Unternehmen verglichen.[146]
Ziel der CFO Europe Studie ist es, die besten und schlechtesten Unternehmen im WC jeder Branche und jedes europäischen Landes herauszuarbeiten, Entwicklungen darzustellen und letztendlich Potenzial im WC aufzeigen. Durch die jährlich durchgeführten Untersuchungen können Entwicklungen über mehrere Jahre betrachtet werden. In der im August 2008 herausgegebenen Studie wurden beispielsweise die besten und schlechtesten Unternehmen im 10 Jahres Vergleich bestimmt. Bestes Unternehmen wurde hier Telefonica (Spanien) die über 9 Mio. € Kapital durch eine Optimierung des WC freisetzen konnten. Auf der anderen Seite hatte BP (Großbritannien) mehr als 18 Mio. zusätzliches Kapital im WC gebunden. Diese Studie bietet außerdem einen guten Anhaltspunkt für Verbesserungen im WC für große
Unternehmen.[147]Diese Herangehensweise sollte aber auch kritisch betrachtet werden. Eine Reduzierung der Kapitalbindung im WC ist grundsätzlich anzustreben, jedoch bringen zu geringe Vorräte und Forderungen und zu hohe Verbindlichkeiten auch Risiken mit sich.[148]Es ist deshalb nicht immer ratsam, Unternehmen welche die besten Werte im WC ausweisen als beste Unternehmen darzustellen. Die Studie zeigt jedoch Tendenzen und Möglichkeiten auf, inwieweit ein WCM zur Verringerung der Kapitalbindung eingesetzt werden kann und bietet eine gute Vergleichsmöglichkeit für Unternehmen.
Eine im Jahr 2004 durchgeführte Untersuchung der Beratungsgesellschaft Dr. Wieselhuber & Partner GmbH geht erstmals explizit auf das Working Capital von mittelständischen Unternehmen in Deutschland ein.[149]Bei mehr als 1000 Unternehmen aus 16 Branchen wurden dabei die Jahresabschlüsse von 2001 bis 2003 untersucht. Die Untersuchungen des WC ergaben Unterschiede zwischen den Branchen und Unterschiede im Bezug zur Unternehmensgröße. Es wurde bestätigt, dass Deutschland international in den WC Werten noch hinter anderen Ländern zurückliegt. Schwierig bei dieser Studie ist allerdings zu bewerten, inwieweit die Ergebnisse für den Mittelstand gelten und was die Dr. Wieselhuber & Partner GmbH als Mittelstand definiert. Es wurden keine Angaben über die Verteilung der Unternehmen nach Umsatz gemacht. Allerdings bietet diese Studie einen guten Überblick über den Einfluss der Branche und der Größe von Unternehmen auf das WC. Aufgrund der Anzahl der untersuchten Unternehmen konnten gute Rückschlüsse auf die WC Performance des deutschen Mittelstandes gezogen werden.
Die von der FAS AG im Jahr 2005 durchgeführte Studie Working Capital – ein Baustein zur wertorientierten Unternehmensführung, vergleicht erstmals deutsche mit internationalen (weltweit) Großunternehmen. Hierbei wurden die Bereiche Forderungen und Vorräte von Unternehmen verschiedener Aktienindizes (DAX, MDAX, SDAX, FTSE, NYSE) betrachtet. Ziel der Untersuchung war es, Länder und Branchen zu vergleichen. Ergebnisse dieser Studie sind: deutsche Unternehmen besitzen eine höhere Forderungslaufzeit im internationalen Vergleich, kleinere Unternehmen weisen eine höhere Forderungslaufzeit auf und wesentliche Unterschiede bestehen zwischen den Branchen in Deutschland. Auch im Vorrat binden nach dieser Studie große Unternehmen in Deutschland mehr Kapital als vergleichbare Unternehmen anderer führender Industrienationen. Weiterhin verbesserte sich die Bindung von Kapital im Vorrat und in den Forderungen im Zeitverlauf. Kritisch sollte hier betrachtet werden, dass die zur Berechnung herangezogenen Werte auf unterschiedlichen Bilanzierungsgrundätzen (IFRS und US-GAAP) beruhen und die Vergleichbarkeit dadurch einschränkt ist.[150]
Auffallend bei den hier vorgestellten univariaten Analysen ist, dass diese erst nach dem Jahr 2000 vermehrt Einzug gehalten haben. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass Beratungsunternehmen einen immer größer...