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Anatomie der Haustiere

Lehrbuch und Farbatlas für Studium und Praxis

VerlagGeorg Thieme Verlag KG
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl856 Seiten
ISBN9783132425118
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis179,99 EUR
Lebendige Anatomie Die Kombination aus Lehrbuch und Atlas vermittelt das komplette Spektrum der systematischen und topographisch-klinischen Anatomie. Auf über 1.100 herausragenden Abbildungen werden u. a. makroanatomische und histologische Präparate, Scheibenplastinate, Zeichnungen und bildgebende Verfahren gezeigt. Dabei öffnet Ihnen das Zusammenspiel von Schnittbildanatomie und modernen bildgebenden Verfahren (CT bis MRT und Ultraschall) den Blick für praktisch-diagnostische Gesichtspunkte anatomischer Sachverhalte. Sie finden zahlreiche klinische Anwendungen, wie z. B. Endoskopie beim Pferd, Liquorpunktion, Untersuchung des Euters oder Laparotomie. Neben Aktualisierungen, neuen Bildern und Grafiken ist auch das Kapitel 'Geflügelanatomie' ganz neu hinzugekommen.

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Leseprobe

1 Einführung und allgemeine Anatomie


H.-G. Liebich, G. Forstenpointner und H. E. König

1.1 Geschichte der Tieranatomie


G. Forstenpointner

Die Morphologie als Lehre von der Form der Dinge wurde bereits von Aristoteles, ihrem Begründer, als die auf strikten methodischen Vorgaben basierende Suche nach den Bauprinzipien aller erfassbaren Strukturen definiert, die immer auch nach den funktionellen Ursachen für die festgestellten Befunde zu fragen hatte. Dieser wissenschaftliche Zugang, mit dem sich der große Schüler Platons grundlegend von den früheren griechischen Naturphilosophen abhob, hat bis heute als Richtschnur für alle Bereiche der Grundlagenforschung volle Gültigkeit bewahrt.

Aristoteles hat zweifellos selbst anatomische Forschungen betrieben; sein »Buch über die Anatomie« (eigentlich über das »Zerteilen«) ist zwar verloren, aber eine Reihe von Verweisen in der »historia animalium« gibt nicht nur Aufschluss über die inhaltlichen Schwerpunkte des Werkes, das sich vor allem mit den Verdauungs- und Geschlechtsorganen auseinandersetzte, sondern belegt auch, dass Aristoteles seine Befunde durch schematische Abbildungen illustrierte. Viele seiner Beobachtungen waren natürlich unvollständig und wurden deshalb von ihm auch falsch interpretiert, manche funktionelle Überlegungen, wie z.B. die Gedanken »zur Fortbewegung der Lebewesen«, sind aber auch heute noch lesenswert. Für den Lehrer Aristoteles war der erzielbare Wissenszuwachs Grund genug für seine Forschungen, diese Motivation ist auch bei seinem direkten Epigonen Theophrastos von Eresos oder den römischen Naturforschern wie Plinius und Aelian noch fassbar.

Fast zweitausend Jahre mussten aber vergehen, ehe von den Humanisten des 15. und 16. Jahrhunderts die morphologische Forschung und damit auch die Auseinandersetzung mit der Tieranatomie im aristotelischen Sinn wieder aufgenommen wurde. Vor allem in Italien führte das Studium des tierischen und menschlichen Körpers zu einer Fülle bemerkenswerter neuer Erkenntnisse für die vergleichende Anatomie, deren Beschreibungen sich nicht nur durch äußerste Akribie, sondern auch durch die künstlerische Qualität ihrer Abbildungen auszeichneten.

Unter den Forscherpersönlichkeiten der frühen Neuzeit genießt der universell interessierte Leonardo da Vinci den bei weitem höchsten Bekanntheitsgrad, hervorragende Arbeiten stammen aber auch von Fabrizio d’Acquapendente, der das erste vergleichend embryologische Werk vorlegte (»De formatu foetu«, 1600) oder von Marcello Malpighi, der sich unter anderem mit der Entwicklung des Hühnerembryos im Ei auseinandersetzte (»Opera omnia«, 1687). Anfänglich durch die Restriktionen einer politisch instabilen Umwelt und auch von Seiten der Kirche immer wieder behindert, leitete diese Entwicklung letztendlich das »goldene Zeitalter« der vergleichenden Morphologie ein, das von der Mitte des 18. bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert durch die bemerkenswerte Produktivität einiger außergewöhnlicher Naturforscher geprägt wurde.

Der große englische Anatom Richard Owen zählte ebenso zu den Protagonisten dieser wissenschaftlichen Zielrichtung wie die deutschen Gelehrten Johann Friedrich Meckel und Caspar Friedrich Wolff. Die seit Anfang des 20. Jahrhunderts zunehmend fassbare Umorientierung der zoologischen Forschung führte einerseits zur Formulierung wesentlicher neuer Fragestellungen und damit auch zur Entwicklung neuer Forschungszweige, andererseits aber zu einer Abkehr von anatomischen Inhalten, die in mancher Hinsicht bedauerlich ist und wohl auch nicht den Intentionen des Begründers der Morphologie entspricht.

Anatomische Kenntnisse stellen aber nicht nur eine Bereicherung des allgemeinen Wissensschatzes dar, sondern gehören auch zu den wesentlichen Voraussetzungen für erfolgreiches ärztliches Handeln. Während der ganzen Antike und noch bis in das ausgehende Mittelalter war jedoch die anatomische Erforschung des menschlichen Körpers aus religiösen und ethischen Gründen äußersten Einschränkungen unterworfen und meistens dezidiert verboten. Auch Aristoteles selbst scheint seine einzigen Befunde zur menschlichen Anatomie aus der Untersuchung einer Fehlgeburt im Embryonalstadium gewonnen zu haben. Ausnahmen von diesem Rechtszustand sind nur selten überliefert, wobei die hellenistische Schule von Alexandria vor allem deshalb einen hohen Bekanntheitsgrad erlangte, da unter Herophilus und Erasistratos sehr wesentliche neue Erkenntnisse zur Neuroanatomie durch die Vivisektion verurteilter Sträflinge ermöglicht wurden.

Die Tieranatomie schien deshalb eine Möglichkeit zu bieten, grundsätzliche Aufschlüsse zu den Bauprinzipien eines lebenden Körpers zu erhalten und diese auf deduktivem Weg auf die menschliche Physis in Anwendung zu bringen. Claudius Galenus, der unter den Kaisern Marc Aurel und Commodus zum bekanntesten und einflussreichsten Arzt Roms aufstieg, verfolgte diesen Weg in derart konsequenter und überzeugender Form, dass seine Lehren für die darauf folgenden 1500 Jahre in weitgehend unverändertem Wortlaut die unhinterfragte Grundlage des anatomischen Wissens darstellten. Galen verstand sich selbst in erster Linie als Arzt, aber er hatte seinen Aristoteles genau gelesen, und sein Zugang zum anatomischen und physiologischen Verständnis basierte weitgehend auf der »Natur der Dinge« im aristotelischen Sinne. Die daraus resultierende Verständlichkeit und Rationalität seiner Lehren mag als wesentlicher Grund für ihren nachhaltigen Erfolg gelten. Galens Anatomie ist in sich schlüssig, krankt aber einerseits an der falschen Interpretation wesentlicher Systeme, wie zum Beispiel des Herzens und der großen Gefäße, andererseits an der direkten Anwendung tieranatomischer Befunde auf die Verhältnisse des menschlichen Körpers. So wird mangels eigener Erkenntnismöglichkeit beim Menschen das eigentlich für Paarzeher typische Rete mirabile epidurale, ein Blinddarmformat wie bei Herbivoren und ein Uterus mit Kotyledonen vermutet.

Ganz in der Tradition Galens stehend, ist der um 1100–1150 in Salerno verfasste Text zur Anatomie des Schweines (»Anatomia porci«, einem Copho oder Kopho zugeschrieben) keineswegs als erste veterinäranatomische Publikation zu bezeichnen, sondern diente einzig und allein als Lehrbehelf für den Anatomieunterricht von Humanmedizinern. Die in diesem Text enthaltene und auch heute noch in sehr unkritischer Weise tradierte Aussage, dass Schweine von allen Tierarten dem Menschen am ähnlichsten seien, resultiert wohl nicht nur aus den durchaus vergleichbaren Ernährungsgewohnheiten, sondern auch aus der höchst unproblematischen Verfügbarkeit derartigen Studienmaterials.

Das Zeitalter der Renaissance brachte die Enttabuisierung von anatomischen Untersuchungen an menschlichen Leichen mit sich und Andreas Vesalius steht mit seinem monolithischen Werk (»De humani corporis fabrica«, 1543) am Beginn einer anfangs zögerlich einsetzenden, letztlich aber die Sicht des menschlichen Körpers revolutionierenden Entwicklung. Die Anatomen der frühen Neuzeit, die sich meist auch als Naturforscher sahen, betrieben aber weiterhin Tieranatomie und erarbeiteten grundlegende Erkenntnisse zu verschiedensten morphologischen Fragestellungen. Vesalius selbst erkannte, dass das Rete mirabile epidurale eine für die Wiederkäuer typische Formation darstellte. Johann Conrad Peyer, der Entdecker der nach ihm benannten Peyer-Platten (Lymphonoduli aggregati der Darmschleimhaut) beschrieb in eindrucksvoller Weise Form und Funktion der Wiederkäuermägen (»Merycologia sive de ruminantibus et ruminatione commentarius«, 1685) ( ▶ Abb. 1.1). Die vergleichende Anatomie stellte dementsprechend seit ihrer Frühzeit und vermehrt noch nach der Hinwendung der zoologischen Forschung an nicht morphologisch geprägte Fragestellungen immer auch eine Domäne humananatomisch orientierter Forschungsstätten dar.

Abb. 1.1 Titelblatt zur »Merycologia« von Johann Konrad Peyer, Basel, 1685.

Abb. 1.2 Frühe Darstellung der Körperregionen mit Benennung von Gefäßen des Pferdes, Valentin Trichter, 1757.

Während der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts haben Versuchstiermodelle zur Optimierung therapeutischer Ansätze enorm an Bedeutung gewonnen, wobei die zur Umsetzung dieser experimentellen Konzepte notwendige morphologische Grundlagenforschung mehrheitlich von Humananatomen durchgeführt wird. Aus historischer Sicht bemerkenswert erscheint die Tatsache, dass sich ähnlich wie im deduktiven Zeitalter der anatomischen Forschung die Auswahl der als Modell herangezogenen Tierarten eher nach deren Verfügbarkeit als nach der tatsächlichen morphologischen Vergleichbarkeit ausrichtet.

Die Veterinäranatomie im eigentlichen Sinne, als Grundlage und Voraussetzung für die Ausübung des tierärztlichen Berufes, ist erst seit wenigen Jahrhunderten als Lehr- und Forschungsfach fassbar. Aus den antiken und mittelalterlichen Texten zur Tierheilkunde lässt sich ableiten, dass viele Autoren über mehr oder weniger genaue Kenntnisse der Tier-, im Besonderen der Pferdeanatomie verfügten ( ▶ Abb. 1.2), systematische Darstellungen der wesentlichen morphologischen Verhältnisse fehlen aber zur Gänze.

Den in der Tradition des Jordanus Ruffus verfassten spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Handbüchern zur Stallmeisterkunde wurden meistens einige unsystematisch gegliederte Angaben zum Körperbau...

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