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Anatomie eines Proteststurmes: Blick ins Innere des Shitstorms

AutorDennis Greveldinger
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl56 Seiten
ISBN9783956849060
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Jeder, der sich für die Teilhabe an einer Netzwerkgemeinde entscheidet, setzt sich gleichzeitig der Gefahr aus, Ziel von Unmutsbekundungen und Protest zu werden. Aber vor allem Personen des öffentlichen Lebens, Unternehmen und Institutionen sehen sich dadurch mit einem neuen Problembereich konfrontiert, denn 'je bekannter eine Person außerhalb des Mediums und im Medium ist, desto stärker tritt eine Polarisierung des Publikums zutage und desto wahrscheinlicher ist es, auch Anfeindungen zu erleben [...]' (vgl. Siri/Seßler 2013). Dieser Sachverhalt beeinflusst maßgeblich die Darstellung und Kommunikation der verschiedenen Akteure in ihren jeweiligen Rollen. Die vorliegende Forschungsarbeit will sich mit dieser Thematik auseinandersetzen und greift deshalb das sogenannte Shitstorm-Phänomen auf. Seit dem Jahr 2010 hat dieser Begriff verstärkt Einzug in die deutsche Medienlandschaft gehalten. Aktuell herrscht der subjektive Eindruck vor, keine Woche gehe mehr vorüber, ohne eine Sturmwarnung seitens der Medien. Doch trotz dieser offensichtlich hohen gesellschaftlichen Relevanz findet der Shitstorm bislang noch unzureichend Berücksichtigung auf der Agenda der medienwissenschaftlichen Forschung.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 4.2, Skandaltheorie: Die Basis des Konzepts eines Shitstorm in dieser Forschungsarbeit bildet die Skandaltheorie. Anlass dazu gab unter anderem die Auffassung von Siri/Seßler (2013), die im Rahmen einer Analyse über das Twitterverhalten von Politikern in Deutschland, eine konservative Definition des Shitstorms wählten. Shitstorms sind demnach 'Skandale, die sich in der digitalen Welt abspielen [...]' (Siri/Seßler 2013: S. 9). Auch Schmidt (2013b) sieht im Grunde den Shitstorm '[...] als (echter oder vermeintlicher) Skandal' (Schmidt 2013b: S. 54). Diese Arbeit schließt hieran an und versucht, im folgenden Kapitel die wichtigsten Aspekte eines Skandals zu erläutern und gleichzeitig die Parallelen zum Phänomen Shitstorm aufzuzeigen. 4.2.1, Öffentlichkeit als Entstehungsraum: Erst im 18. Jahrhundert bekam der Skandal im Rahmen der Etablierung einer Öffentlichkeit in der Gesellschaft seine heutige Bedeutung verliehen (vgl. Bösch 2011: S. 31). Das Verständnis von Öffentlichkeit beruht zu einem großen Teil auf den Theorien von Jürgen Habermas (1993). In seiner Studie 'Der Strukturwandel der Öffentlichkeit' arbeitete er heraus, '[...] wie sich in der Aufklärung und der frühen bürgerlichen Gesellschaft die Öffentlichkeit als diejenige Sphäre herausbildete, in der sich ein räsonierendes Publikum politischer bzw. staatsbürgerlicher Belange genauso wie universell gültiger Werte vergewissert' (Schmidt 2013a: S. 35). Auch der folgende Wandel '[...] vom räsonierenden zum konsumierenden Publikum [...]' (ebd.), bedingt durch das Aufkommen der Massenmedien, stellte Habermas ausführlich dar. Die Herstellung einer Öffentlichkeit erfolgt in modernen Gesellschaften hauptsächlich über die Massenmedien (vgl. Schicha 2000: S. 173). Mediensysteme '[...] produzieren [Skandale], indem sie sozialen Zuständen, Ereignissen oder Entwicklungen ein spezifisches narratives Framing geben, das als Skandal etikettiert wird' (Burkhardt 2011: S. 132). Damit gelten sie 'mit [ihrer] öffentlichen Deutungshoheit seit dem 20. Jahrhundert [als] wichtigste[r] Skandalproduzent [...]' (ebd.). Nach Preiser (1990) gäbe es daher '[o]hne Medien [...] Skandale allenfalls auf dem lokalen Niveau [...]' (Preiser 1990: S. 15f.). Durch diese Geltung übernimmt er gleichzeitig eine wichtige gesellschaftliche Funktion: 'Weil im Zuge eines Skandales auf Missstände aufmerksam gemacht wird, Skandale zur Stärkung der sozialen Normen beitragen und in ihrer Konsequenz zur Abstellung von Missständen zwar nicht führen müssen, aber durchaus führen können' (Bulkow/Petersen 2011: S. 14). Ergebnisse von Kepplinger (2009) belegen diese These, sodass 'Skandale [...] zweifellos ein wichtiges Korrektiv für das Versagen von Kontrollmechanismen in einer demokratischen Gesellschaft' (Kepplinger 2009: S. 201) bilden. Kepplinger (2009) versteht unter diesen Missständen '[...] soziale Tatsachen, die in mehr oder weniger zahlreichen Segmenten der Gesellschaft mehr oder weniger übereinstimmend als falsch empfunden werden' (ebd. S. 191). Im Zuge neuer Technologien, die mit sozialen Veränderungen einhergehen, '[...] verschieben sich offensichtlich die Grenzen der Öffentlichkeit' (Schmidt 2013a: S. 35). Nach Schmidt (2013a) hat das Internet einen großen Anteil an dieser 'Erweiterung von Öffentlichkeit' (ebd.) beigetragen. Mit seiner Hilfe konnten '[...] Kommunikationsarenen [entstehen], in denen auf Grundlage eigener Praktiken auch eigene Formen von Öffentlichkeit hervorgebracht werden' (Schmidt 2013a: S. 40f.). Besonders relevant im Hinblick auf die Proteststürme zeigt sich die Arena der persönlichen Öffentlichkeit. Zu dieser Arena ermöglichen soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook den Zugang. Schmidt (2013) sieht in dieser Arena zwar in erster Linie 'das eigene soziale Netzwerk' (ebd. S. 43) als Adressaten der persönlichen Informationen, jedoch finden sich diese Informationen verstärkt in der Arena der massenmedialen Öffentlichkeit wieder (vgl. Abbildung 1). Denn '[...] zwischen den Arenen bestehen in der Kommunikationspraxis vielfältige Verbindungen [...]', durch die Informationen '[...] aufgegriffen, mithin durch Anschlusskommunikation fortgeführt, ergänzt und eingeordnet werden können' (Schmidt 2013a: S. 43). Dies konnte beispielsweise Busemann (2013) in ihrer Untersuchung feststellen (vgl. Busemann 2013: S. 397). 4.2.2, Kernpunkte eines Skandals: Die Begriffsgeschichte des Skandals reicht zurück bis in die Antike (vgl. Bösch 2011: S. 31). Zwar zeigt sich rückblickend, '[...] dass sich das Prinzip des Skandals seit der ersten dokumentierten Verwendung des Begriffs im vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung im Kern nicht verändert hat' (Burkhardt 2006: S. 131), dennoch blieb er von dem stetigen gesellschaftlichen Wandel nicht unberührt. Daher soll der Skandal in dieser Forschungsarbeit ausschließlich gegenwartsbezogen erläutert werden. Als Skandal lässt sich ein '[...] Kommunikationsprozess beschreiben, der durch einen postulierten Verstoß gegen den Leitcode des sozialen Referenzsystems öffentliche Empörung auslöst' (ebd.). Nach Hondrich (2002) müssen bei einem Skandal drei Bedingungen erfüllt sein: 'Ein praktizierter oder angenommener Normbruch einer Person, einer Gruppe von Menschen oder Institution [...], dessen Veröffentlichung und eine breite öffentliche Empörung' (vgl. Hondrich 2002: S. 40). Von diesen Bedingungen lassen sich gleichzeitig auch die drei in den Skandal involvierten Akteursgruppen herleiten: Journalisten, die Skandalierten und das Publikum (vgl. Burkhardt 2011: S. 135). Die Skandalmechanik zeigt sich kontingent, das heißt '[...] aus dem Bekanntwerden eines Fehlverhaltens [...] muss noch lange kein Skandal werden' (Siri/Seßler 2013: S.67). Es existiert folglich '[...] kein Verhalten, dass per se zum Skandal führt' (Bösch 2011: S. 33). Wenn die Empörung über das Fehlverhalten ausbleibt oder relativ zügig wieder abflacht, ist die Skandalierung gescheitert (Kepplinger 2009: S. 179). Insofern ist '[...] das eigentliche Treibgas, das den Skandal hochgehen lässt, [...] die Empörung einer relevanten Öffentlichkeit' (von Bredow 1992: S. 200). Bösch (2011) stellte fest, dass Empörungsäußerungen '[...] kulturellen Prägungen unterliegen und damit historisch wandelbar[...]' (Bösch 2011: S. 40) sind. Als häufige Reaktionen des Publikums sieht er dabei Spott und Gelächter, Wut und Hass, Angst und Trauer (vgl. ebd.). Mit dem Aufkommen der neuen Kommunikationsmöglichkeiten des Internets '[...] bildet sich im Schatten der allgegenwärtig gewordenen Neigung zur Empörung ein neues Skandalschema heraus' (Pörksen/Detel 2012: S. 23). Der Skandal emanzipiert sich dabei 'von den Beschränkungen, die physische, räumliche oder zeitliche Grenzen vorgeben, löst sich von den klassischen Themen und den gesellschaftlich relevanten Normverletzungen [und] erweitert sein inhaltliches Spektrum' (ebd.). Die eindeutigen Abgrenzungen der Akteure verschwimmen im Zuge dieser Entwicklung zunehmend miteinander: Die Veröffentlichung kann heute auch von Seiten des Publikums erfolgen, genauso gut wie das Publikum selbst auch Opfer im Skandal sein kann (vgl. ebd.). Das Publikum wandelt sich somit von einem durchweg passiven zu einem aktiven Baustein im Skandalgefüge. Die Kontingenz bei Empörungswellen im Internet gestaltet sich ähnlich der Skandalmechanik: Nicht aus jedem Skandal entwickelt sich auch ein Proteststurm in sozialen Netzwerken (vgl. Siri/Seßler 2013: S. 67).
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