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Anforderungen an die 'Rückkehroption' fremdplatzierter Kinder und Jugendlicher bei Häuslicher Gewalt

AutorVerena Moldenhauer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl61 Seiten
ISBN9783656482376
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,3, Fachhochschule Münster (Fachbereich Sozialwesen - Soziale Arbeit), Veranstaltung: Gewalt in der Famile, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Arbeit befasst sich mit der Frage, welche Kritereien erfüllt sein müssen wenn Kinder und Jugendliche aus der stationären Jugendhilfe zurück in den elterlichen Haushalt entlassen werden - wenn häusliche Gewalt der Grund für die Fremdunterbringung war. Hierfür wird zunächst der begriff der Gewalt und die Formen der häuslichen Gewalt erläuteret. Wann spricht man von häuslicher Gewalt und wann sind Kinder und Jugendliche davon betroffen? Wie ist der Weg in die stationäre Jugendhilfe und welche Anforderungen stellen sich an die Pädagogen um das Kindeswohl nachhaltig zu sichern? Diese Fragen, die Anforderungen an die Rückkehroption sowie die Auswirkungen für die Praxis werden thematisert.

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Leseprobe

3 Die Rückkehr ins Elternhaus


 

Ein Kind von seinen Eltern und seiner Familie zu trennen und als Maßnahme der Hilfen zur Erziehung in einer Einrichtung der stationären Jugendhilfe unterzubringen, stellt einen gravierenden Eingriff in die Lebenssituation des Kindes, in das Elternrecht und in die Eigenständigkeit der Familie dar - egal, ob die Eltern der Maßnahme zugestimmt haben und diese befürworten, oder ob sie gerichtlich durchgesetzt wurde.[59]

 

Mehringer betont in diesem Zusammenhang, dass jede Form der Fremdunterbringung nur als Ersatz für die Herkunftsfamilie gesehen werden kann. Zu keiner Zeit wird sie die gleiche Bedeutung für die betroffenen Kinder und Jugendlichen haben wie die eigene Familie - ihrem Zuhause, dem sie sich zugehörig fühlen, auch wenn ihr persönliches Wohl dort nicht sichergestellt werden konnte.[60] Denn in den meisten Fällen, sind die Eltern die wichtigsten Personen im Leben der Kinder und Jugendlichen.[61]

 

Diese Tatsache hat auch der Gesetzgeber erkannt und fordert im Kinder- und Jugendhilfegesetz (§ 37 Abs. 1 SGB VIII) dazu auf, alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, damit die Kinder und Jugendlichen in ihre Familie zurückkehren und die familiäre Lebensgemeinschaft wiederhergestellt werden kann. Voraussetzung für eine Rückführung ist die Stabilisierung der Herkunftsfamilie in einem für das Kind vertretbaren Zeitraum. Das Jugendamt ist verpflichtet durch Beratung und Unterstützung die Herkunftsfamilie so weit zu stärken, dass eine Rückführung des Kindes oder Jugendlichen möglich ist und zudem gleichzeitig die Beziehung des Kindes zu seiner Herkunftsfamilie beibehalten bzw. gefördert wird.

 

Der Stellenwert einer gut geplanten, sicheren Rückführungsarbeit durch die zuständigen sozialen Fachkräfte erschließt sich durch die Ausführungen von Kindler. Sie beziehen sich auf die Ergebnisse einer groß angelegten amerikanischen Längsschnittstudie, die Befunde zum Vorkommen wiederholter Misshandlungen bzw. Vernachlässigungen nach einer Rückführung thematisierte. Hier traten im Verlauf von viereinhalb Jahren nach Bekanntwerden des Gefährdungsereignisses, trotz eingeleiteter Jugendhilfemaßnahmen, in über 40% der Fälle erneut eine oder mehrere Kindeswohlgefährdungen auf. Auch andere hierzu vorliegende internationale Studien bestätigen die hohen Raten erneuter Misshandlung bzw. Vernachlässigung nach einer Rückführung.[62]

 

Die Tabelle zeigt verfügbare Untersuchungen zur Rate erneuter Misshandlungen bzw. Vernachlässigungen nach einer Rückführung und bestätigt die Ausführungen von Kindler.

 

 

Tabelle: Ergebnisse einer Längsschnittuntersuchung zur Rate erneuter Misshandlungen bzw. Vernachlässigungen nach einer Rückführung[63]

 

Da es sich bei allen genannten Untersuchungen um Studien aus dem angloamerikanischen Raum handelt, wäre eine einfache Übertragung der Resultate auf Deutschland sicherlich nicht treffend. Übertragbar ist aber gewiss der Fakt einer nicht zu unterschätzenden Stabilität von erneuten Misshandlungs- und Vernachlässigungsrisiken.[64]

 

Wie ernst der gesetzliche Auftrag der Rückführung zudem auch aus bindungs- und entwicklungspsychologischer Sicht genommen werden muss, stellt Brisch fest. In seinen Ausführungen zu diesem Thema heißt es u.a.:

 

„Nicht selten scheitern frühzeitige und unter Zeitdruck geplante und realisierte Rückführungen aus ähnlichen Gründen, so dass es durch den „Versuch einer Rückführung“ zu erneuten Trennungserfahrungen für die Kinderund im schlimmsten Fall zu erneuten traumatischen Erlebnissen in der Ursprungsfamilie kommen kann. Eine erneute Herausnahme [...] und Fremdunterbringung [...] bedeuten für die Kinder eine erneute Trauma tisierung und führen nicht zur Beruhigung des Bindungssystems, sondern fördern die Entwicklung von Bindungsstörungen. “[65]

 

Diese Ausführungen verdeutlichen die Relevanz einer qualifizierten Einschätzung der in der Herkunftsfamilie vorhanden Risiken, bevor eine Rückführung vollzogen werden kann.[66] Dies bedarf einer fundierten Prognose durch das Jugendamt und kann nicht nach rein fiskalischen Gesichtspunkten entschieden werden.[67] Aber wie stellt sich dieser verantwortungsvolle Arbeitsauftrag in der Praxis dar? Welche Kriterien müssen berücksichtigt und erfüllt werden damit Kinder und Jugendliche „erfolgreich“ ins Elternhaus zurückgeführtwerden können?

 

3.1 Entscheidung für oder gegen eine Rückführung in die Familie


 

Die Entscheidung, ob eine Rückführung in die Herkunftsfamilie für Kinder und Jugendliche eine positive Alternative zur stationären Erziehungshilfe darstellt, muss systematisch und nach fachlichen Standards erfolgen. Unter keinen Umständen darf eine Rückführung unvorbereitet und ohne Schutz der kindlichen Bedürfnisse vorgenommen werden.[68]

 

Die Rückkehr eines Kindes in seine Herkunftsfamilie wird besonders dann als problematisch eigeschätzt, wenn das Kind bereits in frühen Jahren von seinen Eltern getrennt wird, da es in der Zwischenzeit tiefe Bindungen zu den pflegenden Personen aufgebaut haben kann. Erfolgt die Fremdunterbringung zu einem späteren Zeitpunkt, liegt es dagegen häufig im Interesse des Kindes wieder in seine Ursprungsfamilie zurückkehren zu können, sofern sich die Lebensumstände in der Familie verbessert haben.[69] Ergebnisse von Studien, die sich mit der Erziehungsfähigkeit von Eltern befasst haben, die Partnergewalt ausgeübt oder erfahren haben, deuten laut Kindler darauf hin, dass auch durch ein Ende der Gewalthandlungen (z.B. durch Trennung der Eltern) nicht automatisch ein ausreichender Schutz des Kindeswohls gegeben ist.[70] Er fordert auch für diese Fallkonstellationen eine genaue Analyse der Erziehungsfähigkeit, um angemessene Hilfen und Schutzmaßnamen ergreifen zu können.[71]

 

Zu Beginn der Hilfeplanung sollte daher durch die zuständigen Fachkräfte des ASD eine Prognose aufgestellt werden, ob mit begleitender Beratung und Unterstützung eine dauerhafte Verbesserung der Erziehungskompetenz und der Lebensbedingungen zu erreichen ist. Auch in Bezug auf die Wahl der Unterbringungsform ist dies von Bedeutung, da so bereits zu Beginn berücksichtigt werden kann, ob eine zeitlich befristete oder eine auf Dauer angelegte Pflegeform zu planen ist.

 

Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) bietet in den §§ 27, 33 und 36 die notwendigen Handlungsschritte, sowohl für Langzeitmaßnahmen außerhalb der Familie als auch für vorübergehende Jugendhilfemaßnahmen. Eine Rückführung kann nur dann erfolgreich stattfinden, wenn das Kind in einer Maßnahme untergebracht wird, die eine Rückführung ermöglicht und nicht von Anfang an ausschließt.[72]

 

Eine endgültige Entscheidung für oder gegen eine Rückführung ist zu Beginn einer Maßnahme jedoch nur selten möglich. Dies rührt zum einen daher, dass der Hilfeprozess in vielen Fällen ergebnisoffen und ambivalent ist und zum anderen, das die tatsächlichen Entwicklungen der Familie während der Unterbringung sowie die Eltern-Kind-Beziehung im Vorfeld kaum prognostiziert werden können.[73]

 

3.1.1 Prognose über die „Rückkehroption“ vor Beginn der Maßnahme


 

Im besten Fall gründen Prognosen über die Möglichkeit einer Rückführung auf einer genauen Kenntnis zum Ausmaß der Krise und die dadurch ausgelöste Dynamik innerhalb der Familie sowie der Erklärungstheorien der Eltern und dem Entwicklungsstand des Kindes. Oftmals sind diese Informationen aber nicht unmittelbar zugänglich bzw. bekannt. In diesen Fällen ist die zuständige Fachkraft angehalten die Prognose vor dem Hintergrund ihrer allgemeinen Erfahrungen bezüglich des bisherigen Hilfeverlaufs mit der Familie zu treffen. Mit Blick auf die Familie spielt hier unter anderem ihr Umgang mit Krisen eine Rolle.

 

Bei der Aufstellung einer Prognose, ist zu berücksichtigen, ob die erziehenden Personen fähig sind einen produktiven Umgang mit Krisen zu finden und bereit sind sich auf einen Veränderungsprozess einzulassen. Des Weiteren sind soziale, psychische, kognitive und motivationale Kompetenzen der Familienmitglieder zu benennen, um die Chance zur Beteiligung an einem Veränderungsprozess und zum Durchhalten von Vorsätzen sowie Vereinbarungen anzuregen. Auch die emotionale Bindung zwischen den Eltern und dem Kind fließt in die Prognose ein. Zudem stellt sich die Frage, ob sich die Familie einsichtig zeigt, der Fremdunterbringung des Kindes zustimmt und eine Idee hat, wie sie die Zeit für Veränderungen nutzen will. Das Wissen über vorhandene Ressourcen in diesen Bereichen ist ein wichtiger Bestandteil der Prognose. Dennoch kann eine fundierte Prognose über einen Hilfeverlauf nicht ausschließlich an den Eltern und Kindern festgemacht werden. Ebenso ausschlaggebend ist die Beurteilung, ob die bestehende Krise mit Maßnahmen der Sozialen Arbeit in einem überschaubaren Zeitraum so beeinflusst werden kann, dass eine Rückführung möglich ist.

 

Hier kommen Elemente wie z.B. die Qualität des Helfer-Klienten-Systems[74] zum Tragen. Diese sollte eine vertrauensvolle Basis für Veränderungsprozesse bieten und nicht von wechselseitigem Misstrauen geprägt sein. Des Weiteren ist...

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