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E-Book

Angewandtes Case Management

Ein Praxisleitfaden für das Krankenhaus

AutorAnja Messing, Jan-Peter Glossmann, Martina Junk
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl143 Seiten
ISBN9783170288324
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Sie interessieren sich für die praktische Umsetzung von Case Management im Krankenhaus oder stehen kurz vor dessen Einführung? Sie möchten dieser neuen Herausforderung professionell begegnen und praktische Fragen beantwortet wissen, wie beispielsweise: Was soll mit Case Management erreicht werden? Wie plant man die Einführung eines Case Managements? Welche Kompetenzen sollte das Case Management mitbringen? Welche Instrumente und Prozesse müssen wie gestaltet werden? Wo kann IT sinnvoll eingesetzt werden? Wie bindet man Case Management in interdisziplinäre Teams und Netzwerke ein? Zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen greifen die Autoren auf ihre langjährige, praktische Erfahrung zurück. Beispiele und Tipps sowie ein Ausblick auf die zukünftigen Herausforderungen im Case Management vervollständigen den praxisorientierten Ratgeber.

Dr. Jan-Peter Glossmann, Internist und Gesundheitsökonom, ist im Controlling tätig und Kaufm. Geschäftsführer des Centrums für integrierte Onkologie an der Uniklinik Köln. Martina Junk, Fachkrankenschwester für Anästhesie- und Intensivpflege, ist seit 2005 Case Managerin der Klinik I für Innere Medizin der Uniklinik Köln. Anja Messing ist examinierte Krankenschwester und seit 2006 Case Managerin der Klinik I für Innere Medizin an der Uniklinik Köln.

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Leseprobe

2          Die Herrschaft des Chaos: Vor Einführung des Case Managements


 

 

 

Der klassische (Irr-)Weg des Patienten vor Einführung eines Case Managements beginnt bereits vor der Aufnahme mit einem Mosaik von verschiedensten Kontaktwegen. Interne und externe zuweisende Ärzte, Patienten und Angehörige richten ihre telefonischen Anfragen an unterschiedliche Kontaktstellen wie z. B. Ärzte, Pflegende, Ambulanzmitarbeiter oder Sekretariate. Die Terminierung der stationären Aufnahmen wird dezentral auf den einzelnen Stationen koordiniert. Die telefonischen Anfragen der Zuweiser landen eher nach dem Zufallsprinzip als zielgerichtet bei einem Facharzt im Haus. Oftmals werden dann die Anamnese und Behandlungsziele der Patienten telefonisch besprochen, ohne dass diese Informationen transparent für alle festgehalten werden. Häufig wird die Indikation für eine stationäre Behandlung gestellt und ein Termin zur Aufnahme vereinbart, die weiteren Stellen werden aber nicht informiert. Am Tag der Aufnahme kommen die Patienten auf Station, es fehlen jedoch feste Ansprechpartner von pflegerischer oder ärztlicher Seite. Nicht selten müssen die ohnehin verunsicherten Patienten viel Zeit im Wartebereich verbringen und wissen nicht, wie es weiter geht. Die Zuständigkeit ist nicht geklärt, der Arzt gerade nicht da und das Zimmer noch belegt.

Andere organisatorische Schwächen wirken sich hier erschwerend aus. Beispielsweise wird die Zahl der freiwerdenden Betten erst im Laufe des Vormittags, meist nach der ärztlichen Visite, ermittelt. Was aus betriebswirtschaftlicher Sicht undenkbar ist, tritt in vielen Fällen ein: Ist am Mittag kein Patient zur stationären Aufnahme angemeldet oder nicht einbestellt, bleiben die freien Betten unbelegt. Verzögert wird die tatsächliche Aufnahme durch weitere administrative Schritte. Viel wertvolle Zeit geht beispielsweise zur Klärung der Aufnahmemodalitäten wie die administrative Anmeldung seitens der Pflegenden und die Überprüfung der medizinischen Unterlagen auf Vollständigkeit verloren. Das wichtige ärztliche und pflegerische Aufnahmegespräch verzögert sich bis in den Nachmittag oder Abend. An sich planbare Untersuchungen und Therapiekonzepte werden regelmäßig erst während des stationären Aufenthalts festgelegt und verlängern somit die Verweildauer. Damit kommen auch die weiteren Planungsschritte bis hin zur Entlassung immer mehr in zeitlichen Verzug. Die nachstationäre Versorgung wird häufig erst am Entlassungstag besprochen. Nicht selten verlängert sich der Aufenthalt um mehrere Tage, da die pflegerische Unterstützung für zu Hause erst geplant und organisiert werden muss. Die vom ärztlichen oder pflegerischen Team angeforderte Planung und Organisation der häuslichen Versorgung muss der ausgelastete Sozialdienst alleine bewerkstelligen und nicht – wie heute eigentlich Standard – ein spezialisiertes Team bestehend aus dem Überleitungsmanagement, Sozialdienst und Case

Abb. 2.1: Stationäre Anmeldung eines Patienten vor Einführung eines Case Managements
Quelle: Eigene Darstellung.

Management. Die unter Zeitdruck durchgeführte Entlassung der Patienten hat nicht selten eine ungeplante Wiederaufnahme zur Folge (»Drehtüreffekt«). Die häufigsten Gründe für die Wiederaufnahme der Patienten liegen in einer unzureichenden Versorgungsplanung für das häusliche Umfeld und überlasteten Angehörigen, die nicht in die »Entlassungsplanung« mit einbezogen werden.

2.1        Was läuft schief im stationären Ablauf?


Das oben beschriebene Chaos herrscht typischerweise in Krankenhäusern vor Einführung eines effizienten Case Managements. Häufig beobachtet man folgende Konstellationen, die dem Einen oder Anderen sicherlich bekannt sein werden:

Die Terminierung der Aufnahmen erfolgt dezentral und ohne stationsübergreifende Koordination. Beispielsweise bestellen Ärzte telefonisch Patienten ein, ohne die Bettenkapazität zu kennen. Dadurch kommt es immer wieder zu Engpässen und Patienten müssen im schlimmsten Fall wieder nach Hause geschickt werden.

Die interdisziplinären Abläufe und Zuständigkeiten sind nicht klar definiert. Wird beispielsweise bei der Visite der Beschluss gefasst, den Sozialdienst einzuschalten und die Zuständigkeiten sind nicht geklärt (»Wer sorgt sich um die Anforderung des Dienstes?«), besteht das Risiko, dass der Sozialdienst entweder gar nicht eingeschaltet oder gleich mehrfach bestellt wird. Entweder fehlt ein Aufnahme- und Entlassungsmanagement gänzlich, oder dieses ist nur rudimentär implementiert. In solchen Fällen erfahren der Patient, die Angehörigen und das restliche Team schlimmstenfalls erst am letzten Tag von der Entlassung. Es kommt zu Verzögerungen (z. B. fehlt der Entlassungsbrief noch) und zu Versorgungseinbrüchen (z. B. die notwendige Unterstützung für zu Hause wurde nicht eingeleitet). Die Behandlungsplanung des Patienten ist nicht transparent dokumentiert und kommuniziert. Häufig ist zwar dem Stationsarzt die geplante Behandlung klar, aber nicht den weiteren Schnittstellen wie beispielsweise Pflegeteam, Sozialdienst und psychoonkologischem Dienst. Als Folge des Informationsdefizits herrschen Unzufriedenheit und das Gefühl, nicht professionell arbeiten zu können, vor. Das bestehende EDV-System inklusive elektronischem Kalender wird nicht konsequent für die Kommunikation und Planung genutzt. Nicht selten hat die Station im Arztzimmer einen Tischkalender, in dem die geplanten Aufnahmen der Station handschriftlich eingetragen werden. Für ein effizientes Aufnahmemanagement ist dies allerdings kontraproduktiv und erlaubt keine stationsübergreifende Planung. Arbeitsabläufe der Berufsgruppen sind nicht aufeinander abgestimmt. Ein Paradebeispiel hierfür sind die nicht abgestimmten Prioritäten der Teams. Beispielsweise entscheidet sich das Ärzteteam früher als geplant zur Visite, während das Pflegeteam noch mit der Versorgung der Patienten beschäftigt ist. Automatisch kommt es zu Informationsverlusten auf beiden Seiten, da eine gemeinsame Visite nicht stattfindet. Klinische Behandlungspfade mit Zielgrößen wie z. B. mittlerer Verweildauer sind nicht vorhanden oder werden nicht konsequent umgesetzt. Ohne Pfade müssen die interdisziplinären Abläufe, Zuständigkeiten und Interventionen bei der Versorgung typischer Krankheitsbilder immer wieder von Grund auf neu festgelegt werden. Die gezielte Steuerung der Verweildauer steht nicht im Vordergrund. Häufig wird die Bettenkapazität nicht ausgenutzt und Entlassungen verzögern sich ohne medizinischen Grund.

2.2        Wie wirkt sich die fehlende Steuerung aus?


Das Fehlen eines Case Managements hat weitreichende Auswirkungen. Aufgrund unklarer Zuständigkeiten kommt es zur Mehrfachbefragung der Patienten bereits am Aufnahmetag durch Pflegende, Ärzte und Administration. Dadurch wird dem Patienten und Angehörigen die Verantwortung aufgebürdet, alle Behandlungsbeteiligten wiederholt umfassend zu informieren. Nicht abgestimmte Arbeitsabläufe führen häufig zu doppelten Anmeldungen von Untersuchungen und im schlimmsten Fall zu Doppeluntersuchungen. Auch führt die fehlende Steuerung zu unzureichender Auslastung der Bettenkapazität, längerer Verweildauer, höheren Kosten und effektiv zu einer relativen Erlösminderung. Ein unzureichendes Entlassungsmanagement führt zu nachstationären Versorgungsproblemen und in der Folge zu ungeplanten Wiederaufnahmen. Die hohe Anzahl von ungeplant wiederkehrenden Patienten erschwert wiederum die Aufnahme von elektiv geplanten Aufnahmen und kann z. B. durch Fallzusammenlegungen finanzielle Verluste verursachen. Diese Ablaufstörungen wirken sich letztendlich auch negativ auf das Vertrauen und die Zufriedenheit der Patienten und Angehörigen im Krankenhaus aus. Seit der Gesundheitsreform 2000 mit der Einführung eines deutlich leistungsorientierterem Vergütungssystems und dem »Aus« für tagessatzorientiertes Denken haben sich die Rahmenbedingungen ökonomisch, gesetzlich, demografisch, strukturell und sozial-kulturell maßgeblich verändert. Um den stetig steigenden Kostendruck der Erlössteigerung, der Kostensenkung und dem Wettbewerb um Patienten und Zuweiser stand zu halten und dabei gleichzeitig qualitativ hochwertige Leistungen zu erbringen, wird von allen Krankenhäusern ein Umdenken sowohl auf organisatorischer als auch auf struktureller Ebene gefordert. Die oben beschriebenen Probleme und deren Auswirkungen können sich die Krankenhäuser als leistungs- und betriebswirtschaftlich orientierte Unternehmen längerfristig nicht mehr leisten. Prozessoptimierung, Umstrukturierung,...

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