Sie sind hier
E-Book

Anglizismen im Deutschen

Angloamerikanische Einflüsse auf den deutschen Wortschatz und die deutsche Grammatik im Vergleich mit fremdsprachlichen Einflüssen früherer Epochen

AutorHelen Stringer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl95 Seiten
ISBN9783640917365
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Didaktik - Deutsch - Deutsch als Fremdsprache, Note: 1,7, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Institut für Deutsch als Fremdsprachenphilologie), Sprache: Deutsch, Abstract: Das Thema 'Anglizismen', d.h. Entlehnungen aus der englischen Sprache, wird schon seit einigen Jahrzehnten in akademischen und öffentlichen Kreisen diskutiert und aus vielen verschiedenen Perspektiven betrachtet. Während manche Menschen nur die negativen Aspekte von Anglizismen sehen, versuchen andere, vor allem Linguisten, die neuere Anglizismenwelle objektiv und wissenschaftlich zu untersuchen, sie zu relativieren und mit vergangenen Phasen fremdsprachlicher Einflüsse zu vergleichen. In dieser Arbeit wird untersucht, wie groß der Einfluss der englischen auf die deutsche Sprache wirklich ist, inwieweit er den Kern der Sprache berührt und wie er mit sprachlichen Einflüssen aus anderen Sprachen, vor allem Latein und Französisch, zu vergleichen ist. Zunächst werden einige grundsätzliche Konzepte erläutet, die für die Untersuchung von Entlehnungen relevant sind. Das dritte und das vierte Kapitel sind einem kurzen Überblick über die historische Entwicklung des Deutschen und den Entlehnungswellen im Laufe der Geschichte gewidmet. Danach soll in den zwei darauf folgenden Kapiteln spezifisch auf dem Kontakt des Deutschen mit der englischen Sprache fokussiert werden, bevor die Frage angegangen wird, inwieweit Anglizismen sich in die deutsche Sprache integrieren. Im neunten Kapitel werden einige Studien vorgestellt, die versuchen, den Anteil der Anglizismen in der heutigen deutschen Sprache quantitativ zu schätzen. Im zehnten und elften Kapitel erfolgt eine Darstellung des historischen Sprachpurismus und es wird ein Überblick über den heutigen Stand der Sprachpflege gegeben. Abschließend werden die Daten zur Integration von Anglizismen analysiert.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

2 Grundsätzliches zur Entlehnungsfrage

 

2.1 Sprachwandel

 

Eine natürliche Sprache kann man mit einem lebenden Organismus vergleichen, der im Laufe der Zeit kleinere und größere Veränderungen durchmacht, sich an seine Umgebung anpasst und in seiner Entwicklung nie stehen bleibt. Diese ständige Weiterentwicklung nennt man Sprachwandel. Die Gründe für Sprachwandel sind zahlreich und divers: Schütte unterscheidet außersprachliche und interne Faktoren des Sprachwandels. Erstere sind sprachenabhängig und beeinflussen das Sprechen eines Individuums von Außen; darunter kommen Faktoren wie „der Wunsch nach Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe“, der die Akzeptanz und Gebrauch von Entlehnungen fördern würde, sowie die Entstehung und Ausbau von Fachsprachen (Schütte 1996, 26). Die internen Faktoren des Sprachwandels beziehen sich dagegen auf die Sprache selbst: Nübling nennt als wichtigen innersprachlichen Grund für die ständige Weiterentwicklung von Sprache die Tatsache, „[...] dass jedes der [...] Subsysteme sein Optimum anstrebt und dabei andere Subsysteme bei ihrer Optimierung behindert.“ (Nübling 2006, 4). Diese „Subsysteme“ - die grammatischen Bereiche wie Phonologie, Morphologie und Graphematik - sind eng miteinander verbunden: wenn sich zum Beispiel eine Veränderung in der Phonologie durchsetzt, die zur erleichterten Aussprache eines Wortes führt, könnte dies gleichzeitig zu Veränderungen in der Morphologie führen, die für letzteren Bereich unvorteilhafte Konsequenzen haben. Anders gesagt, „verfolgen“ die verschiedenen Subsysteme oft völlig unterschiedliche „Interessen“ (vgl. Nübling 2006, 1).

 

2.2 Spracheneinfluss und Sprachkontakt

 

Da sich nur die wenigsten Sprachen der Welt isoliert und frei von ausländischem Kontakt entwickeln, ist es kaum möglich, die historischen Wandlungen einer Sprache zu untersuchen, ohne auch die Einflüsse, die durch den Kontakt mit anderen Sprachen entstanden sind, mit einzubeziehen. Sprachkontakt findet statt, wenn Völker mit unterschiedlichen Muttersprachen miteinander in Verbindung treten und kommunizieren. In der frühen Menschengeschichte war der Kontakt hauptsächlich direkt: es war der Kontakt zwischen Herrschern und Beherrschten, zwischen Reisenden und den Völkern, denen sie begegneten und zwischen Sprechern verschiedener Dialekte in Grenzgebieten. Andauernder Sprachkontakt führt zur Mehrsprachigkeit Einzelner innerhalb einer Gesellschaft und diese Mehrsprachigkeit ist eine wichtige Voraussetzung für Entlehnung. Fremde Wörter und Ausdrucksweisen werden von mehrsprachigen Individuen in ihrer Muttersprache übernommen und im Gespräch mit anderen Muttersprachlern verwendet; unter günstigen Bedingungen breiten sich die Entlehnungen aus und werden von immer mehr Menschen benutzt, bis sie endlich ein fester Teil der Sprache werden. Heutzutage sind die Möglichkeiten des direkten Kontakts zwischen verschiedenen Völkern viel zahlreicher als je zuvor, weil das Reisen wegen moderner Transportmittel einfacher geworden ist. Dazu ist durch die sich immer verbessernde Technologie auch viel indirekter Kontakt möglich geworden und das Potenzial für intersprachliche Einflüsse ist viel höher. Im Falle der deutschen Sprache sind es vor allem die lateinische, griechische und französische Sprache, sowie in der neueren Geschichte die englische Sprache, die den größten Einfluss ausgeübt haben.

 

Genau genommen sind die Auffassung, andere Sprachen würden das Deutsche „beeinflussen“, und daher auch der Begriff „Spracheneinfluss“ irreführend und nicht ganz korrekt, denn sie suggerieren ein bewusstes, unerbetenes Aufdrängen einer fremden Sprache seitens dessen Sprecher auf die Muttersprachler des Deutschen. Es sind aber im Gegenteil die Deutschen (bzw. Österreicher, Schweizer) selbst, die fremdsprachliche Elemente aufnehmen, um sie in ihrer Rede zu benutzen; fremde Wörter und Wendungen dringen nicht von selbst in die deutsche Sprache ein und sind, entgegen der Meinungen mancher Sprachkritiker, schon gar nicht das Resultat böser Absichten englischer, französischer und anderer Muttersprachler. Nach Munske ist die fremdsprachliche „Beeinflussung“ des Deutschen durch eine andere Sprache eigentlich „[...] Attraktion des Fremden, nicht Überfremdung.“  (Munske 1983, 562).

 

2.3 Transferenz und Integration

 

Wenn eine Sprache Wörter und Wendungen aus anderen Sprachen entlehnt, enthalten diese Elemente oft bestimmte Merkmale, die sie als fremd kennzeichnen. Im Laufe der Zeit passen sie sich dann oft den Strukturen und Regeln der aufnehmenden Sprache an. Diesen Assimilationsprozess nennt man Integration und er wurde bereits im 19. Jahrhundert von Jakob Grimm erkannt: „Fällt von ungefähr ein fremdes wort in den brunnen einer sprache, so wird es solange darin umgetrieben, bis es ihre farbe annimmt und seiner fremden art zum trotze wie ein heimisches aussieht“ (Jakob Grimm, zitiert nach Schmitz 2001, 59).

 

Aber selbst die aufnehmende Sprache bleibt bei intensiver Entlehnung nicht  unbetroffen, denn es kann auch sein, dass gewisse distinktive Merkmale der fremden Sprache allmählich zu neuen Strukturen führen. In diesem Fall spricht man von Transferenz. Diese beiden Phänomene, Integration und Transferenz, werden unter dem Begriff Interferenz zusammengefasst. Während Transferenz „die Übernahme von Elementen, Merkmalen und Regeln einer Sprache A in eine Sprache B“ bezeichnet, versteht Munske unter Integration „die Interferenz der Empfängersprache gegenüber den transferierten Elementen, Merkmalen und Regeln.“ (Munske 1983, 563).

 

Schütte unterscheidet hingegen mit Bezug auf Weinreich primär zwischen Interferenz und Entlehnung. In Anlehnung an die Terminologie von de Saussure werden Entlehnungen als ein Oberflächenphänomen gesehen und daher zur parole gerechnet, während Interferenz tiefere Wirkungen hat und auf die „Struktur des Sprachsystems[4] einwirkt. Fremde Wörter, die sich der Sprache schon so weit angepasst haben, dass sie zur Ebene der langue eingedrungen sind, (d.h. einen festen Platz in der Sprache eingenommen haben), gelten demnach als integriert (Schütte 1996, 28).

 

Unter Sprachwissenschaftlern ist es umstritten, inwieweit eine Entlehnung sich schon angepasst haben muss, bevor sie als „integriert“ gelten darf. In früheren Zeiten wurde streng zwischen fremden und deutschen Wörtern unterschieden, wobei das Wort „fremd“ oft vorwiegend verächtlich für Elemente, die nicht die gleichen Qualitäten wie heimische Wörter aufwiesen, gebraucht wurde. In der neueren Forschung benutzt man stattdessen meist die Termini indigen und entlehnt und es wird erkannt, dass sie nicht immer deutlich von einander abzugrenzen sind. Unter den entlehnten Elementen unterscheidet man des Weiteren zwischen Fremdwörtern und Lehnwörtern. Diese beiden Begriffe werden im Abschnitt über die Klassifikation von Entlehnungen erklärt.

 

Im Folgenden werden die sehr unterschiedlichen Herangehensweisen an die Entlehnungsfrage der führenden Sprachwissenschaftler Eisenberg und Munske besprochen.

 

2.3.1 Arten von Integration

 

Eisenberg betrachtet in erster Linie die Fähigkeit von Entlehnungen, sich in die deutsche Sprache als Ganzes zu integrieren. Für ihn bedeutet dies die völlige Anpassung der Entlehnungen an das „Kernsystem“ der deutschen Sprachen, wobei die Integration sich in beide Richtungen vollzieht: A und B „integrieren sich“ (Eisenberg 2001a, 184). Wie bereits erwähnt, gibt es keine eindeutige Grenze zwischen integrierten und nicht-integrierten Wörtern, der Prozess der Integration ist vielmehr wie eine Skala zu verstehen, an der die Entlehnungen auf verschiedene Weise und in verschiedenem Maße als assimiliert gelten können (vgl. Polenz 1994 Bd. 2, 84).

 

Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die verschiedenen Arten der Integration gegeben werden, der als Hintergrund für eine tiefere Betrachtung der Integrationsfrage im Hauptteil dienen soll.

 

2.3.1.1 Phonologische Integration

 

Das Deutsche hat ein festes Kerninventar von Lauten, bestehend aus Konsonanten und Vokalen; die deutschen Erbwörter sind aus phonologischer Sicht Verbindungen von diesen Lauten. Nicht jede vorstellbare Kombination von Lauten ist unter den Wörtern des Erbwortschatzes vertreten, denn die Laute unterliegen gewissen Verbindungsrestriktionen, die sich im Laufe der Entwicklung des Deutschen ergeben haben.

 

Fremdwörter bringen in vielen Fällen fremde Laute mit sich – Laute, die im deutschen Lautinventar nicht vorhanden sind. Phonologische Integration solcher Entlehnungen findet statt, wenn die Sprachgemeinschaft eine Entlehnung, die fremde Laute enthält, nicht mehr nach den Regeln der Gebersprache ausspricht, sondern sie phonologisch an das deutsche System anpasst. Der Prozess der Integration hat sich erfolgreich vollzogen, wenn die neue Aussprache allgemein gebräuchlich wird. Es kann auch Übergangsphasen geben, wenn in einem Wort, das mehrere fremde Phoneme enthält, nicht alle diese Phoneme zur gleichen Zeit integriert werden, und sich eine teilweise Integration vollzieht.

 

Die Gründe, warum Laute integriert werden, anstatt ihre fremde...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Pädagogik - Erziehungswissenschaft

Weitere Zeitschriften

ARCH+.

ARCH+.

ARCH+ ist eine unabhängige, konzeptuelle Zeitschrift für Architektur und Urbanismus. Der Name ist zugleich Programm: mehr als Architektur. Jedes vierteljährlich erscheinende Heft beleuchtet ...

aufstieg

aufstieg

Zeitschrift der NaturFreunde in Württemberg Die Natur ist unser Lebensraum: Ort für Erholung und Bewegung, zum Erleben und Forschen; sie ist ein schützenswertes Gut. Wir sind aktiv in der Natur ...

BONSAI ART

BONSAI ART

Auflagenstärkste deutschsprachige Bonsai-Zeitschrift, basierend auf den renommiertesten Bonsai-Zeitschriften Japans mit vielen Beiträgen europäischer Gestalter. Wertvolle Informationen für ...

Burgen und Schlösser

Burgen und Schlösser

aktuelle Berichte zum Thema Burgen, Schlösser, Wehrbauten, Forschungsergebnisse zur Bau- und Kunstgeschichte, Denkmalpflege und Denkmalschutz Seit ihrer Gründung 1899 gibt die Deutsche ...

Courier

Courier

The Bayer CropScience Magazine for Modern AgriculturePflanzenschutzmagazin für den Landwirt, landwirtschaftlichen Berater, Händler und generell am Thema Interessierten, mit umfassender ...

DER PRAKTIKER

DER PRAKTIKER

Technische Fachzeitschrift aus der Praxis für die Praxis in allen Bereichen des Handwerks und der Industrie. “der praktiker“ ist die Fachzeitschrift für alle Bereiche der fügetechnischen ...

e-commerce magazin

e-commerce magazin

PFLICHTLEKTÜRE – Seit zwei Jahrzehnten begleitet das e-commerce magazin das sich ständig ändernde Geschäftsfeld des Online- handels. Um den Durchblick zu behalten, teilen hier renommierte ...