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Anlegerverhalten auf Kapitalmärkten unter besonderer Berücksichtigung moralisch motivierter Präferenzen

AutorThomas Kugler
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl168 Seiten
ISBN9783638438117
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich BWL - Investition und Finanzierung, Note: 1,0, Universität Stuttgart (FB Finanzwirtschaft), 255 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Das Verhalten von Anlegern auf Kapitalmärkten ist traditionell durch die neoklassische Kapitalmarkttheorie idealtypisch beschrieben, definiert und postuliert worden. Diese ist durch vollkommene Märkte und rational handelnde Individuen gekennzeichnet. Mit der Zeit häuften sich allerdings Zweifel, ob die neoklassische Theorie wirklich geeignet ist, das tatsächlich beobachtbare Verhalten zu erklären. Angriffspunkt für Kritik waren zunächst die Annahmen, welche als unrealistisch bezeichnet wurden. Verteidiger der Annahmen, wie Friedman, machten darauf aufmerksam, dass eine Theorie nicht an ihren Annahmen gemessen werden sollte, sondern an ihrer Eignung, die Realität zu beschreiben. Empirische Beobachtungen der letzten Jahrzehnte belegen eindeutig, dass das Anlegerverhalten auf realen Kapitalmärkten teilweise in scharfem Kontrast zum traditionellen Postulat steht und nicht hinreichend mit dem neoklassischen Instrumentarium erklärt werden kann. Um eine größere Realitätsnähe zu erzeugen wurden zunächst Modelle entwickelt, die dazu gedacht waren, die neoklassische Sicht zu erweitern, indem sie verschiedene Prämissen des vollkommenen Kapitalmarktes (z. B. hinsichtlich Steuern, Transaktionskosten...) aufhoben. Diese Ansätze werden in der vorliegenden Arbeit weitgehend unter den externen Ursachen,die das Anlegerverhalten beeinflussen, subsumiert. Es handelt sich dabei um erste Schritte hin zu einer stärker positiv ausgerichteten Sichtweise, wobei aber die 'sensible' Annahme der Rationalität noch nicht 'angetastet' wird. Des Weiteren wurden deskriptive (Gegen-)Theorien entwickelt um reales Verhalten greifbar zu machen. Diese berücksichtigen Erkenntnisse aus der Psychologie und Soziologie zum menschlichen Verhalten bzw. Entscheidungsverhalten. Die Forschungsrichtung, die sich genau dadurch auszeichnet, hat sich unter dem Namen Behavioral Finance etabliert. Im Mittelpunkt dieser neuen Disziplin steht die unvollkommene Rationalität von Menschen und deren Implikationen auf den Kapitalmarkt.

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Leseprobe

3.1.4 Weitere Einflussfaktoren


Mit der Marktsegmentierung und den davor bereits erläuterten Transaktionskos- und Steuern sind bis jetzt drei wichtige externe Einflussgrößen auf das Anlegerverhalten beschrieben worden. Im Folgenden wird nun ein Überblick über weitere Einflussgrößen skizziert, die sich ergeben, wenn zusätzliche Annahmen des CAPM modifiziert bzw. aufgehoben werden. Verhaltensimplikationen treten auf, sind jedoch oftmals nicht so prägnant wie bei den bisher diskutierten Analysen.

Laut Annahme (6) des CAPM sind Leerverkäufe uneingeschränkt möglich. Wird diese Annahme aufgehoben und stattdessen ein Verbot von Leerverkäufen verhängt, ergeben sich allerdings keine Auswirkungen auf die Aussagen des CAPM und das resultierende Gleichgewicht. 54 (vgl. Elton u. a., 2003, S. 310)

Die Annahme (7) eines risikolosen Zinssatzes, zu dem unbegrenzt Geld angelegt und aufgenommen werden kann, wurde in verschiedenen Arbeiten modifiziert bzw. ganz aufgehoben. Zu erwähnen sind Brennan (1971) und Black (1972). Brennan (1971) untersucht die Konstellation, in der risikofreie Geldanlage (lending) und Geldaufnahme (borrowing) zu jeweils verschiedenen (risikofreien) Zinssätzen möglich sind. (vgl. Brennan, 1971, S. 1197-1205) Er kommt zu dem Ergebnis, dass abhängig davon ob ein Anleger zu den lenders oder den borrowers (Nettobetrachtung) zählt, jeweils ein anderes Portfolio optimal ist. (vgl. Brennan, 1971, S. 1201)

Black (1972) zeigt, welche Konsequenzen entstehen, wenn kein risikoloser Asset existiert und damit weder eine risikofreie Geldanlage noch Geldaufnahme möglich ist. (vgl. Black, 1972, S. 446-452) Des Weiteren modelliert Black (1972) den Fall, in dem eine risikolose Geldanlage existiert, eine risikolose Geldaufnahme jedoch nicht möglich ist. (vgl. Black, 1972, S. 452-454) Als Schlussfolgerung der Analysen von Brennan (1971) sowie Black (1972) kann gelten, dass die Anleger heterogene Portfolios halten werden. Es existiert unter den veränderten Prämissen kein einzelnes Portfolio mehr, welches für alle Investoren optimal ist. (vgl. Brennan, 1971, S. 1198 sowie 1201f.; vgl. Black, 1972, S. 455)

Des Weiteren wird der Anleger im CAPM stets als Preisnehmer (price taker) angesehen, der den Preis einer Aktie nicht beeinflussen kann. (vgl. Annahme (4) des CAPM, Kap. 2.2.1) Was geschieht, wenn diese Annahme aufgehoben wird, zeigt Lindenberg (1979) anhand einer Betrachtung großer institutioneller Investoren, welche durch ihre Käufe bzw. Verkäufe Preise beeinflussen und die resultierenden Preiseffekte in ihre optimale Portfoliobildung einbeziehen. (vgl. Lindenberg, 1979, S. 109-124) Dieses Verhalten wird auch als non-pricetaking behavior bezeichnet. (vgl. Elton u. a., 2003, S. 324f.) Im Modell existieren zwei Gruppen von Anlegern. Investoren vom Typ 1 sind die price takers (Preisnehmer). Die Investoren vom Typ 2 werden als price affectors (Preisbeeinflusser 55 ) bezeichnet. Die Typ 2 Investoren erkennen, dass ihre Handelsaktivitäten die Preise beeinflussen. Ferner stellen sie auch Mutmaßungen bzw. Vorhersagen über das potentielle Reaktionsverhalten anderer großer Investoren vom Typ 2 an. Der direkte Effekt der eigenen Preisbeeinflussung wird nämlich überlagert von einem verursachten indirekten Effekt, der aus den (Gegen-)Reaktionen anderer Typ 2 Investoren resultiert. Lindenberg (1979) sieht hierin einen starken Bezug zur Oligopoltheorie. (vgl. Lindenberg, 1979, S. 111-113) 56 Eine wesentliche Erkenntnis, die das Modell von Lindenberg (1979) liefert ist, dass ein sehr großer Investor vom Typ 2 automatisch ein risikoreicheres Verhalten aufweist, als es im Falle eines perfekten Marktes eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Er wird mehr riskante Titel halten. Wenn der Investor genügend Markteinfluss besitzt, so kann sich des Weiteren eine veränderte Gleichgewichtsbeziehung und folglich auch eine veränderte Rendite ergeben. (vgl. Lindenberg, 1979, S. 121) Ein großer Investor, der durch seine Handelsaufträge Preise beeinflusst, sich dessen bewusst ist und dies berücksichtigt, wird des Weiteren eher ein unbalanciertes Portfolio halten, also nicht das Marktportfolio. Als eine Konsequenz davon weisen die Wertpapiere, die große institutionelle Investoren in ihrer Portfoliokomposition besonders stark übergewichten (relativ zu deren Marktgewicht), höhere Marktwerte auf. (vgl. Lindenberg, 1979, S. 122)

Das Modell von Lindenberg stellt einen potentiellen Ansatzpunkt dar, um die empirisch festgestellten Abweichungen der Renditen von ihren durch das Standard-CAPM prognostizierten Werten zumindest teilweise zu erklären. (vgl. Lin-

denberg, 1979, S. 122) Die Einbeziehung dieser Art von Anlegerverhalten in die Literatur ist auf jeden Fall positiv zu bewerten. Darin ist auch das Verdienst der Ausarbeitung von Lindenberg (1979) zu sehen, die nach eigenen Angaben des Autors (vgl. Lindenberg, 1979, S. 122) Aspekte betrachtet, die bis dahin noch nicht in der Literatur diskutiert wurden.

Warum der Ansatz zu den externen Ursachen eingeordnet wurde wird im Folgenden begründet. Aus dem Studium des Ansatzes geht nicht hervor, dass es sich bei dem non-price-taking behavior um eine bestimmte innere Motivation handelt, die eine Zuordnung zu den intrinsischen Ursachen und Beweggründen rechtfertigen würde. 57 Vielmehr ist das Verhalten der großen Anleger, welche die Preise beeinflussen können, in einer klassischen Nutzenmaximierung zu sehen. Des Weiteren kann das Verhalten auch als eine Reaktion auf die (extern vorgegebene) nicht unendlich große Marktliquidität interpretiert werden. Demnach haben große Anleger (Fonds) fast gar keine andere Wahl als sich mit den von ihnen induzierten Preisänderungen im Voraus auseinanderzusetzen. Darum wird der Ansatz hier zu den extern verursachten Verhaltensweisen eingeordnet. Als Ursache im engeren Sinne kann die in der Realität begrenzte Marktliquidität bzw. Marktbreite 58 gelten. Ähnlich wie auch bei Steuern ist die Liquidität eine externe Tatsache, die ein rationaler großer Anleger ex ante in seiner Portfoliozusammenstellung berücksichtigen wird.

Als ein wesentlicher Kritikpunkt am traditionellen CAPM gilt die Tatsache, dass nur eine einperiodige Betrachtung stattfindet. (vgl. Schäfer, 2005, S. 327) Werden mehrere Perioden betrachtet, so ergeben sich verschiedenste Auswirkungen auf das Anlegerverhalten, welche im Folgenden aufgeführt werden. Die Mehrperiodigkeit an sich ist allerdings weder eindeutig zu den externen noch zu den intrinsischen Beeinflussungsfaktoren des Anlegerverhaltens zuzuordnen, wohl aber zur positiven Sichtweise. Einige der konkreten Modelle, wie noch deutlich werden wird, bieten die Möglichkeit externe Faktoren in die Analyse mit einzubeziehen. Daher erscheint es gerechtfertigt, die mehrperiodigen Ansätze zum Gegenstand der Betrachtung zu erklären.

Mehrperiodige Erweiterungen des CAPM

Eine der frühen Arbeiten zu der Thematik steuert Fama (1970b) bei. Fama (1970b) untersucht in einem mehrperiodigen Kontext, welche Auswirkungen sich ergeben, wenn Haushalte (consumers) zu Beginn jeder Periode entscheiden, welchen Teil ihres Vermögens sie für Konsum aufwenden und welchen Teil sie investieren. 59 (vgl. Fama, 1970b, S. 163ff.) Quintessenz der Betrachtung von Fama (1970b) ist, dass das Verhalten eines Haushaltes in einem mehrperiodigen Kontext, von Periode zu Periode betrachtet, nicht von dem Verhalten eines Haushaltes mit einem einperiodigen Horizont unterscheidbar ist, sofern beide risikoscheu sind. (vgl. Fama, 1970b, S. 171) Diese Erkenntnis lieferte wichtige Denkanstöße für die Entwicklung weiterer mehrperiodiger Modelle. 60

Laut Elton u. a. (2003) findet sich eine ausgezeichnete Abhandlung eines Mehr- unter einigen allgemein gehalten Annahmen in Stapleton und Subrahmanyam (1978). (vgl. Elton u. a., 2003, S. 326) 61 Stapleton und Subrahmanyam (1978) entwickeln ein hochkomplexes, mehrperiodiges Asset Pricing Modell. (vgl. Stapleton/Subrahmanyam, 1978, S. 1077-1096) Spezielle Formen von mehrperiodigen Erweiterungen des CAPM stellen das Consumption-Oriented CAPM, ein CAPM mit expliziter Berücksichtigung von Inflation sowie das Multi-Beta CAPM dar. (vgl. Elton u. a., 2003, S. 326-328) Das Consumption CAPM wird an dieser Stelle noch nicht erläutert, sondern erst in Kapitel 3.2.1 dieser Arbeit, im Rahmen der intrinsischen Ursachen und Beweggründe des Anlegerverhaltens. 62 Daher wird im Folgenden zunächst das CAPM unter Berücksichtigung von Inflation vorgestellt, gefolgt von Ausführungen zum Multi-Beta CAPM.

Wie bereits angesprochen lässt sich die Problematik der Inflation als zusätzli- externe Quelle der Unsicherheit explizit mit in die Betrachtung einbeziehen. Friend u. a. (1976) entdecken in ihrem zeitstetigen Modell, dass das traditionelle...

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