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E-Book

Anleitung zum Populismus

oder: Ergreifen Sie die Macht!

AutorFritz B. Simon
VerlagCarl-Auer Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl126 Seiten
ISBN9783849781859
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Im Gegensatz zu den vielen akademischen Versuchen, die Grundlagen des Populismus zu analysieren, stellt Fritz B. Simon in diesem Buch die Methoden des Populismus konkret und leicht nachvollziehbar in Form von Handlungsanweisungen dar, so dass sie jedermann befolgen (oder auch bekämpfen) kann. Populismus ist keine Rocket Science. Seine Strategien und Taktiken nutzen die Spielregeln der repräsentativen Demokratie, um sie ad absurdum zu führen und illiberale, autoritäre Strukturen einzuführen. Populisten bedienen sich charakteristischer kommunikativer Techniken und einer Sprache, die Massen auf die Straßen und an die Wahlurnen bringt. Die Lektüre dieses Buches ist daher zwangsläufig ambivalent: Es liefert die Rezepte, die Macht in einer bis dahin einigermaßen funktionierenden Demokratie zu ergreifen, es deckt aber auch auf, dass diese Methoden schon längst praktiziert werden und Widerstand nötig ist.

Fritz B. Simon, Dr. med., Univ.-Prof.; Studium der Medizin und Soziologie; Psychiater und Psychoanalytiker, systemischer Therapeut und Organisationsberater. Forschungsschwerpunkt: Organisations- und Desorganisationsprozesse in psychischen und sozialen Systemen. Autor bzw. Herausgeber von ca. 300 wissenschaftlichen Fachartikeln und 30 Büchern, die in 15 Sprachen übersetzt sind, u. a.: Der Prozeß der Individuation (1984), Die Sprache der Familientherapie (1984), Lebende Systeme (1988), Unterschiede, die Unterschiede machen (1988), Meine Psychose, mein Fahrrad und ich (1990), Radikale Marktwirtschaft (1992), Die andere Seite der Gesundheit (1995), Die Kunst, nicht zu lernen (1997), Zirkuläres Fragen (1999), Tödliche Konflikte (2001), Die Familie des Familienunternehmens (2002), Gemeinsam sind wir blöd!? (2004), Mehr-Generationen-Familienunternehmen (2005), Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus (2006), Einführung in die systemische Organisationstheorie (2007), Einführung in die systemische Wirtschaftstheorie (2009), Vor dem Spiel ist nach dem Spiel. Systemische Aspekte des Fußballs (2009), Einführung in die Systemtheorie des Konflikts (2010), 'Zhong De Ban' oder: Wie die Psychotherapie nach China kam (2011), Einführung in die Theorie des Familienunternehmens (2012), Wenn rechts links ist und links rechts (2013), Einführung in die (System-)Theorie der Beratung (2014).

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Leseprobe

7Konstruieren Sie sich einen Feind!


(Die Fremden)


Politik ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Und Krieg zerlegt die Welt in zwei Parteien: in Freunde und Feinde. Das hilft dem Volk sich zu orientieren: »Wer nicht für mich ist, ist gegen mich!«. Die Welt wird weniger komplex, wenn man einen Krieg vom Zaune bricht. Der muss nicht unbedingt mit Waffengewalt ausgetragen werden. Es reicht auch ein Krieg der Worte. Aber egal, ob mit Waffen oder mit Worten, wenn Sie die großartige Vereinfachung der Welt, die jeder Krieg zur Folge hat, für Ihre Zwecke nutzen wollen, so brauchen Sie einen ernst zu nehmenden Feind.

Einer der wesentlichen Gründe, heute Krieg zu führen, ist, dass er Konflikte innerhalb der Bevölkerung der kriegführenden Parteien relativiert und dort zu Einigkeit führt, wo vorher Streit war. Ein paradoxer Effekt, wenn man das nüchtern betrachtet. Ein anständiger Feind außen hat innen eine integrierende Wirkung: Krieg stiftet Frieden. Das ist durch gemeinsame Ziele auf der Sachebene nie in gleicher Weise zu erreichen. Es kämpft sich immer leichter gegen irgendwen oder -was als für irgendwen oder -was. Vor allem ist es viel leichter, einen Konsens über die Notwendigkeit, gegen einen gemeinsamen Feind zu kämpfen, herzustellen als für irgendeine Sache, denn die Zwecke, für die jeder Einzelne zu kämpfen bereit wäre, sind einfach zu verschieden. Aber die Suggestion, es sei notwendig, sich gegen einen Außenfeind, der die Existenz aller – viel weniger sollte es nicht sein – gleichermaßen bedroht, zu wehren, scheint unmittelbar überzeugend, und ihr gegenüber kann sich kaum jemand verschließen.

Dies ist einer der Gründe, warum Sie einen beeindruckenden Feind brauchen. Am besten ist ein Außenfeind, von dem jeder schon gehört hat. Das dient nicht nur der Harmonie und dem Zusammenhalt in ihrer Kerngruppe, sondern es hilft Ihnen auch auf nationaler, manchmal sogar internationaler Ebene, neue Mehrheiten und gesteigerte Zustimmung zu Ihren Aktionen zu finden. Zwiespältige Gefühle, die Ihnen und Ihrer Mission von Teilen der Bevölkerung eventuell entgegengebracht werden, verlieren ihre Bedeutung. Aus Ambivalenz wird Entschlossenheit.

Da solche Feinde nicht vom Himmel fallen, ist es am einfachsten, sich ihn selbst zu konstruieren. Im Einklang mit all den anderen bislang gegebenen Tipps empfiehlt es sich auch hier, an historische Erfahrungen und kulturelle Muster anzuschließen, das heißt im Klartext gesprochen an die als Volksgut überlieferten Vorurteile. Das ist einfacher als völlig neue Feinde und Feindschaften aus dem Hut zu zaubern.

Sie müssen dem oder besser noch den Feinden Eigenschaften, Ziele und Motive zuschreiben, die im Idealfall auf den ersten Blick – bei reflektierterem Publikum genügt auch der zweite Blick – jedermann den Unterschied zu Ihrem Volk, um dessen Wohl Sie so besorgt sind, erkennen lassen und allen die Schuppen von den Augen fallen lassen, dass die Gefahr wirklich groß ist.

Da Sie ja in der Kommunikation mit Ihrer potenziellen Basis, dem »einfachen« Volk, keine großartigen intellektuellen Erörterungen anstellen können und wollen, sondern auf Anhieb verstanden werden müssen, sollten Sie als Erkennungsmerkmal der Feinde Äußerlichkeiten wählen: Alle sinnlich wahrnehmbaren Merkmale der Unterscheidung zwischen »uns«, dem Volk, das es zu schützen gilt, und »den Fremden« sind nutzbar. Am besten sind Eigenschaften geeignet, die mit dem Körper der potenziellen Feinde fest verbunden sind und nicht verheimlicht werden können. An erster Stelle ist hier natürlich die Hautfarbe zu nennen (Muster: »die gelbe Gefahr«). Obwohl alle Leute sich stundenlang in die Sonne legen, sich auf Sonnenbänken ihren Hautkrebs holen, ist speziell die braune Hautfarbe ein unübersehbares Unterscheidungsmerkmal für Fremde (es wäre zu 100 Prozent sicher, wenn es nicht inzwischen auch hier geborene Personen mit dunkler Hautfarbe oder von politisch fragwürdigen Menschen adoptierte, fremdrassige Kinder gäbe). Im Prinzip bieten sich alle Menschen, die erkennbar anders aussehen als der durchschnittliche Mitteleuropäer, sowohl als Individuen wie auch als Gruppierung dazu an, als Feind genutzt zu werden: »Alles Afrikaner, die zu Hause nichts auf die Kette bekommen und ohne gearbeitet zu haben am hart erarbeiteten Wohlstand unseres Volks teilhaben und in die von uns aufgespannte soziale Hängematte wollen« – so oder so ähnlich können Sie eine Story über Fremde stricken. Das ist nicht sonderlich schwer, weil die Angst vor dem Fremden – wie bei kleinen Kindern gut zu beobachten ist – wahrscheinlich zum genetischen Erbe der Menschheit gehört und so etwas wie ein kollektives Unbewusstes darstellt, das jederzeit wachgerufen werden kann. Wenn Sie rassische Merkmale nutzen, dann haben Sie obendrein den Vorteil, dass Sie die freie Wahl haben zwischen vielen konkreten Personen, denen Sie eine Hauptrolle als Bösewicht zudenken können und die Sie als »typische« Beispiele für … präsentieren können. Das ist der große Vorteil von Pauschalisierungen: Sie brauchen sich nicht um die vermeintliche Beweiskraft von Gegenbeispielen zu kümmern, denn die Ausnahme bestätigt ja nur die Regel (»Ein Mal ist kein Mal!«), Sie können aber trotzdem unbekümmert jeden Einzelfall als Beleg der von Ihnen vertretenen Behauptungen öffentlich ausschlachten.

Sie kennen vielleicht den alten Witz aus Kindertagen: »Frage: Warum hat Krause eine Glatze? Antwort: Weil die Neger Krause’s Haar haben!« – Ganz klar, so haben wir es ja schon im Sandkasten aus Kalau gelernt: Sie werden kommen und uns die Haare vom Kopf fressen. »Halb Afrika hat schon die Koffer gepackt.« Das ist das Schema, nach dem Sie argumentieren müssen, und der Deutungsrahmen, den Sie den Geschehnissen geben müssen. Es erscheint Ihrer potenziellen Gefolgschaft umso einleuchtender, je weniger sie konkrete Erfahrungen mit dunkel pigmentierten Menschen oder gar richtigen Afrikanern oder Indern etc. machen konnte. Um das Risiko, dass Ihre Identifikation des Feindes und die ihm zugeschriebenen Charakteristika nicht überzeugend sein könnten, zu minimieren, sollten Sie sich also einen Feind aussuchen, der von möglichst wenigen Leuten tatsächlich gekannt wird. In vielen Sprachen der Welt war über Jahrtausende das Wort »Mensch« ausschließlich als Name für die Angehörigen der eigenen Bevölkerung reserviert. Wer nicht zum Volk gehört, ist gar kein Mensch. Und wenn er kein Mensch ist, dann braucht man ihn auch nicht als Mensch zu behandeln. Aber man muss ihn fürchten; denn Lebewesen, die nicht Menschen sind, können ja Bestien sein. Ungeheuer sind sie dem, der sie nicht kennt. Wer auf der sicheren Seite sein will, sollte erst mal davon ausgehen, dass sie sich wie wilde Tiere verhalten. Er – vor allem aber sie – muss sich eben vor diesen Bestien schützen, ist doch klar (alles potenzielle Vergewaltiger, Diebe, Kriminelle).

Der Vorteil eines äußerlich erkennbaren Feindes besteht darin, dass er – auch wenn er nur harmlos spazieren geht – auf jeden Fall in den Fokus der Aufmerksamkeit der anderen Leute gerät. Abweichungen von den Erwartungen und dem Gewohnten fallen nun einmal auf. Daran lässt sich wiederum gut anschließen. Wenn, zum Beispiel, solch ein auffälliger Mensch ein abweichendes Verhalten zeigt (zum Beispiel: »brutale Vergewaltigung einer unschuldigen jungen Studentin«), dann sollten Sie möglichst emotional aufgeladen und betroffen öffentlich, voller Wut, Trauer und Mitleid darauf pochen, dass Sie leider, leider, leider mit der von Ihnen immer und immer wieder geäußerten Voraussage von Katastrophen, die durch die Feinde ins Land geschleppt werden, recht hatten.

Aber Sie müssen es nicht bei den Warnungen und der Erzeugung von Angst vor anders aussehenden Leuten belassen. Denn Sie können auch Feinde im Innern identifizieren. Gemäß der Alles-oder-Nichts-Unterscheidung zwischen Freund und Feind (»Wer nicht für uns ist, ist gegen uns«) können Sie öffentlich und vehement alle Leute verdächtigen, die den Außenfeind nicht als Feind betrachten und ihn durch Worte oder Taten verteidigen. Dadurch haben sie ja bewiesen, dass sie zu den Feinden gehören. Diese »Feinde im eigenen Bett« können Sie dann als noch gefährlicher als den Außenfeind darstellen, da sie nicht so leicht als Fremde erkennbar sind und das ihnen geschenkte Vertrauen missbrauchen.

Das gilt auch für alle Feinde im Geiste, das heißt die Gegner, die nicht sofort äußerlich auffallen, sondern durch das, was sie denken und fühlen, gefährlich sind. Anhänger fremder Religionen oder Nationen, Vertreter bestimmter politischer Richtungen usw., denen man nicht ansieht, was sie glauben … Wenn bislang von deren feindseligen Absichten nichts zu merken war, so deuten Sie dies als deutlichen Beweis für die Raffinesse und Hinterhältigkeit dieser Leute, als Bestätigung ihrer Gefährlichkeit. Sie brauchen dabei nicht auf den...

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