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E-Book

Anreizregulierung der Bundesnetzagentur. Eine ökonomische Analyse

AutorAndreas Kern
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl103 Seiten
ISBN9783640113002
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich BWL - Wirtschaftspolitik, Note: 1,3, Universität Hamburg (Allokation und Wettbewerb), 150 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte beruht auf der EU-Elektrizitäts-Binnenmarktrichtlinie (96/92/EG) und wurde in Deutschland durch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) umgesetzt. Von 1998 bis 2005 wurde ein verhandelter Netzzugang praktiziert, indem alle Netzzugangsbedingungen durch Verbändevereinbarungen geregelt wurden. Diese Vereinbarungen führten aber nicht zu einer Belebung des Wettbewerbs auf den Energiemärkten, sondern zu einer Zunahme der Konzentration. 2005 waren von den acht großen Energiekonzernen nur noch vier am Markt. In ihrem Besitz befinden sich neben dem Übertragungsnetz auch ca. 90 % der Kraftwerke. Nachdem die Strompreise immer weiter anstiegen, gab das Wirtschaftsministerium dem Druck der Verbraucherschutzverbänden nach und setzte eine Regulierungsbehörde ein. Diese wurde in die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post integriert und in Bundesnetzagentur (BNetzA) umbenannt. Zu den Aufgaben der BNetzA gehört die Entflechtung und Regulierung der Energieversorgungsnetze und die Kontrolle der Netznutzungsentgelte. Die derzeitige Kontrolle über die Entgelte erfolgt durch eine kostenbasierte Preisregulierung in Form von Prüfungen und Genehmigungen bzw. Kürzungen. Die erste Genehmigungsrunde für die Netzentgeltgenehmigung der Energiewirtschaft durch die BNetzA ist abgeschlossen. Die Forderungen der Netzbetreiber wurden um ca. 2,5 Milliarden Euro gekürzt. Auf dem Strommarkt wurden Kürzungen von Durchschnittlich 13 % durchgesetzt; auf dem Gasmarkt von rund 12 % (Vgl. Bünder 2007, S. 1). Die Netzkosten machen ca. 22 % des Gaspreises und ca. 39 % des Strompreises aus. Auch in der gerade begonnenen zweiten Entgeltgenehmigungsrunde wurden bereits Kürzungen der beantragten Netzentgelte im Verteilnetzbereich durchgesetzt. Für die Vattenfall Europe Distribution GmbH Berlin betrug diese 16 %, für Hamburg 18 % (Vgl. BNetzA 2008). Dies bewirkt eine Senkung des Endverbraucherpreises um einen Prozentpunkt. Der zweiten Genehmigungsrunde kommt besondere Bedeutung zu, da sie die Ausgangsbasis für die Anreizregulierung bildet, die zum 01.01.2009 eingeführt wird. Der Wechsel des Regulierungssystems erfolgt um bei den Netzbetreibern dynamische Impulse zu setzen, die in der derzeitigen kostenbasierten Regulierung unterbleiben.

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Leseprobe

2. Einführung in das Grundprinzip des deutschen Anreizregulierungssystems


 

2.1 Von der kostenbasierten Preisregulierung zur Anreizregulierung


 

Derzeit werden die Netznutzungsentgelte in der Energiewirtschaft nach der Strom- bzw. GasNEV gebildet. Dort werden sowohl bilanzielle als auch kalkulatorische Werte miteinbezogen. Die genehmigten Tarife orientieren sich an den Bereitstellungskosten je Leistungseinheit. Steigende Kosten sind somit automatisch mit steigenden Preisen verbunden, während sinkende Kosten, z.B. erzielt durch Produktivitätsfortschritte, mit Preissenkungen verbunden sind.

 

Unter jeder kostenbasierten Preisregulierung bestehen Anreize zu ineffizienter Produktion für das regulierte Unternehmen. Bei der derzeitigen Rate-of-Return-Regulierung, bei der der Gewinn durch einen auf das eingesetzte Kapital bestimmten Zinssatz festgelegt wird, besteht dieser Anreiz in Form des Averch-Johnson Effektes (Vgl. Averch/Johnson 1962, S. 1052ff.). Dieser beschreibt den Vorgang der suboptimalen Substitution des Produktionsfaktors Arbeit zugunsten von Kapital. Dadurch wird möglichst viel Kapital eingesetzt und der Gewinn wird erhöht („goldplating“). Bei der Cost-Plus-Regulierung erfolgt der Aufschlag nicht nur auf das eingesetzte Kapital, sondern auf die gesamten Kosten. Hierdurch wird zwar die Faktorverzerrung aufgehoben, das Unternehmen hat aber den Anreiz zu möglichst hohen Kosten zu produzieren.

 

Bei beiden Methoden besteht kein Anreiz Produktivitätsfortschritte zu erzielen (dynamische Effizienz) und zu minimalen Kosten zu produzieren (Vgl. Fritsch et al. 2005, S.228f). Das entscheidende Problem stellt die Informationsasymmetrie zwischen dem Unternehmen und der Regulierungsinstanz dar. Während das Unternehmen seine Kosten und seine Kostenbereinigungspotenziale kennt, besitzt der Regulierer dieses Wissen nicht. Dadurch entsteht die schwierige Aufgabe nicht betriebsnotwendige Kostenbestandteile zu identifizieren und aus der Kalkulation zu eliminieren (Vgl. Knieps 2005a, S. 81f.). Um diesen Nachteilen zu entgehen, wurde die Regulierung der Energiewirtschaft in vielen Ländern auf ein Anreizregulierungssystem umgestellt.

 

Eine naheliegende Lösung wäre, ein bewährtes Verfahren aus dem Ausland auf Deutschland zu übertragen. Aufgrund der strukturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen ist eine Übertragung auf den deutschen Energiesektor jedoch nicht möglich (Vgl. Monopolkommission 2007, S. 220). Insbesondere die beispiellos hohe Anzahl von Verteilnetzbetreibern in der Bundesrepublik stellt im internationalen Vergleich eine Ausnahme dar. Die konkrete Ausgestaltung der Anreizregulierung muss deshalb ein Makromanagement der Netzbetreiber als Grundlage haben. Dies bedeutet für die Regulierungsbehörde, dass sie stets einen generellen statt einen individualisierten Handlungsansatz wählen sollte.

 

Tab. 1: Netzbetreiberanzahl in europäischen Ländern mit einer Anreizregulierung

 

 

Eigene Darstellung nach Angaben der Commission of the European Communities (2005), S. 66 und S. 71

 

2.2 Das Grundprinzip der Erlösobergrenzenregulierung und die damit verbundenen Probleme der Qualitätssicherung und der Investitionshemmnisse


 

Der von der BNetzA gewählte Anreizregulierungsansatz ist die Erlösobergrenzenregulierung. Bei dieser Form der Anreizregulierung werden die Erlöse von den tatsächlichen Kosten entkoppelt. Das Grundelement dieser Preiskontrolle besteht in der Vorgabe, dass ein Unternehmen für eine festgelegte Periode jede Preisänderung vornehmen kann, solange der Durchschnittspreis eines bestimmten Warenkorbs nicht stärker steigt als RPI[1] – X (Vgl. Beesley/Littlechild 1989, S. 455). RPI steht für die Veränderungsrate des Retail Price Index und gewährt einen Inflationsausgleich. X ist eine regulatorische Vorgabe, die die erwartete Produktivitätsentwicklung widerspiegelt. Die RPI – X Vorgabe stellt somit den zulässigen Erlöspfad für das regulierte Unternehmen dar. Gelingt es dem Unternehmen die Kosten stärker zu senken als der Regulierer es vorschreibt, kann es die dadurch zusätzlich erzielten Gewinne in der Regulierungsperiode behalten (Vgl. Lewis/Sappington 1989, S. 405). Dies wird in Abb. 1 durch die grüne Fläche angezeigt, die die Differenz zwischen dem Erlöspfad und der Kostenentwicklung darstellt.

 

Zu Beginn der nächsten Regulierungsperiode wird der Erlöspfad dann wieder dem tatsächlichen Kostenniveau angepasst, so dass die Effizienzverbesserungen der Netzbetreiber an die Verbraucher in Form von Preissenkungen weitergegeben werden. Die Anreize für die Kostensenkungen der Unternehmen sind umso größer, je länger die Regulierungsperiode dauert und wenn bei der Festlegung des neuen Erlöspfades Effizienzgewinne im Unternehmen verbleiben und nicht vollständig an die Verbraucher weitergegeben werden (Vgl. Schäfer/Schönefuß 2006, S.175).

 

Obwohl die Anreizregulierung einige Schwachpunkte der kostenorientierten Ansätze beseitigt, birgt auch diese Methode Nachteile. Die Entscheidung, Kostensenkungen über den vorgegebenen Erlöspfad hinaus zu realisieren, ist endogen. Entscheidungsträger werden berücksichtigen, dass realisierte Produktivitätsfortschritte die vom Regulierer gesetzte Erlösobergrenze und somit die Unternehmensgewinne in Folgeperioden beeinträchtigen (Vgl. Burns et al. 2005, S. 100). Die beiden Hauptschwachpunkte, die jede Anreizregulierung berücksichtigen muss, sind die Qualitätssicherung und Investitionshemmnisse.

 

Abb. 1: Funktionsweise der RPI-X-Regulierung

 

 

Eigene Darstellung

 

Unter Cap-Regulierungen besteht für den Netzbetreiber der Anreiz, Kosten zu senken indem die Qualität verschlechtert wird. Dies kann durch ein Absenken der Servicequalität, durch unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen oder unterlassene Qualität sichernde Investitionen erfolgen. Um diesem Effekt vorzubeugen muss jede Erlösobergrenzenregulierung um ein Qualitätselement (Q-Faktor) erweitert werden, Die Regulierungsbehörde kann zur Qualitätssicherung Mindeststandards festlegen oder Sanktionsregelungen einführen (Vgl. Franz et al. 2005b, S. 53).

 

Das zweite Problemfeld stellen Investitionshemmnisse dar. Die Reduzierung von Investitionen senkt kurzfristig die Kosten und führt somit zu einer Gewinnsteigerung. Die dadurch entstehende Verschlechterung der Versorgungsqualität wird aber erst später spürbar, so dass der Regulierer Instrumente schaffen muss, die die kurzfristigen Investitionshemmnisse zu beseitigen (Vgl. Wild 2006, S.13).

 

2.3 Die Anreizregulierung im Rahmen des disaggregierten Regulierungsansatzes


 

2.3.1 Der disaggregierte Regulierungsansatz in der Energiewirtschaft


 

In der Regulierung der Netzwirtschaften fand in der Mitte der Neunziger Jahre ein Paradigmenwechsel statt. Bis dahin unterlagen die meisten Netzökonomien einer End-to-End-Regulierung, bei der die gesamte Wertschöpfungskette von der Erzeugung bis zur Verteilung reguliert wurde. Der Wechsel zum disaggregierten Regulierungsansatz beschränkt die Eingriffe auf Netzbereiche mit stabiler Marktmacht (Vgl. Knieps 2007a, S. 2). Stabile Marktmacht liegt nur im Fall des natürlichen Monopols (gekennzeichnet durch Subaddivität) in Verbindung mit irreversiblen Kosten vor. Dieser Bereich wird monopolistischer Bottleneck genannt und nur dieser unterliegt der Regulierung.

 

Abb. 2: Wertschöpfungskette und Wettbewerbsverhältnisse in der Energiewirtschaft

 

 

 

Eigene Darstellung

 

Damit der Wettbewerb auf der vor- und nachgelagerten Ebene der Wertschöpfungskette funktionieren kann, muss den Marktakteuren der diskriminierungsfreie Zugang zum Bottleneck-Bereich gewährt werden. Dies legt die Anwendung der Essential-Facilities-Doktrin nahe, wonach der Zutritt zu einer wesentlichen Einrichtung zu erfolgen hat, wenn drei Kriterien erfüllt sind (Vgl. Blankart/Knieps 1992, S. 490 f.):

 

Der Marktzutritt zu komplementären Märkten ist ohne Zugang zu dieser Einrichtung nicht möglich.

Die Einrichtung ist mit angemessenem Aufwand nicht duplizierbar.

Es gibt keine Substitute für diese Einrichtung.

 In der Energiewirtschaft stellen die Übertragungs- und Verteilnetze den monopolistischen Bottleneck-Bereich dar. Damit der Wettbewerb auf den anderen Marktstufen funktionieren kann, muss der diskriminierungsfreie Zugang gewährleistet sein.

 

In der Regel umfasst die Regulierung der Zugangsbedingungen den Preis, die technische Qualität und den Realisierungszeitraum (Vgl. Knieps 2007a, S. 6). Ein wesentliches Element stellt dabei die Entgeltregulierung dar. Der Zutritt kann auch dadurch verweigert werden, indem für die Netznutzung überteuerte Tarife verlangt werden.

 

2.3.2 Zielsetzungen der Anreizregulierung und Kriterien für die sachgerechte Zweckerfüllung


 

Prinzipiell geht es bei der Regulierung von Monopolen um die gerechtere Aufteilung des sozialen Überschusses als dies im unregulierten Monopol der Fall wäre. Bei der Regulierung von...

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