Nachdem die Grundlagen des Data Minings im zweiten Kapitel ausführlich beschrieben worden sind, richtet sich an dieser Stelle das Augenmerk auf die zwei Hauptthemen dieser Arbeit. Dazu werden als Erstes die Bereiche Produktion und Logistik im Unternehmensumfeld betrachtet und anschließend erfolgt der Übergang zu den logistischen Zielgrößen. Hier liegt der Fokus angesichts der steigenden Bedeutung auf der Termintreue. Das Kapitel endet schließlich mit den Anwendungsmöglichkeiten, in denen Data Mining mittlerweile seinen Einsatz in Produktion und Logistik findet.
Die funktionsorientierte Unterteilung der Betriebswirtschaftslehre liefert die Teilgebiete Produktionswirtschaft, Beschaffung, Finanzwirtschaft und das Personalwesen.[127] Die Produktionswirtschaft beschäftigt sich dabei mit der Transformation von Inputgütern wie Rohstoffen oder Halbfertigteilen durch den Einsatz von Menschen und Maschinen zu wertgesteigerten Outputgütern.[128] Die Logistik wird dagegen in der Betriebswirtschaft als eine ganzheitliche funktionsübergreifende Disziplin gesehen, welche die Optimierung des Material- und Güterflusses unter Berücksichtigung der zusammenhängenden Informationsströme zum Ziel hat. Als betriebliche Querschnittsfunktion dient sie über den Bereichen Beschaffung, Produktion und Absatz mit der Verpflichtung, die Verfügbarkeit des richtigen Gutes, in der richtigen Menge, im richtigen Zustand, am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, zu den richtigen Kosten zu sichern.[129] In der Beschaffung ist die Logistik für die Bereitstellung der für die Produktion notwendigen Inputgüter zu den festgelegten Konditionen verantwortlich. Die Aufgabe der Absatzlogistik beinhaltet analog zur Beschaffungslogistik die konditionsgerechte Bereitstellung der Outputgüter bei den jeweiligen Kunden. Innerhalb des Produktionsprozesses umfasst die Produktionslogistik alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Material und Informationsfluss von Bereitstellungslagern zur Produktion sowie von Halbfertigteilen und Zukaufteilen durch die Stufen der Produktionsprozesse einschließlich aller Zwischenlagerungen über die Montage bis zum Fertigwarenlager.[130] Die Steuerungsfunktion innerhalb der Produktion erfolgt mit Produktionsplanungs- und Steuerungssystemen (PPS). Beispielhaft werden nach Abarbeitung eines vorgegebenen Auftragsprogramms an einer Maschine der Weitertransport an die nächste Station und die Taktung der Maschine mit weiteren Aufträgen geplant bzw. gesteuert.[131] Oft durchlaufen auch heutzutage Aufträge bis zur Auslieferung verschiedene Produktionsstandorte, die geographisch entfernt voneinander liegen. Im Rahmen von Lieferketten, sogenannten Supply Chains, die sich vom Rohmateriallieferanten bis zum Kunden erstrecken, bilden Arbeitsteilungen - verstreut auf der ganzen Welt - den Faktor zum Erfolg.[132] So werden z. B. im Porsche-Werk Leipzig Karosserien, die aus Bratislava kommen, mit Motoren aus Zuffenhausen ausgestattet. Die exakte Abstimmung der Produktionsplanungs- und Steuerungssysteme mit der Produktionslogistik ist hierbei unabdingbar, um eine reibungslos funktionierende Wertkette zu garantieren.
Die hohe Bedeutung der Produktionsplanungs- und Steuerungssysteme für produzierende Unternehmen richtet sich nach der strategischen Wichtigkeit der Logistikleistung und Logistikkosten, die unmittelbar von ihr abhängen und die Wettbewerbsfähigkeit beeinflussen.
Abbildung 19: Zielgrößen der Logistikleistung und Logistikkosten[133]
Wie die Abbildung 19 darstellt, setzen sich die Logistikleistung und Logistikkosten aus den internen sowie externen Zielgrößen zusammen. Die externe Logistikleistung ist danach differenziert, ob es sich um eine Auftragsfertigung, ausgelöst durch einen Kunden, oder um eine Lagerfertigung für das Auffüllen des Lagers handelt. Sie beinhaltet dabei die externen Zielgrößen Lieferzeit, Liefertreue, Lieferterminabweichung und Servicegrad:
Lieferzeit: definiert die Dauer zwischen dem Auftragseingang und der Auslieferung an den Kunden.[134]
Lieferterminabweichung und Liefertreue: Die Lieferterminabweichung gibt die Abweichung zwischen dem tatsächlichen und geplanten Liefertermin an. Eng mit der Lieferterminabweichung verbunden gibt die Liefertermintreue innerhalb eines betrachteten Zeitraums den prozentualen Anteil der Aufträge an, die in einem definierten Toleranzbereich geliefert werden.[135]
Servicegrad: ist der Anteil der Anfragen, die innerhalb eines definierten Zeitraums unmittelbar vom Lager befriedigt werden können.[136]
Gegenüber Kunden ist ein hoher Erfüllungsgrad mit geringer Lieferzeit, hoher Liefertreue und im Idealfall ohne Lieferterminabweichung anzustreben. Um diese externen Zielgrößen zu erreichen, müssen die internen Zielgrößen Durchlaufzeit, Terminabweichung und Termintreue beherrscht werden:
Durchlaufzeit: definiert die Dauer zwischen Freigabe und Bearbeitungsende eines Auftrags.[137]
Terminabweichung und Termintreue: Die Terminabweichung gibt die Differenz zwischen dem tatsächlichen und realisierten Auftragsdurchlauf an. Eng mit der Terminabweichung verbunden führt die Termintreue innerhalb eines betrachteten Zeitraums den prozentualen Anteil der Aufträge an, die in einem definierten Toleranzbereich gefertigt werden.[138]
Die Lieferzeit eines Auftrags ist abhängig von der Durchlaufzeit, da sie die Untergrenze für die Lieferzeit bildet.[139] Die Liefertreue ist von Terminabweichungen entlang der Prozesskette geprägt, die in der Gesamtheit die Termintreue der Prozesse ausmacht und aussagt, ob die zugesagten Termine eingehalten werden. Dabei unterteilt sich die Terminabweichung in die Zugangsabweichung, Durchlaufzeitabweichung und Abgangsabweichung:[140]
Die Zugangsabweichung gibt die Abweichung an, die ein Auftrag gegenüber dem Plan-Starttermin verursacht. Ein positiver Wert bedeutet, dass der Auftrag verspätet, ein negativer Wert früher als geplant beginnt.
Die Durchlaufzeitabweichung, auch als relative Terminabweichung bezeichnet, gibt die Abweichung der Durchlaufzeit gegenüber der Plandurchlaufzeit an. Bei einem positiven Wert verzögert, bei einem negativen Wert beschleunigt der Arbeitsschritt den Prozess.
Die Abgangsabweichung gibt die Abweichung an, die ein Auftrag gegenüber dem Plan-Fertigstellungstermin verursacht. Ein positiver Wert bedeutet, dass der Auftrag verspätet, ein negativer Wert, dass er frühzeitig beendet wird.
Die Abbildung 20 stellt den Zusammenhang der Abweichungen grafisch dar:
Abbildung 20: Definition der Terminabweichungsgrößen nach Dombrowski[141]
Als Teil der Herstellungskosten werden die Logistikkosten bei der Preisbildung mitberücksichtigt.[142] Sie setzen sich aus Bestand, Auslastung und Verzugskosten zusammen:
Bestände: Lödding unterteilt die Bestände in den Lager- und Fertigungsbestand.[143] Den Lagerbestand machen Rohmaterial, Halbfertigteile und Fertigteile aus.[144] Aufträge, die freigegeben, aber noch nicht fertiggestellt sind, ergeben den Fertigungsbestand.[145]
Auslastung: Die Auslastung beschreibt das Verhältnis von mittlerer und maximal möglicher Leistung eines Arbeitssystems.[146]
Verzugskosten: Unter Verzugskosten sind Kosten zu verstehen, die bei nicht termingerechter Auslieferung eines Auftrags entstehen.[147]
Die Logistikkosten erhöhen den Preis für den Kunden, was die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. Auf der anderen Seite können aber auch auf dem Markt für kürzere Lieferzeiten und hohe Termintreue höhere Preise verlangt werden. Die logistischen Zielgrößen ergeben folglich ein wichtiges Differenzierungsmerkmal für die Unternehmen, was auch die Umfrage der Siemens AG nach den Kaufkriterien in Abbildung 21 vorzeigt. Die Liefertreue und Lieferzeit sind hier nach der...