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Arbeit mit geistig Behinderten im inklusiven Deutschunterricht der Sekundarstufe I

AutorCarina Zebrowski
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl94 Seiten
ISBN9783656572565
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Didaktik - Deutsch - Pädagogik, Sprachwissenschaft, Note: 1,0, Ruhr-Universität Bochum, Sprache: Deutsch, Abstract: In dieser Arbeit soll nicht das Idealkonzept einer durchweg inklusiven Bildungslandschaft aufgegriffen werden. Es wird eher versucht, Spannungsverhältnisse zwischen dem aktuellen Schulsystem und der Idealvorstellung des Rechts auf Inklusion darzustellen und darauf aufbauend eine Unterrichtseinheit für den Deutschunterricht zu entwickeln, die der Phase des Übergangs gerecht werden kann und mögliche Hilfestellungen für die Lehrpersonen aufzeigt. Der Bezug zum Deutschunterricht ist insofern interessant, als er in seiner aktuellen Ausrichtung vielen Anforderungen gerecht werden muss. So geht es nicht mehr nur um die Vermittlung fachlichen Wissens - in diesem Beispiel um Sprachwandel und Sprachbewusstsein im Teilbereich Reflexion über Sprache - sondern zusätzlich um die Lese- und Sprachförderung sowie die Vermittlung von Medien- und Methodenkompetenz. Die Herausforderung für die Lehrerperson besteht darin, in einem stark heterogenen Klassenzimmer möglichst allen Schülern gerecht zu werden, an geeigneter Stelle zu differenzieren, Hilfs- oder Fördermittel bereitzustellen und gleichzeitig die Anschlussfähigkeit der einzelnen Schüler zu gewährleisten. In der vorgestellten Unterrichtseinheit im vierten Kapitel wird auf diese Ansprüche Bezug genommen und versucht, in einem noch sehr strukturierten und noch nicht inklusiven Schulsystem die Arbeit im inklusiven Klassenzimmer realistisch darzustellen. Die Einbindung und Unterstützung der beiden geistig behinderten Schüler Björn und Lisa spielt dabei eine zentrale Rolle. Im ersten Teil dieser Arbeit (Kapitel zwei und drei) werden - vorbereitend auf den Praxisbezug - zunächst das (Ideal-) Konzept der Inklusion sowie die Problematik, die sich bei der Umsetzung im aktuellen deutschen Schulsystem ergibt, vorgestellt. Zudem wird der Umgang mit Heterogenität durch den adäquaten Einsatz von innerer Differenzierung und Individualisierung aufgeführt, da diese die zentralen Bezugspunkte für die Aufgabenstellungen in der anschließenden Unterrichteinheit sein werden. Letztere umfasst elf Unterrichtsstunden zum Thema 'Entwicklungen der deutschen Gegenwartssprache: Anglizismen', die für eine Regelklasse konzipiert und mit Differenzierungsmöglichkeiten und besonderen Hilfestellungen für die geistig behinderten Schüler Lisa und Björn ergänzt werden.

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Leseprobe

1. Einleitung


 

1.1 Zielsetzung der Arbeit


 

„In der inklusiven Schule entfällt […] die hergebrachte Einteilung nach Behinderungsarten ebenso wie eine klassifizierende und etikettierende Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs. Und es gibt auch nicht mehr Ressourcen für einzelne etikettierte Kinder mit Behinderungen, sondern Ressourcen für heterogene Lerngruppen und heterogene Systeme.“[1]

 

Nach dieser Aussage zur Inklusion[2] trägt der Titel dieser Arbeit einen Widerspruch in sich: „Arbeit mit Geistig Behinderten im inklusiven Deutschunterricht […]“. Denn das Kriterium der Dekategorisierung, das nach Wocken ein zentrales Merkmal der Inklusion ist[3], wird hier anscheinend übergangen. In dieser Arbeit soll allerdings nicht das Idealkonzept einer durchweg inklusiven Bildungslandschaft aufgegriffen werden. Es wird eher versucht, Spannungsverhältnisse zwischen dem aktuellen Schulsystem und der Idealvorstellung des Rechts auf Inklusion darzustellen und darauf aufbauend eine Unterrichtseinheit für den Deutschunterricht zu entwickeln, die der Phase des Übergangs gerecht werden kann und mögliche Hilfestellungen für die Lehrpersonen aufzeigt.

 

Der Bezug zum Deutschunterricht ist insofern interessant, als er in seiner aktuellen Ausrichtung vielen Anforderungen gerecht werden muss. So geht es nicht mehr nur um die Vermittlung fachlichen Wissens – in diesem Beispiel um Sprachwandel und Sprachbewusstsein im Teilbereich Reflexion über Sprache – sondern zusätzlich um die Lese- und Sprachförderung sowie die Vermittlung von Medien- und Methodenkompetenz.[4] Die Herausforderung für die Lehrerperson besteht darin, in einem stark heterogenen Klassenzimmer möglichst allen Schülern gerecht zu werden, an geeigneter Stelle zu differenzieren, Hilfs- oder Fördermittel bereitzustellen und gleichzeitig die Anschlussfähigkeit der einzelnen Schüler zu gewährleisten. In der vorgestellten Unterrichtseinheit im vierten Kapitel wird auf diese Ansprüche Bezug genommen und versucht, in einem noch sehr strukturierten und noch nicht inklusiven Schulsystem die Arbeit im inklusiven Klassenzimmer realistisch darzustellen. Die Einbindung und Unterstützung der beiden geistig behinderten Schüler Björn und Lisa[5] spielt dabei eine zentrale Rolle.

 

1.2 Herleitung und Problemstellung


 

Seit im März 2009 die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung in Kraft trat, steht das Schulsystem vor einer seiner größten Veränderungen. Der „Druck auf allen Akteursebenen im Bildungssystem [könnte] momentan nicht größer sein“[6] und besonders Schulen und Lehrer werden die „Hauptträger des Prozesses zu mehr gemeinsamem Lernen sein.“[7] Amrhein stellt dazu die entscheidende Frage, „ob die Schule in ihrer gegenwärtigen Verfasstheit überhaupt nachhaltige Veränderungen hin zu mehr gemeinsamem Lernen einleiten kann.“[8] Das gegenwärtige deutsche drei-gliedrige (oder vier-gliedrige, wenn man die Sonderschulen einbezieht) Schulsystem wird vor allem nach dem Beschluss der UN-Behindertenrechtskonvention stark kritisiert: Schule müsse von Grund auf neu gedacht und strukturiert werden, um die besonderen Fähigkeiten und Bedarfe der Kinder zu berücksichtigen, damit sie sich zu autonomen, selbstsicheren und mündigen Personen entwickeln können.[9]

 

Sowohl das Konzept der inklusiven Bildung als auch die damit verbundene Umstrukturierung auf schulischer und unterrichtlicher Ebene sind derzeit also stark im Aufbau. Es ist nun keine Frage mehr, ob die UN-Behindertenrechtskonvention umgesetzt werden muss, sondern nur noch wie dies geschehen soll.[10] Dieser Prozesscharakter legitimiert den oben angeführten ‚Widerspruch‘ im Titel dieser Arbeit. Auch die von Stangier und Thoms zusammengestellten, sehr praxisorientierten und auf Erfahrungsberichte aufbauenden Unterrichtsvorschläge basieren häufig auf Diagnosen und Etikettierungen. Ihre Erklärung dafür soll auch für diese Arbeit gelten:

 

„In einem wirklich inklusiven Bildungssystem haben Etiketten wie die sonderpädagogischen Förderschwerpunkte […] ausgedient. Dass sie in diesem Buch dennoch zu finden sind, hat wenig mit Inklusion und viel mit unserer gewachsenen Schulkultur zu tun, in der das Sortieren von Schülern seit Jahrzehnten zur Selbstverständlichkeit geworden ist.“[11]

 

Bis heute sind Schulen rechtlich gezwungen, Schüler[12] mit Behinderung generell anders zu behandeln als die „Regelschüler“. Überall in Deutschland werden Schüler einem amtlichen Gutachterverfahren unterzogen und mit einem „Förderschwerpunkt“ diagnostiziert, um die nötige sonderpädagogische Unterstützung und die Eingliederungshilfe zu rechtfertigen[13]. Dies „widerspricht jedoch der Inklusion, weil es Normalität verhindert und den Schüler amtlich zum Sonderfall macht. […] Die Entwicklung einer inklusiven Pädagogik wird dadurch massiv behindert.“[14]

 

In einer sich entwickelnden inklusiven Pädagogik muss das Verständnis von „Behinderung“[15] demnach neu definiert werden. Eberwein und Knauer sowie Stangier und Thoms sehen die Behinderung als Teil der Persönlichkeit[16] an, sie sei ein Merkmal der Person, jedoch nur eines unter vielen. Der Mensch stehe im Vordergrund, nicht seine Behinderung.[17] Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit – ganz im Sinne der der Inklusion – auf eine medizinische und soziale Definition einer (geistigen) Behinderung verzichtet.[18] Die bisherigen Ausführungen und auch die anschließende Unterrichtseinheit wird zeigen, dass eine allgemeine Diagnose „geistige Behinderung“ für einen erfolgreichen inklusiven Unterricht prinzipiell[19] unnötig ist.

 

Der Beschluss zum Recht auf Inklusion hat in erster Linie dazu geführt, dass das „Thema jeden etwas angeht.“[20] Besonders Schulen müssen sich nun aktiv um die Realisierung einer inklusiven Bildung bemühen. Trotz aller Schwierigkeiten wird Inklusion in Deutschland also praktiziert. Erfahrungsberichte von Lehrern und Sonderpädagogen[21] sowie Studien und Ländervergleiche werden und wurden genutzt, um Konzepte für eine erfolgreiche inklusive Bildung zu erstellen. Da für die vorliegende Arbeit besonders die unterrichtliche Ebene von Bedeutung ist, werden hier vor allem Methoden und Unterrichtsstrukturen vorgestellt, die sich bisher als wegweisend im Umgang mit stark heterogenen Klassen erwiesen haben. Als Definition für inklusionstaugliche Didaktikmodelle lässt sich die folgende anbringen:

 

„[Es sind] Konzepte, die das Lernen des Kindes als individuellen Prozess in Kooperation mit anderen Menschen verstehen und die aktive Auseinandersetzung des Kindes mit seiner Umwelt ermöglichen und den Prinzipien der Gerechtigkeit, der Gleichwertigkeit, der Freiheit, der Autonomie, der Selbstbildung, der Selbstbestimmung, Solidarität, der Kooperation und des Dialogs entsprechen.“[22]

 

Vor allem Formen der Individualisierung und inneren Differenzierung haben sich im heterogenen Klassenzimmer als sinnvoll erwiesen. Die Vielfalt soll genutzt und anerkannt werden, damit allen Kindern das gleiche Recht auf Differenz zuerkannt wird. Für die Schulen und Lehrpersonen bedeutet das eine Umstrukturierung ihrer bisherigen Methoden und Gewohnheiten. Die Lehrerrolle verändert sich vom Hauptakteur zum Beobachter und Förderer, der Unterricht wird offener und differenzierter, die Selbstverantwortung der Schüler steigt. All dies ist jedoch ohne eine diagnostische Kompetenz seitens der Lehrpersonen nicht möglich. Sobald die Schüler selbstverantwortlich und differenziert lernen, sind eine genaue Leistungsrückmeldung sowie die Erstellung von Förderplänen unerlässlich. Hierbei wird nicht unterschieden zwischen den Schülern mit und ohne Behinderung.[23] Die Förderpläne stellen Stärken und Schwächen aller Kinder dar, dennoch benötigen sowohl die Erstellung als auch die Festlegung konkreter und adäquater Fördermaßnahmen (nicht nur) bei geistig behinderten Kindern häufig sonderpädagogische Kenntnisse. Jedoch – und hier setzt diese Arbeit an – haben Regelschullehrer im Normalfall keine sonderpädagogische Ausbildung erhalten und auch eine Ausrichtung des Studiums auf den Umgang mit stark heterogenen Klassen in Form von Differenzierung und Individualisierung ist und war in der Regel nicht Bestandteil der allgemeinen Lehrerausbildung.

 

1.3 Aufbau der Arbeit


 

Im ersten Teil dieser Arbeit (Kapitel zwei und drei) werden – vorbereitend auf den Praxisbezug – zunächst das (Ideal-) Konzept der Inklusion sowie die Problematik, die sich bei der Umsetzung im aktuellen deutschen Schulsystem ergibt, vorgestellt. Zudem wird der Umgang mit Heterogenität durch den adäquaten Einsatz von innerer Differenzierung und Individualisierung aufgeführt, da diese die zentralen Bezugspunkte...

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