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Arbeitsorientiertes Lernen

Zur Psychologie der Integration von Lernen und Arbeit

AutorKarlheinz Sonntag, Ralf Stegmaier
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl276 Seiten
ISBN9783170295438
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Der Übergang zur Wissensgesellschaft, technologische Innovationen, die Auflösung fester Berufsverläufe sowie die zunehmende Flexibilisierung von Arbeit fordern von Mitarbeitern und Führungskräften, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten durch kontinuierliches Lernen zu erhalten und weiterzuentwickeln. Um der Dynamik der Lernbedarfe gerecht zu werden, müssen Lernen und Arbeit in Konzeption und Gestaltung stärker verbunden werden. Arbeitsorientiertes Lernen bietet hierfür einen neuen Ansatz. Im Mittelpunkt dieses Buches steht die Frage, wie Lernen direkt in der Arbeit gestaltet werden kann und wie der Arbeitsbezug in Lernumgebungen zu verbessern ist. Hierzu werden psychologische Grundlagen und Modelle, praxisorientierte Gestaltungsansätze sowie Analyseinstrumente und Methoden dargestellt und diskutiert.

Professor Dr. Karlheinz Sonntag lehrt und forscht am Psychologischen Institut der Universität Heidelberg mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie. Dr. Ralf Stegmaier ist wissenschaftlicher Assistent in der Abteilung Arbeits- und Organisationspsychologie des Psychologischen Instituts an der Universität Heidelberg.

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Leseprobe

2 Theorien und Modelle zur Integration von Arbeit und Lernen


2.1 Theoretische Zugänge zu Aspekten arbeitsorientierten Lernens


Wie im vorangegangenen Abschnitt gezeigt, findet arbeitsorientiertes Lernen sowohl direkt in Arbeitsprozessen als arbeitsintegriertes Lernen als auch in speziell gestalteten Lernumgebungen als arbeitsbezogenes Lernen statt. Diese breite inhaltliche Auslegung macht deutlich, dass es die Theorie zur Erklärung und Beschreibung arbeitsorientierten Lernens nicht geben kann. Vielfältige theoretische Ansätze aus unterschiedlichen Disziplinen der Psychologie können herangezogen werden, um das Verständnis von Lernprozessen, sowohl arbeitsintegrierten als auch arbeitsbezogenen, in Organisationen zu verbessern. Theoretische Modelle der Instruktionspsychologie sowie arbeits-, personal- und organisationspsychologische Konzepte liefern Ansatzpunkte zur Erklärung und Beschreibung arbeitsorientierten Lernens (vgl. Tab. 2.1).

Die in der Tabelle aufgeführten Konzepte unterscheiden sich in ihren Akzentuierungen, hinsichtlich der Auslösung und Intention des Lernens, der Lerninhalte und Lernergebnisse sowie modellierter lernrelevanter Prozesse und Strukturen im Arbeitskontext.

Werden Fragen nach Auslösern bzw. der Intention von Lernprozessen in Organisationen gestellt, so finden sich als Kriterien die Verbesserung der Arbeitsleistung (z. B. arbeitsimmanentes Lernen), die Anpassung an veränderte Anforderungen der Arbeit (z. B. Anpassung bei der Arbeit), das Eröffnen von Karriereperspektiven (z. B. karrierebezogenes kontinuierliches Lernen, karrierebezogenes Selbstmanagement), die Umsetzung arbeitsbezogener Verbesserungen (z. B. taking charge) oder die Entwicklung der beruflichen Identität (z. B. job crafting oder organisationale Sozialisation). Aus der Perspektive der eigentlichen Lerninhalte oder Lernergebnisse zeigen sich deutliche Unterschiede in den Schwerpunktsetzungen der verschiedenen Theorien. Die betrachteten Ergebnisse reichen von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten (situiertes Lernen, Beobachtungslernen), über Einstellungen, Motive und Werte (arbeitsimmanentes Lernen, Veränderung psychischer Regulationsgrundlagen) bis hin zur beruflichen Identität (job crafting, organisationale Sozialisation).

Tab. 2.1: Auswahl theoretischer Konzepte zu Aspekten arbeitsorientierten Lernens

Ansatz

Lernrelevante Prozesse und Strukturen

Lernergebnis/Lernintention

Arbeitspsychologische Theorien

Veränderung psychischer Regulationsgrundlagen

(Hacker, 2005; Volpert, 1985)

Sensibilisierung der Sinnessysteme, Psychische Automatisierung, Verbalisierung, Intellektuelle Durchdringung

Ausdifferenzierte psychische Regulationsgrundlagen

Arbeitsimmanentes Lernen

(Baitsch, 1998; Bergmann, 1996; Frei, Duell & Baitsch, 1984)

Auseinandersetzung mit Arbeitsaufgabe, Technik und sozialem Umfeld

Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse, Einstellungen, Werte (= Kompetenzen)

Instruktionspsychologische Theorien

Situiertes und problemorientiertes Lernen

(Reinmann-Rothmeier & Mandl, 2001)

Lernen als aktiver, selbstgesteuerter, konstruktiver und sozial verankerter Prozess

Transferfähiges Wissen Teilhabe an einer Expertengemeinschaft

Beobachtungslernen

(Bandura, 1977)

Aufmerksamkeitsprozesse, Behaltensprozesse, motorische Reproduktionsprozesse, Motivationsprozesse

Aneignung und Ausführung von Modellverhalten

Selbstgesteuertes Lernen

(Friedrich & Mandl, 1997; Schiefele & Pekrun, 1996)

Strukturelle und prozessuale motivationale und kognitive Komponenten

Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen

Personalpsychologische Theorien

Karrierebezogenes kontinuierliches Lernen

(London & Smither, 1999)

Lernvorbereitung, Lernphase, Anwendungsphase

Karriererelevante Kompetenzen

Eröffnen von Karriereperspektiven

Karrierebezogenes Selbstmanagement

(Kossek, Roberts, Fisher & DeMarr, 1998)

Einholen von entwicklungsorientiertem Feedback

Vorbereitung auf Karrieremöglichkeiten

Aktives Gestalten der eigenen Karriere

Verbesserte Beschäftigungschancen

Job crafting

(Wrzesniewski & Dutton, 2001)

Veränderung aufgabenbezogener, kognitiver und sozialer

Grenzen der Arbeit

Verändertes job design

Entwicklung beruflicher

Identität

Taking charge

(Wolfe, Morrison & Phelps, 1999)

Veränderung von Aufgaben, Prozessen, Strukturen und Rollendefinition

Implementation von arbeitsbezogenen Verbesserungen

Organisationspsychologische Theorien

Anpassung bei der Arbeit

(Chan, 2000a, b)

Adaptive Expertise

Flexible Situations-Verhaltens-Kombinationen

Lernzielorientierung

Erfolgreiche Anpassung an veränderte Arbeitsanforderungen

Organisationale Sozialisation

(Heinz, 1998; Moser, 2004)

Fremd- und Selbstselektion Auseinandersetzung mit sozialer und kultureller Umwelt

Normen, Werte, Identität

Auch in der Charakterisierung der lernrelevanten Prozesse und Strukturen zeigen sich verschiedenartige Zugangsweisen der Konzepte. In einigen Ansätzen werden konkrete lernrelevante Verhaltensweisen von Lernenden benannt (karrierebezogenes kontinuierliches Lernen, job crafting oder karrierebezogenes Selbstmanagement), andere Ansätze konzentrieren sich eher auf grundlegendere Prozesse der Informationsverarbeitung (Veränderung psychischer Regulationsgrundlagen) bzw. auf motivationale Prozesse und Strukturen (Beobachtungslernen, selbstgesteuertes Lernen).

Betrachtet man die verschiedenen Theorien im Vergleich, so fällt auf, dass sowohl im Grad der Elaboration als auch in der Anwendungsbreite deutliche Unterschiede bestehen. So zählen beispielsweise die Theorie des Beobachtungslernens oder die Handlungsregulationstheorie zu den hoch elaborierten Ansätzen. Dagegen haben Ansätze wie job crafting oder taking charge den Charakter von Modellbildungen. Eine hohe Anwendungsbreite besitzen die Ansätze zum situierten und problemorientierten Lernen. Theorien zum situierten oder problemorientierten Lernen können beispielsweise als...

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