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E-Book

Argumentation

Einführung in die Theorie und Analyse der Argumentation

AutorKati Hannken-Illjes
VerlagNarr Francke Attempto
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl193 Seiten
ISBN9783823300861
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Das Buch bietet eine Einführung in theoretische Konzepte und analytische Ansätze zur Argumentation. Ausgangspunkt sind drei unterschiedliche Perspektiven: die logische, die dialektische und die rhetorische Perspektive. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dialektischen und rhetorischen Ansätzen. Die Fragen: Welche Form hat ein Argument? Welche Funktion hat Argumentation? Wie bestimmt sich die Geltung von Argumenten/ Argumentation? leiten durch die Darstellungen und Diskussionen. Der Band umfasst drei Abschnitte: I) die verschiedenen Perspektiven auf Argumentation und die relevanten Theorien, II) die Möglichkeiten der Analyse von Argumentation und aktuelle Fragen innerhalb der Argumentationswissenschaft sowie III) aktuelle Forschungsthemen, hier das Verhältnis von Narration und Argumentation, die Multimodalität von Argumentation und das Problem fundamentalen Dissenses (Deep Dissensus). Er richtet sich an Studentinnen und Studenten der Rhetorik, Linguistik, Sprechwissenschaft, Philosophie und Sozialwissenschaft sowie an alle am Gegenstand der Argumentation interessierten Leserinnen und Leser.

Prof. Dr. Kati Hannken-Illjes lehrt Sprechwissenschaft an der Philipps Universität Marburg.

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Leseprobe

Das Vorgehen in diesem Buch


Diese Einführung bietet einen systematischen Zugang und orientiert sich an der Dreiteilung der Perspektiven auf Argumentation in die logische, dialektische und rhetorische Perspektive. Leitend für die Vorstellung und Diskussion der verschiedenen Ansätze sind drei Gesichtspunkte: Unabhängig vom Zugang, den ein bestimmter Ansatz wählt, liegt ihm eine Vorstellung davon zu Grunde, welche Funktion Argumentation hat, welche Form ein Argument hat und was die Geltung eines Arguments bestimmt. Diese drei Aspekte: Form, Funktion und Geltungsbedingungen sind grundlegend für die Diskussion. Sie führen zu folgenden Leitfragen:

Was ist nach diesem Ansatz die Form eines Arguments?

Was ist nach diesem Ansatz die Funktion von Argumentation?

Was bestimmt nach diesem Ansatz die Geltung von Argumenten?

Im Onlinematerial zu diesem Buch befindet sich eine umfassende Matrix, die die verschiedenen Ansätze orientiert an den drei Leitfragen einordnet.

 

Damit die Zusammenhänge und Differenzen der verschiedenen Perspektiven und Ansätze deutlich werden, wird ein Beispiel durch alle Kapitel geführt. Das Beispiel stammt aus dem Stück „Twelve Angry Men“ (deutsch: „Die zwölf Geschworenen“) von Reginald Rose. Es wurde 1957 von Sidney Lumet mit Henry Fonda verfilmt, 1963 folgte eine deutsche Verfilmung von Günter Gräwert. Dieses Kammerspiel dreht sich um die Juryberatung in einem Strafverfahren in den USA. Die zwölf Jurymitglieder müssen die Entscheidung treffen, ob ein 19jähriger Mann seinen Vater erstochen hat und des Mordes schuldig ist. Dem jungen Mann droht die Todesstrafe. Das Stück nimmt ausschließlich die Beratung der Jury in den Blick, eine Beratung, die überhaupt nur stattfindet, weil Juror 8 in der ersten Abstimmung für nicht schuldig plädiert und damit einen sofortigen Schuldspruch unmöglich macht. Die Beispielsequenz, mit der ich in diesem Buch arbeite, ist ein Auszug aus dem Beginn der Beratung. Sie soll hier einmal in Gänze vorgestellt werden, in den folgenden Kapiteln werde ich dann nur mit einzelnen Aspekten arbeiten. Grundlage für die Analyse des Beispiels ist die deutsche Fassung des Theaterstücks von Horst Budjuhn. Im Original werden die einzelnen Geschworenen nur mit Nummern kenntlich gemacht, für die Nutzung in diesem Buch erschien es passender, sie mit „Juror X“ und nicht mit „Nummer X“ zu benennen. Kleinere Regieanweisungen, die für die Analyse irrelevant sind, werden stillschweigend ausgelassen. Der gesamte Film (der amerikanische wie der deutsche) sei allen Argumentationsinteressierten sehr empfohlen.

JUROR 1: Also elf Stimmen für „schuldig“. In Ordnung. – „Nicht schuldig“? (Juror 8 hebt langsam die Hand.) Eine. – Klar, 11:1 für „schuldig“. Jetzt wissen wir wenigstens, woran wir sind.

 

 

JUROR 3: Seien wir doch mal vernünftig! Sie haben im Gerichtssaal gesessen und genau die gleichen Dinge gehört wie wir alle. Der Bursche ist ein gemeingefährlicher Mörder. Das haben Sie ihm doch angesehen.

JUROR 8: Er ist neunzehn Jahre alt.

JUROR 3: Alt genug, um seinen Vater zu erstechen! Zehn Zentimeter tief in die Brust!

JUROR 6: Der Fall liegt eigentlich klar, ich war eigentlich … ja, ich war vom ersten Tag an überzeugt, daß –

JUROR 3: Sie waren nicht der einzige! Der Fall ist nun wirklich bis in die letzte Einzelheit aufgeklärt. Die haben sich so viel Mühe gegeben, es uns zu beweisen. Wieder und wieder. Ja, soll ich am Ende gescheiter sein als die studierten Richter.

JUROR 8: Niemand verlangt es von Ihnen.

JUROR 10: Ja, was wollen Sie dann noch?

JUROR 8: Ich möchte nur darüber sprechen.

JUROR 7: Und was soll dabei rauskommen? Elf der Anwesenden sprechen ihn schuldig. Das ist genug gesprochen! Nicht einer hat das geringste Bedenken – bis auf Sie!

JUROR 10: Nur eine Frage.

JUROR 8: Bitte.

JUROR 10: Glauben Sie dem Jungen ein Wort?

JUROR 8: Ich weiß nicht, ob ich ihm glaube. Vielleicht glaube ich ihm nicht.

JUROR 7: Dann verstehe ich noch weniger, warum Sie für „nicht schuldig“ gestimmt haben!

JUROR 8: Elf haben ihn schuldig gesprochen. Ich kann nicht so einfach meine Hand heben und jemanden in den Tod schicken. Ich muß erst darüber sprechen.

JUROR 10: Sie hören sich wohl gerne selber reden?

 

 

JUROR 7: Na, sehen Sie! Und was ist [!] für ein Unterschied, wie lange ich dazu brauche? Ich hebe meine Hand hoch, weil ich überzeugt bin. Wir alle sind einfach überzeugt. Ich brauche dazu nicht mal fünf Minuten. –

JUROR 8: Ich brauche vielleicht eine Stunde. – Das Baseball-Match fängt ja nicht vor acht Uhr an.

 

 

JUROR 9: Ich habe nichts dagegen, daß wir eine Stunde hier bleiben.

JUROR 10: Idiot! – Entschuldigen Sie, es ist mir so rausgerutscht!

JUROR 9: Bitte, bitte, tun Sie sich keinen Zwang an.

JUROR 10: Ich nehme Sie beim Wort. Gestern abend habe ich einen guten Witz gehört …

JUROR 8: Dazu sind wir nicht hier.

JUROR 10: Gut, gut, gut, dann klären Sie mich auf, warum wir hier sind. Oder wissen Sie es selber nicht?

JUROR 8: Ich weiß nur, daß dieser Junge sein ganzes Leben herumgestoßen wurde. Er ist in einem Elendsviertel aufgewachsen, hat früh seine Mutter verloren. Damals war er neun Jahre alt. Für anderthalb Jahre hat man ihn in ein Waisenhaus gesteckt, weil sein Vater eine Gefängnisstrafe absitzen mußte. Wegen Scheckfälschung, stimmt’s? Ja, das ist kein gutes Sprungbrett fürs Leben. Wie sagten Sie noch – auf freier Wildbahn gegrast? Man hätte sich eben mehr um ihn kümmern sollen.

JUROR 3: Unsere Waisenhäuser sind okay. Wir zahlen Steuern dafür.

 

 

JUROR 8: Und wissen Sie auch, wer ihn geschlagen hat? Nicht nur sein eigener Vater, nicht unsere sogenannten Erzieher, nicht der Waisenhausvater, nein, meine Herren –

JUROR 7: Jetzt bin ich aber gespannt.

JUROR 8: Wir. – Neunzehn erbärmliche Jahre sind an diesem Jungen nicht spurlos vorübergegangen. Er ist verbittert. Und deshalb – denke ich, schulden wir ihm ein paar Worte. – Das ist alles.

JUROR 10: Ich bin gerührt. Denken Sie von mir was Sie wollen! Aber wir schulden ihm nicht so viel. – Er hat ein saubres Verfahren bekommen. Glauben Sie das ist umsonst? […] Er kann froh sein, daß wir so freigiebig waren. Stimmt’s? Wir sind doch keine Quäker! Wir haben die Tatsachen gehört – und jetzt wollen Sie uns weismachen, daß wir dem Bürschlein glauben sollen! Mir kann der nichts vormachen, nicht so viel – nicht das Schwarze unter dem Nagel glaube ich dem. Ich habe lange genug unter ihnen gelebt, ich kenne sie in- und auswendig. Die sind geborene Verbrecher, alle durch die Bank! Untermenschen!

JUROR 11: Untermenschen.

JUROR 10: Mir können Sie das glauben!

JUROR 9: Es ist möglich … aber es ist entsetzlich, so was zu glauben. Gibt es tatsächlich geborene Verbrecher? – Ist das Verbrechen denn typisch für eine bestimmte Klasse? Seit wann? Und wer, sagen Sie mir das bitte, hat schon ein Monopol auf die Wahrheit? Wer? Sie vielleicht?

JUROR 3: Papperlapapp, wir brauchen keine Sonntagspredigt!

JUROR 9: Entschuldigen Sie, aber die Ansichten dieses Herrn erscheinen mir denn doch gefährlich –

 

 

JUROR 12: Lassen Sie mich eine Sekunde nachdenken – ja, natürlich, es ist unsere Aufgabe, diesen Herrn zu überzeugen, daß wir im Recht sind und er im Unrecht. Vielleicht könnte jeder von uns ein bis zwei Minuten darauf verwenden. Wie finden Sie das?

 

 

JUROR 1: Also einmal reihum!

[…]

JUROR 1: Zwei Minuten pro Kopf. Sie sind der erste.

JUROR 2: Ja … was soll ich sagen … das ist gar nicht so leicht … ich … ja er ist sicher schuldig. Das ist doch von Anfang an klar gewesen … einen Gegenbeweis hat bisher niemand erbracht.

JUROR 8: Den braucht auch niemand zu erbringen. Die Beweislast obliegt allein dem Gericht. So steht es in unserer Verfassung. Sie brauchen nur nachzulesen.

JUROR 2: Jaja, das weiß ich schon … ich wollte auch nur sagen … na eben, der Mann ist schuldig. Es gibt doch jemand, der die Tat gesehen...

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