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E-Book

Atheismus für Anfänger

Warum wir Gott für ein sinnerfülltes Leben nicht brauchen

AutorRichard Dawkins
VerlagUllstein
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783843721288
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Gottlos glücklich - Ein sinnstiftendes Buch für junge Menschen Brauchen wir Gott, um gute Menschen zu sein? Wie entscheiden wir, was gut oder böse ist? Und woran können wir glauben? Ein Leitfaden für Kinder aus der Feder des wichtigsten Evolutionsbiologen unserer Zeit. Es ist schön, die Geschichte der Arche Noah zu hören, aber besser, sie zu hinterfragen. Kann Jesus ein Vorbild sein, auch wenn ich nicht an Gott glaube? Richard Dawkins schreibt eine Anleitung für Jugendliche. Er zeigt, wie sie ihre Überzeugungen aus wissenschaftlichen Fakten gewinnen können - und sich vom Glauben emanzipieren und zu selbstbestimmten Menschen heranwachsen.

Richard Dawkins, 1941 geboren, ist Evolutionsbiologe. Von 1995 bis 2008 hatte er den Lehrstuhl für Public Understanding of Science an der Universität Oxford inne. Sein Buch Das egoistische Gen gilt als zentrales Werk der Evolutionsbiologie. Seine Streitschrift Der Gotteswahn ist ein Bestseller.

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Leseprobe

Glaubst du an Gott?

An welchen Gott?

Im Lauf der Geschichte wurden auf der Welt Tausende von Göttern angebetet. Polytheisten glauben an viele Götter gleichzeitig (das griechische Wort theos bedeutet »Gott«, und poly sind »viele«). Der Obergott der Wikinger war Wotan (oder Odin). Dann gab es Baldur (den Gott der Schönheit), Thor (den Donnergott mit seinem riesigen Hammer) und dessen Tochter Thrud. Es gab Snotra (die Göttin der Klugheit), Frigg (die Göttin der Mutterschaft) und Ran (die Meeresgöttin).

Auch die alten Griechen und Römer waren Polytheisten. Ihre Götter waren wie die der Wikinger sehr menschenähnlich und hatten starke menschliche Begierden und Gefühle. Die zwölf griechischen Götter und Göttinnen werden häufig neben ihre römischen Entsprechungen gestellt, die angeblich die gleichen Aufgaben erfüllten: der Götterkönig Zeus (römisch Jupiter) mit seinen Donnerkeilen; seine Frau Hera (Juno); der Meeresgott Poseidon (Neptun); Aphrodite (Venus), die Göttin der Liebe; der Götterbote Hermes (Merkur), der sich mittels geflügelter Sandalen fortbewegte; und Dionysos (Bacchus), der Gott des Weines. Unter den wichtigsten Religionen, die bis heute überlebt haben, ist der Hinduismus mit Tausenden von Göttern ebenfalls polytheistisch.

Unzählige Griechen und Römer hielten ihre Götter für echt – man betete zu ihnen, opferte ihnen Tiere, dankte ihnen, wenn man Glück gehabt hatte, und machte ihnen Vorwürfe, wenn etwas schiefgegangen war. Woher wissen wir, dass diese antiken Götter nicht die richtigen waren? Warum glaubt heute niemand mehr an Zeus? Genau können wir es nicht wissen, aber die meisten von uns bezeichnen sich voller Selbstbewusstsein im Hinblick auf diese alten Götter als »Atheisten« (ein »Theist« ist jemand, der an einen Gott oder auch mehrere glaubt; ein Atheist – das »a« steht für »nicht« – tut das nicht). Die Römer bezeichneten früher die Christen als Atheisten, weil sie nicht an Juno, Neptun und ihresgleichen glaubten. Heute verwenden wir das Wort für Menschen, die an keinerlei Götter glauben.

Wie vermutlich du, so glaube auch ich nicht an Jupiter oder Poseidon, Thor oder Venus, Cupido oder Snotra, Mars oder Odin oder Apollon. Ich glaube auch nicht an altägyptische Götter wie Osiris, Thot, Nut, Anubis oder seinen Bruder Horus, der angeblich wie Jesus und viele andere Götter aus der ganzen Welt von einer Jungfrau zur Welt gebracht wurde. Ich glaube nicht an Hadad oder Enlil oder Anu oder Dagon oder Marduk oder irgendeinen altbabylonischen Gott.

Ich glaube nicht an Anyanwu, Mawu, Ngai oder einen der Sonnengötter Afrikas. Ebenso glaube ich nicht an Bila, Gnowee, Wala, Wuriupranili, Karraur oder eine der Sonnengöttinnen der australischen Ureinwohnerstämme. Ich glaube nicht an die vielen keltischen Götter und Göttinnen wie die irische Sonnengöttin Edain oder den Mondgott Elatha. Ich glaube weder an die chinesische Wassergöttin Mazu noch an den Haigott Dakuwaqa von den Fidschi-Inseln oder den hethitischen Meeresdrachen Illuyanka. Ich glaube an keinen der Hunderte und Aberhunderte von Himmelsgöttern, Flussgöttern, Meeresgöttern, Sonnengöttern, Sternengöttern, Mondgöttern, Wettergöttern, Waldgöttern … so viele Götter, und an keinen davon muss man glauben.

Ich glaube auch nicht an Jahwe, den Gott der Juden. An ihn glaubst du wahrscheinlich, wenn du als Jude, Christ oder Muslim aufgewachsen bist. Der jüdische Gott wurde von den Christen und (unter dem arabischen Namen Allah) von den Muslimen übernommen. Christentum und Islam sind Ableger der alten jüdischen Religion. Der erste Teil der christlichen Bibel ist rein jüdisch, und das heilige Buch der Muslime, der Koran, leitet sich teilweise von jüdischen Schriften ab. Diese drei Religionen – Judentum, Christentum und Islam – werden oft zusammenfassend als »abrahamitische« Religionen bezeichnet, weil alle drei ihre Wurzeln auf den mythischen Stammvater Abraham zurückführen, der auch als Begründer des jüdischen Volkes verehrt wird. Abraham wird uns in einem späteren Kapitel wieder begegnen.

Alle drei Religionen werden auch als monotheistisch bezeichnet, weil ihre Mitglieder behaupten, sie würden nur an einen Gott glauben. Dass ich »behaupten« sage, hat mehrere Gründe. Jahwe, heute der beherrschende Gott, den die meisten Menschen meinen, wenn sie »Gott« sagen, fing relativ klein an als Stammesgott der alten Israeliten, die sich für sein »auserwähltes Volk« hielten und glaubten, er werde für sie sorgen. (Dass Jahwe heute auf der ganzen Welt angebetet wird, ist ein historischer Zufall: Es liegt daran, dass Kaiser Konstantin das Christentum 312 n. Chr. zur Staatsreligion des Römischen Reiches machte.) Die Nachbarstämme hatten ihre eigenen Götter, die ihnen nach ihrem Glauben besonderen Schutz gewährten. Und auch wenn die Israeliten ihren Gott Jahwe anbeteten, heißt das nicht zwangsläufig, dass sie nicht auch an andere Götter glaubten, so an Baal, den Fruchtbarkeitsgott der Kanaaniter; sie hielten Jahwe nur für mächtiger – und (wie wir später noch genauer erfahren werden) für extrem eifersüchtig: Wehe dem, der dabei erwischt wurde, wie er mit einem der anderen Götter liebäugelte.

Auch der Monotheismus der heutigen Christen und Muslime ist zweifelhaft. Sie glauben beispielsweise an einen bösen »Teufel« namens Satan (im Christentum) oder Schaitan (im Islam). Er ist auch unter verschiedenen anderen Namen bekannt, wie Beelzebub, Old Nick, der Böse, der Widersacher, Belial oder Luzifer. Sie würden ihn nicht als Gott bezeichnen, schreiben ihm aber göttliche Kräfte zu, und es heißt, er führe mit seinen Kräften des Bösen einen gigantischen Krieg gegen die guten Kräfte Gottes. Religionen erben häufig Ideen von älteren Religionen. Die Vorstellung von einem kosmischen Krieg zwischen Gut und Böse geht wahrscheinlich auf den Zoroastrismus zurück, eine frühe Religion, die von dem persischen Propheten Zoroaster (auch Zarathustra genannt) gegründet wurde und Einfluss auf die abrahamitischen Religionen hatte. Der Zoroastrismus war eine Zwei-Götter-Religion, in der ein guter Gott (Ahura Mazda) gegen den Gott des Bösen (Angra Mainyu) kämpfte. Noch heute gibt es insbesondere in Indien einige Zoroastrianer. Auch das ist eine Religion, an die ich nicht glaube, und du vermutlich auch nicht.

Zu den eher seltsamen Vorwürfen, die insbesondere in Amerika und in islamischen Ländern gegen Atheisten erhoben werden, gehört die Behauptung, sie würden den Satan anbeten. Natürlich glauben Atheisten ebenso wenig an böse Götter wie an gute. Sie glauben an überhaupt nichts Übernatürliches. Nur religiöse Menschen glauben an den Satan.

Das Christentum grenzt auch in anderer Hinsicht an Polytheismus. »Vater, Sohn und Heiliger Geist« werden als »Dreieinigkeit« oder »Dreifaltigkeit« bezeichnet. Was das genau bedeutet, wurde im Lauf der Jahrhunderte immer wieder hitzig und oftmals unter Gewaltanwendung diskutiert. Es hört sich wie eine Formel an, mit der man den Polytheismus in das Korsett des Monotheismus zwängen will. Es ist also verzeihlich, wenn man von Tritheismus spricht. In der Geschichte des Christentums wurde die erste Spaltung in östliche (orthodoxe) und westliche (römisch-katholische) Kirche im Wesentlichen durch Meinungsverschiedenheiten über folgende Frage ausgelöst: Geht der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn hervor (was das auch heißen mag) oder nur aus dem Vater? Theologen verwenden tatsächlich ihre Zeit darauf, über solche Dinge nachzudenken.

Und dann gibt es Maria, die Mutter Jesu. Für Katholiken ist Maria in jeder Hinsicht mit Ausnahme des Namens eine Göttin. Sie streiten zwar ab, dass Maria eine Göttin ist, beten sie aber dennoch an. Sie glauben, Maria habe »unbefleckt empfangen«. Was bedeutet das? Nun ja, Katholiken glauben, wir seien alle »in Sünde geboren«. Selbst kleine Babys, von denen man meinen könnte, sie seien zu jung zum Sündigen. Jedenfalls war Maria (wie Jesus) nach Ansicht der Katholiken eine Ausnahme. Wir anderen erben alle die Sünde Adams, des ersten Mannes. In Wirklichkeit hat es Adam nie gegeben, also konnte er auch nicht sündigen. Aber von solchen kleinen Details lassen sich katholische Theologen nicht abschrecken. Katholiken glauben auch, Maria sei nicht wie alle anderen Menschen gestorben, sondern körperlich in den Himmel »aufgefahren«. Sie gilt ihnen als »Himmelskönigin« (manchmal sogar als »Königin des Universums«!), die oben auf dem Kopf eine kleine Krone balanciert. All diese Dinge, so scheint es, machen sie mindestens ebenso sehr zu einer Göttin wie die Tausenden und Abertausenden von hinduistischen Gottheiten (die in der Vorstellung der Hindus selbst nur verschiedene Spielarten eines einzigen Gottes sind). Wenn Griechen, Römer und Wikinger Polytheisten waren, sind es die Katholiken auch.

Katholiken beten auch einzelne Heilige an, tote Menschen, die als besonders heilig gelten und von einem Papst »kanonisiert« wurden. Papst Johannes Paul II. kanonisierte 482 neue Heilige, und der derzeitige Papst Franziskus nahm an einem einzigen Tag nicht weniger als 813 Heiligsprechungen vor. Viele Heilige sollen besondere Fähigkeiten haben, und deshalb lohnt es sich, zu ihnen zu beten, wenn man ein bestimmtes Anliegen hat oder zu einer bestimmten Menschengruppe gehört. Der heilige Andreas ist der Schutzpatron der Fischhändler, der heilige Thomas ist der Schutzpatron der Architekten, der heilige Donatus der Schutzpatron der Winzer, der heilige Vinzenz der Schutzpatron der Holzfäller, die heilige Lidwina die Schutzpatronin der Schlittschuhläufer. Wer um Geduld beten muss, dem wird ein Katholik vielleicht raten, sich an die heilige Rita von Cascia zu wenden. Wenn der Glaube...

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