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Aufnahme der Türkei in die EU - Pro und Contra

Pro und Contra

AutorAhmet Kirgin
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl94 Seiten
ISBN9783640178988
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Politik - Internationale Politik - Thema: Europäische Union, Note: 1,7, Universität Augsburg, 80 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die über 40jährige Erfolgsgeschichte der europäischen Vereinigung war von Anfang an kein homogener Prozess. Es gab immer wieder Fortschritte, notwendige Kompromisse, aber auch Rückschläge. Um einen für alle Beteiligten akzeptablen Weg zu finden, sind kontroverse Diskussionen unvermeidlich. Aber kaum ein Thema wurde seither so kontrovers diskutiert wie ein möglicher EU-Beitritt der Türkei, und kein Land musste so lang wie die Türkei -mehr als 40 Jahre- warten, um Mitglied der Europäischen Union zu werden. Dabei waren und sind die am häufigsten diskutierten Streitpunkte bei dieser Debatte die Frage nach der Zugehörigkeit der Türkei zu Europa in geographischer, geschichtlicher, politischer, religiöser und kultureller Hinsicht sowie Menschenrechtsverletzungen, Demokratiedefizite, Europas Grenzen, Migration und Sicherheit. Die Diskussionen darüber werden meistens sehr emotionsgeladen geführt und erschöpfen sich oft in der Aufzählung bestehender Probleme, ohne ernsthaft auf Lösungen abzuzielen und eine realistische Perspektive zu bieten. Es werden je nach der parteipolitischen Position des Sprechers größtenteils einseitig entweder nur Vorteile oder Nachteile aufgeführt, ganz so, wie sich das Argument in der politischen Auseinandersetzung gebrauchen lässt. Das liegt teilweise daran, dass die Aufnahme der Türkei nicht nur, wie bis zu den derzeitigen Erweiterungsrunden, auf der technischen Ebene von Beamten, sondern auch auf der politischen von den Staats- und Regierungschefs verhandelt wird. Die Türkei-Frage ist ein öffentliches Diskussionsthema Europas geworden. Ziel dieser Magisterarbeit ist es einen möglichst objektiven, wissenschaftlichen Beitrag zum Thema EU-Beitritt der Türkei, insbesondere in Bezug auf Pro- und Contra- Argumente zu leisten. Der Verfasser dieser Arbeit ist der Meinung, dass jeder politischen Entscheidung eine gründliche wissenschaftliche Analyse vorausgehen muss, ohne dabei soziale und gesellschaftliche Interessen aus den Augen zu verlieren. Da sowohl eine positive als auch eine negative Entscheidung über den EU-Beitritt der Türkei nicht nur für die Türkei sondern auch für die EU von großer Bedeutung ist, ist die Aufnahme oder die Ausgrenzung der Türkei eine historische Entscheidung, die nicht auf der Ebene 'Boulevardpresse', sondern sachlich diskutiert werden muss.

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Leseprobe

  2. Kurzer Überblick: Geschichte der modernen Türkei


 

 In diesem Unterkapitel wird die Geschichte der Türkei bis zum Anfang der Türkei-EU Beziehungen behandelt. Da weitere relevante Ereignisse in der türkischen Geschichte in anderen Kapiteln vorkommen, werden Ereignisse aus jüngerer Zeit hier nicht mit berücksichtigt.

 

  2.1. Allgemeine Situation nach dem Ersten Weltkrieg


 


 Der Erste Weltkrieg endete mit dem Mudros-Waffenstillstandsabkommen für das Osmanische Reich mit bedingungslosen Kapitulationen. Außer der heutigen Türkei hat das Osmanische Reich alle arabische Provinzen, Territorien auf dem Balkan, nördlich des Schwarzen Meeres  und im Kaukasus verloren. Den Siegern des Krieges war es möglich, auch andere Teile Anatoliens zu besetzen.

 

 Mit der Unterschrift unter  den Sevres-Vertrag durch den Sultan verzichte man auf den europäischen Teil der Türkei, Osttrakhien. Außerdem wurde die Provinz Izmir den Griechen zugesprochen. Dieser Vertrag sah im Osten ein Großarmenien vor. Den kurdischen Provinzen wurde Autonomie zugesichert. Der Südwesten Anatoliens war italienischen, Kilikien dagegen französischen Interessen vorbehalten. Istanbul, das Marmarameer und die Dardanellen sollten unter internationaler Aufsicht bleiben. Ein großer Teil Anatoliens wurde unter verschiedenen Ländern aufgeteilt. „Die Türken sollten sich mit einem Rumpfstaat in Zentralanatolien bescheiden, ohne Zugang zum Mittelmeer.“[2] Kurz nach der Unterzeichnung des Sevres-Abkommens begannen die Alliierten die Resttürkei zu besetzen. Der Einmarsch der Griechen in Izmir am 13. Mai 1919 mit dem Ziel, die „Große Idee“ (Megala Idea) zu realisieren, hatte schwere Folgen für die Zivilbevölkerung beider Seiten. Die Griechen versuchten die vorher deportierte Bevölkerung wieder zurückzuholen. Auch viele Moslems verließen griechische Territorialgebiete und kamen nach Anatolien.

 

 Nach der Besetzung von Izmir durch die Griechen reagierte die Zivilbevölkerung und gründete eine eigene Organisation um gegen diese Besetzung Widerstand zu leisten. Die in Izmir gegründete „Gesellschaft für die Zurückweisung der Annexion“ (Redd-i Ilhak Cemiyeti) ist der Anfang des anatolischen Widerstands, aber „die vollständig auf Mustafa Kemals Rolle eingestellte türkische Geschichtsschreibung hebt dagegen sein Eintreffen in der Hafenstadt Samsun am 19. Mai 1919 als Beginn des Befreiungskrieges hervor.[3]“ Mustafa Kemal organisierte eine freiwillige Bevölkerungsgruppe, um einen Befreiungskampf zu führen, woraufhin die britische Seite seinen sofortigen Rücktritt vom osmanischen Kriegsminister forderte. Mustafa Kemal äußerte sich dagegen, dass er aus der Armee austreten würde, aber im Herzen der anatolischen Bevölkerung bleibe und seine Arbeit für die Nation weiterführe, bis die Nation Unabhängigkeit erreicht hätte, wenn man ihn dazu zwinge. Dass die bedeutenden Befehlshaber - wie Ali Fuad und Kazim Karabekir- an seiner Seite standen, ermöglichte es M. Kemal sich gegen die Alliierten und den Sultan so auszusprechen. Nach einem Jahr war der Krieg gegen Griechenland erfolgreich, woraufhin diese am 15. September Izmir verlassen mussten.

 

 Entgegen dem Ziel der Briten, die sich in verschiedenen Teilen Anatoliens befundenen Truppen zu entwaffnen, erreichte Mustafa Kemal am 19 Mai 1919 mit seinen Leuten Samsun. Er organisierte aber diese Truppen als Kern des nationalen Widerstands, anstatt sie zu entwaffnen und organisierte kurz danach einen ersten Kongress in Erzurum, an dem kurdische Stammesführer, geistliche Führer und osmanische Offiziere teilnahmen. Dieser Kongress ist ein sehr wichtiger Schritt im anatolischen Befreiungskrieg, der zur Bildung des „Vereins zur Verteidigung der Rechtsordnung Anatoliens“ führte und neben der Rekrutierung der Armee den Widerstand politisierte. Auf diesem Kongress trat Mustafa Kemal in Zivil auf und demonstrierte damit seinen Austritt aus der osmanischen Armee.

 

 Der Erzurum-Kongress beschäftigte sich mit einem „Nationalpakt“ (Misak-i Milli genannt) und nannte die Gründe für den Widerstand in Anatolien. Dieser Pakt -Misak-i Milli- gilt auch noch heute als Grundlage der türkischen Staatspolitik. Schon im ersten Artikel, dessen Betrachtung für ein besseres Verständnis der heutigen Kurdenproblematik sehr wichtig ist, wird betont, dass die östlichen Provinzen und die anderen osmanischen Gebiete zusammengehören. Es wurde „…die territoriale Integrität und nationale Souveränität aller Landesteile innerhalb der Waffenstillstandslinien sowie anderer Territorien, in denen Muslime die Mehrheit bildeten,“[4] verlangt.

 

 Dem Erzurum-Kongress folgte der Sivas-Kongress. In diesem Kongress wurden Endergebnisse des Erzurum-Kongresses noch einmal bestätigt und die Position Mustafa Kemals gefestigt. Der Kongress verstand sich als Vertreter der gesamten Nation. Es wurde die „Gesellschaft zur Verteidigung der nationalen Rechte von ganz Anatolien und Thrazien“ gegründet und praktisch wurden die Beziehungen mit dem Regime in Istanbul abgebrochen. Dem Sultan wurde aber trotzdem vollständige Solidarität zugesichert und es wurde von ihm gefordert, dass er eine neue nationale Regierung in Istanbul berufen solle. Als die Parlamentswahl im 1919 stattfand, gewannen die Nationalisten (Gruppe zur Rettung des Vaterlandes = Felah-i Vatan Grubu) die Mehrheit und kündigten im Januar 1920 den sogenannten „Nationalpakt“ (Misak-i Milli), der Grundlage der nationalen Aspirationen der Widerstands- und Befreiungsbewegung werden sollte. Er enthielt die Forderung nach Volksabstimmungen in Westthrazien und in den Gebieten mit arabischer Mehrheit, sowie Forderungen bezüglich der Sicherheit von Konstantinopel und der Meerengen, das Recht der Minderheiten und der wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Reiches. Bemerkenswert war, dass der „Nationalpakt“ nicht die nationale Souveränität der Türken, sondern aller „muslimischen Osmanen“ forderte. „Im Wesentlichen bedeutet dies: von Türken und Kurden.“[5] Der Kongress und die anderen Ereignisse, wie Wahlen zum Parlament, führten dazu, dass die Engländer Istanbul besetzten, führende Politiker festnahmen und auf der Insel Malta einlieferten. Daraufhin protestierte das letzte osmanische Parlament und löste sich auf.

 

 Das „Wohl des Vaterlandes“ und die „Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit von Kalifat und Sultanat“ waren das Motto der am 23. April 1920 mit ihrer Arbeit beginnenden Großen Türkischen Nationalversammlung. Nachdem im November 1922 Mehmet VI. Vahdettin auf einem britischen Kriegsschiff die Türkei für immer verlassen hatte, sollte die Große Türkische Nationalversammlung sich nicht mehr um Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit des Sultanats kümmern aber seinen symbolischen Nachfolger mit nur auf Religion beschränkten Funktionen sollten die „Kemalisten“  „noch für eine Weile dulden um die Unterstützung der islamischen Welt nicht zu verlieren“[6]. Anstatt die Hauptstaat Istanbul von der Besatzung der Alliierten zu befreien, machten die Nationalisten Ankara zum neuen Regierungssitz, was für die zukünftigen Pläne der Nationalisten ein Zeichen war. Die Nationalversammlung gab sich am 20. Januar 1921 ein vorläufiges „Organisationsgesetz“, das bis zur Verkündung der Republikverfassung von 1924 in Kraft blieb. In ihm wurde das Prinzip der Volkssouveränität an erster Stelle genannt: Die Souveränität steht nun ohne Einschränkung und Bedingung der Nation zu. Die Staatsverwaltung beruht auf dem Grundsatz, dass das Volk seine Geschicke selbst und tatsächlich lenkt. Die Aussage, dass das Volk seine Geschicke selbst und tatsächlich lenkt, war ein Zeichen dafür, welche Rolle das Kalifat in Zukunft haben wird, wenn es überhaupt eine Rolle hat, und definiert den Charakter den neuen Republik. Trotz Anerkennung der Autorität des Sultans sah sich das Parlament in Ankara als Ausdruck des nationalen Willens und höchster Macht im Staat. Es wurde die Anerkennung der Nationalversammlung als der Vertretung des nationalen Willens gefordert. Außerdem sollte Übereinstimmung darüber bestehen, dass die Geschicke des Vaterlandes von ihr als höchster Macht übernommen worden sind. Nachdem der Sultan und Kalif nicht mehr unter Zwang und Drohung stehen würde, sollte die Nationalversammlung innerhalb der gesetzlichen Grenzen darüber entscheiden, welche Position ihm zugeteilt wird. Nach der Unterzeichnung des Vertrages von Sevres wurde die Nationalversammlung einziger Repräsentant des Volkes.

 

 Der Vertrag von Sevres wurde aus verschiedenen Gründen revidiert: Erstens befürchteten die westlichen Länder eine Annäherung  des neu gegründeten  Staates an das kommunistische Sowjet-Russland. Nach der Oktoberrevolution versuchte Sowjet-Russland seine Macht nach außen ausdehnen. Wenn man im Betracht zieht, dass schon im Frühjahr 1920 in Baku von der türkischen Opposition eine radikal-kommunistische Partei gegründet worden war und dass im April 1920 die Große Türkische Nationalversammlung einen schriftlichen Vorschlag an die Regierung in Moskau annahm, in dem sie einen militärischen Vorstoß gegen das „imperialistische“ Armenien und die Zustimmung der Eingliederung der Regierung von Aserbaidschan in den...

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