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Aufstand der Mönche. Religiöse und politische Hintergründe der 'Safran-Rebellion' in Birma

AutorJulius Burghardt
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl46 Seiten
ISBN9783656939665
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Theologie - Historische Theologie, Kirchengeschichte, Note: 1,3, Georg-August-Universität Göttingen (Abteilung für Religionswissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Bilder von Mönchen in roten Roben, die auf den Straßen Ranguns gegen die Unterdrückung durch das Militärregime demonstrieren, gingen durch die ganze Welt. Die sogenannte Safran-Revolution im Herbst 2007 führte eindrucksvoll vor Augen, mit welchen Problemen die Menschen im südostasiatischen Myanmar tagtäglich zu kämpfen haben. Sie zeigten dem Westen aber auch den ungewohnten Anblick buddhistischer Mönche, die sich nicht von der materiellen Welt abwenden, sondern sich politisch engagieren und Kritik am herrschende Regime üben. Heute dagegen sorgen andere Bilder von politischen Mönchen aus Myanmar für Schlagzeilen: Sie zeigen die Männer in den roten Gewändern, wie sie in ihrem Zorn gegen die muslimische Minderheit des Landes Moscheen und Koranschulen in Brand stecken, Menschen auf offener Straße ermorden - und das westliche Bild vom friedliebenden Buddhismus nachhaltig erschüttern. Sowohl politisches Engagement als auch die Anwendung von Gewalt sind nach den Regeln des Pali-Kanons, der die schriftliche Grundlage des in Myanmar verbreiteten Theravada-Buddhismus bildet, für Mönche strengstens untersagt, da sie dem Streben nach Erleuchtung im Wege stehen. Es stellt sich daher die Frage, welche Ursachen die Beteiligung der birmanischen Mönche am politischen Geschehen des Landes hat. Diese Arbeit will hierauf eine Antwort finden, indem die historischen Zusammenhänge aufgezeigt werden, die letztlich zur Politisierung der birmanischen Mönchsgemeinde, dem sangha, geführt haben. Die Analyse des Verhältnisses von Religion und Politik im Laufe der Geschichte Myanmars soll hierbei im Vordergrund stehen. Den Schwerpunkt bildet die Untersuchung des sich während der Kolonialzeit formierenden birmanischen Nationalismus und seiner religiösen Komponenten. Um ferner eine Erklärung für die Ausschreitungen von Buddhisten gegen Muslime zu finden, sollen auch die im Vielvölkerstaat beheimateten ethnischen und religiösen (insbesondere muslimischen) Minderheiten betrachtet werden. Ihr Verhältnis zur Mehrheit der buddhistischen Birmanen wird dabei ebenso im Fokus stehen wie die Analyse früherer Konflikte.

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Leseprobe

2. Der Aufstieg des Nationalismus


 

Nach der Niederlage Birmas im dritten Britisch-Birmanischen Krieg im Jahre 1885 wurde das Land, das zuvor schon seinen Süden an die Kolonialherren eingebüßt hatte, endgültig von Großbritannien unterworfen und Teil von Britisch-Indien.[65] Vorherige Verhandlungsgespräche waren an dem rücksichtslosen Vorgehen der von Handelsinteressen geleiteten Europäer, aber auch an der reaktionären und xenophoben Haltung König Thibaws gescheitert, der sich der reformorientierten Politik seines Vorgängers Mindon entschieden widersetzte.[66] Thibaw zahlte dafür mit seiner Absetzung und dem indischen Exil. Um den Untergang der birmanischen Monarchie auch symbolisch zu besiegeln, wurde der königliche Palast geplündert und der Thron in ein Museum in Kalkutta gebracht. Wo sich früher das Zentrum der birmanischen Kosmogonie befand, tranken die europäischen Kolonialherren nun ihren Whiskey. Das Bild von Birma als Nabel des Universums war zusammengebrochen, das traditionelle Weltverständnis lag in Scherben. Dieses Ereignis markiert den Beginn der revolutionären Erschütterungen, die das Land bis heute erbeben lassen.[67]

 

Schon kurze Zeit nach dem Beginn der kolonialen Herrschaft in Birma demonstrierten die Briten ihre fehlende Sensibilität für die Traditionen der fremden Kultur. Die Herrschaftspraxis, die sich in Indien erprobt hatte, wurde ohne zu zögern auch auf die birmanische Gesellschaft angewandt, allen kulturellen Unterschieden zum Trotz. Das alte Verwaltungssystem wurde aufgelöst, die Wirtschaft neu geordnet, das Bildungssystem verwestlicht; viele Birmanen verloren ihre Arbeit oder zumindest jede Möglichkeit zum beruflichen Aufstieg.[68] Wie fatal diese Missachtung der Traditionen war, zeigt sich besonders deutlich am Beispiel des Umgangs mit dem sangha. Die Briten waren seit dem 11. Jahrhundert die ersten Herrscher, die den Buddhismus nicht förderten. Stattdessen folgten sie der Maxime absoluter Neutralität, die das Ergebnis mehrerer gescheiterter Versuche einer religiösen Einmischung in Indien war.[69] Infolgedessen setzten die Kolonialherren den Einfluss des thathanabaing deutlich herab und stellten Mönche bei Vergehen fortan nur noch vor zivile Gerichte.[70] Lieutenant General Albert Fytche schrieb:

 

The English government, while tolerating every form of religion, will not appoint spiritual heads, or enforce the canons of any religious sect by the secular arm, and schisms have crept in since the establishment of our rule, which threaten to disorganize the ecclesiastical structure.[71]

 

Das entscheidende Problem war, dass die Briten zwei wesentliche Unterschiede zwischen Indien und Birma ignorierten, nämlich zum einen die relative religiöse Homogenität Birmas, zum anderen die feste Hierarchie des sangha. Dies hatte zur Folge, dass die Bedeutung des thathanabaing als stabilisierender Faktor für die Mönchsgemeinde maßlos unterschätzt wurde und die klösterliche Einheit und Disziplin immer weiter abnahm. Bald sahen sich die Kolonialherren mit dem heftigen Widerstand der Mönche, den pongyis[72], konfrontiert, die angesichts der Art und Weise, wie die Briten ihre Traditionen mit Füßen traten, auf die Straße gingen und gegen die als korrupt und säkular angesehenen Besatzer rebellierten.[73] Der Tod des thathanabaing und der Unwillen der Briten, einen Nachfolger zu wählen, verstärkte die Unruhen und die Zerrissenheit des sangha noch weiter. Die fehlende Autorität bewirkte, dass sich die pongyis immer weniger an die strengen Ordensregeln gebunden sahen und sich stattdessen aktiv – teils sogar mit Gewalt – am Kampf gegen die Fremdherrschaft beteiligten.[74] Laien und Geistliche verbündeten sich im Streben nach der Vertreibung der Kolonialherren, die so offenkundig ihre Traditionen missachteten, und der Wiederherstellung der alten Ordnung. Nur mühsam ließen sich die Proteste niederzwingen und endeten schließlich mit Massenhinrichtungen, die die Birmanen noch mehr verbitterten.[75]

 

Mit ihrem Versuch, sich aus den religiösen Angelegenheiten des Landes herauszuhalten, hatten die Briten das Fundament für den nationalen Widerstand der Birmanen gelegt. Diese Erkenntnis erreichte die neuen Herrscher spät, erst acht Jahre nach dem Tod des alten thathanabaing wurde das Amt neu besetzt und wieder mit mehr Macht ausgestattet. Zudem wurde ein nationaler Sittenwächter, der mahadam wun bestimmt, der über die Einhaltung der Disziplin achten sollte. Diese reichlich verspätete Reaktion vermochte es jedoch nicht, dem Aufstreben der Mönche als politische Triebkraft Einhalt zu gebieten.[76] Das zögerliche Handeln der Kolonialherren ist wohl auch damit zu erklären, dass die plötzliche massenhafte Beteiligung der als weltabgewandt geltenden Mönche am anti-britischen Widerstand für die neuen Herrscher sehr überraschend kam, wie das folgende Zitat von Harold Fielding-Hall, einem engen Beobachter der birmanischen Gesellschaft kurz vor der Jahrhundertwende, verdeutlicht:

 

No one can imagine even in the far future any monk of the Buddha desiring temporal power, or interfering in any way with the government of the people.[77]

 

2.2. Der buddhistische Widerstand


 

Während die Mönchsgemeinde zusammen mit weiten Teilen der Bevölkerung weiter für die Wiederherstellung der alten Ordnung kämpfte, begann die städtische Elite Anfang des 20. Jahrhunderts allmählich einen anderen Weg zu mehr Selbstbestimmung einzuschlagen.[78] Ein erster Schritt auf diesem neuen Kurs stellt die Gründung der Young Men’s Buddhist Association (YMBA) im Jahre 1906 dar. Diese offenkundig am Vorbild der Young Men’s Christian Association (YMCA) orientierte Gruppierung war darum bemüht, die buddhistische Identität des Landes zu bewahren und gegen die fortschreitende Verwestlichung von Kunst und Literatur sowie gegen die Säkularisierung des Bildungssystems vorzugehen.[79] Zu diesem Zweck verabschiedete die YMBA verschiedene Resolutionen, die beispielsweise die Reservierung bestimmter Eisenbahnwaggons für Europäer oder die Heirat zwischen Burmesinnen und Briten kritisierten.[80] Politische Bestrebungen oder Kritik an der Kolonialherrschaft fanden sich zunächst noch nicht. Dies änderte sich ab 1916 mit der so genannten Schuhwerk-Kontroverse. Die Basis hierfür bildete das traditionelle Verbot von Schuhen in Pagoden, das die Briten konsequent übertraten. Die Agitation der YMBA gegen diese Missachtung der buddhistischen Sitten wurde aufgrund des britischen Widerstandes rasch zu einem Symbol für den Kampf gegen die Fremdherrschaft, an dem sich nun auch die politischen Mönche zu beteiligen begannen. Es kam zu groß angelegten Protesten und teils blutigen Übergriffen von Birmanen auf Europäer, bis die Kolonialregierung 1919 schließlich der Forderung der YMBA nachgab.[81]

 

Dieser erste Sieg sorgte für großen Aufschwung innerhalb der sich allmählich formierenden nationalistischen Bewegung. Die YMBA engagierte sich nun immer stärker im Kampf für mehr Selbstbestimmung, forderte mehr Macht für den thathanabaing und übte Kritik an der Umstrukturierung des Bildungsystems. 1920 wurde die Gruppierung schließlich in die General Council of Burmese Associations (GCBA) umgewandelt. In der immer weiter auf Traditionalismus ausgerichteten Bewegung engagierten sich zunehmend auch die politischen Mönche, die längst zum Symbol des Freiheitskampfes geworden waren. Das moderne, westlich orientierte Birma bot den pongyis nur noch wenig Platz, sie genossen weder staatliche Förderung noch waren sie als Lehrer gefragt. Die Mönche, die keinen materiellen Verlust zu befürchten hatten und zudem in der birmanischen Gesellschaft hoch angesehen waren, hatten folglich allen Grund, sich mit besonders großem Eifer am politischen Streben nach Unabhängigkeit zu beteiligten.[82]

 

Nachdem der König von den Briten abgesetzt worden war, sahen es viele der pongyis als Pflicht des sangha an, die Lehre Buddhas zu bewahren – notfalls mit Gewalt. Die kyaung-taiks, große Klosteranlagen, die sich in fast allen Städten des Landes befanden, boten ideale Voraussetzungen zur Organisation und Massenmobilisierung und dienten Flüchtlingen als gutes Versteck.[83] Den meisten pongyis war dabei durchaus bewusst, dass ihr politisches Vorgehen gegen die im Pali-Kanon formulierten Ordensregeln verstieß und ihrem spirituellen Fortschritt im Weg stand. Sie betrachteten ihren Verzicht auf den Eingang ins nibbana daher oftmals als eine Art Selbstopfer, das dem Wohle der Menschen dienen sollte.[84]

 

Gallionsfigur dieser frühen Phase des buddhistisch motivierten Nationalismus war der Mönch U Ottama. 1879 in Birma geboren, genoss U Ottama eine anglo-westliche Schulausbildung und pendelte anschließend als Novize zwischen verschiedenen buddhistischen Ländern. In Indien kam er in Kontakt mit Gandhis Nicht-Kooperations-Bewegung, die sein eigenes politisches Streben beeinflusste. Als U Ottama 1921 schließlich nach Birma zurückkehrte,...

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