Ein Buchverlag stellt als Medienunternehmen eine ökonomische Institution dar, „die sich mit der Beschaffung, Selektion,Aufbereitung, Bündelung und Verbreitung von Informationsund Unterhaltungsgütern (Inhalte bzw. content)" (Bode 2010: 4) in textbasierter Form befasst und dem herstellenden Buchhandel zugeordnet wird. Im Unterschied zu Zeitungsoder Zeitschriftenverlagen zeichnet sich der Buchverlag durch ein aperiodisches Publizieren und eine lange Vorhaltezeit seiner Titel aus (vgl. Wirtz 2006: 210). Außerdem generiert ein Buchverlag im Gegensatz zu anderen Medienunternehmen bisher ausschließlich durch den Absatz seiner Titel Umsätze, nicht jedoch über Werbeerlöse (vgl. ebd.). Je nach Spezifikation eines Verlages auf eine Zielgruppe lassen sich Verlage in Publikumsverlage, welche ein generelles, privates Interesse bedienen, Special-Interest-Verlage mit dem Fokus auf spezielle, privat motivierte Interessen, Fachverlage, welche auf spezifische und berufliche Bedürfnisse eingehen und Ausbildungsverlage, die Kunden mit generellem, beruflichem Interesse ansprechen, unterteilen (vgl. Heinold/Spiller 2004: 32). Hiervon abgeleitet werden die Hauptwarengruppen 1 Belletristik, 2 Kinder- und Jugendbücher, 3 Reise, 4 Ratgeber, 5 Geisteswissenschaft, Kunst und Musik, 6 Mathematik, Naturwissenschaft und Technik, 7 Sozialwissenschaft, Recht und Wirtschaft, 8 Schulbücher und 9 Sachbücher unterschieden (vgl. Bramann et al. 2008: 160 f.) Publikumsverlage publizieren Bücher der Warengruppe 1 und 2, Special-Interest-Verlage bedienen Warengruppe 3, 4 und 9, Fachbuchverlage Warengruppe 5-7 und Ausbildungsverlage Warengruppe 8.
Im Folgenden wird näher auf die Aufgaben eines Buchverlags (Kap. 3.1), Charakteristika des deutschen Buchmarkts (Kap. 3.2) sowie aktuelle Herausforderungen deutscher Buchverlage (Kap. 3.3) eingegangen, um die Wettbewerbssituation eines Buchverlags aufzuzeigen und auf die Notwendigkeit eines professionellen Markenmanagements zur Behauptung seiner Marktposition hin zu überprüfen. Darüber hinaus können auf diese Weise die Rahmenbedingungen von AR-Anwendungen im Buchbereich abgesteckt werden. Weiterhin werden die Besonderheiten der Markenführung bei Büchern (Kap. 3.4) erläutert, um anschließend untersuchen zu können, ob und inwiefern Augmented Reality die Möglichkeiten eines Buchverlags in Bezug auf das Branding erweitern kann.
Buchverlage sind im Grunde als Vermittler zwischen Autoren und Lesern zu betrachten. So besteht die Kernaufgabe eines Buchverlags darin, das Werk eines Autors in dessen Auftrag zu veröffentlichen und zu verbreiten (vgl. Röhring 2003: 11). Dabei übernimmt der Verlag neben der Organisation des Produktionsprozesses und des Marketings auch das Absatzrisiko in Form einer Vorfinanzierung. Aus diesem Grund ist es für einen Verlag sehr wichtig, erfolgversprechende Inhalte, die außerdem zum Verlagsprogramm passen, über die Akquise neuer Autoren und das Sichten von Manuskripten zu beschaffen. Beim eigentlichen Herstellungsprozess kommt Verlagen eher eine unterstützende Rolle zu, da der Produktionsprozess gedruckter Bücher i.d.R. an externe Druckereien ausgelagert wird (vgl. Lucius 2007: 93; 99 ff.) und die Inhalte nicht im Verlag, sondern von externen Autoren generiert werden (vgl. Wirtz 2006: 234). Die Entwicklung der Inhalte bis zur Marktreife erfolgt über die Beratung der Autoren und Überarbeitung der Manuskripte durch Lektoren eines Verlags sowie über das Erstellen des Layouts und des Buchcovers in Zusammenarbeit mit (angestellten oder freien) Grafikern (vgl. Wirtz 2006: 240). Anschließend hat ein Verlag für den erfolgreichen Absatz der Titel zu sorgen. Hierzu zählt neben Werbemaßnahmen sowohl die Kontaktpflege zum Bucheinzel- und Buchgroßhandel, da der stationäre Buchhandel nach wie vor der wichtigste Absatzkanal von Büchern darstellt (vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels 2013a [www]), als auch der Direktvertrieb von Büchern an den Endkunden, welcher vor dem Hintergrund der Digitalisierung zunehmend an Bedeutung gewinnt (vgl. Wirtz 2006: 246 f.).
Abbildung 8: Stakeholder-Netzwerk eines Buchverlags
Quelle: Lucius 2007: 92
Erlöse werden schließlich über den Verkauf der Inhalte an die Rezipienten und über den Rechte- und Lizenzmarkt erzielt (vgl. Wirtz 2006: 227.). Damit ein Verlag sämtliche Funktionen erfüllen kann, agiert er meist innerhalb eines großen Stakeholder-Netzwerkes, bestehend aus externen Dienstleistern, Lieferanten und Abnehmern (s. Abbildung 8; Wirtz 2006: 240 f.).
Der deutsche Buchmarkt erwirtschaftet pro Jahr durchschnittlich einen Gesamtumsatz von rund 10 Mrd. Euro (vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels 2013a [www]). Da dies in anderen Branchen nur einem Bruchteil des Umsatzes, den ein einziges Unternehmen erzielt, entspricht (vgl. Polthier/Wolters 2004: 47), kommt dem Buchmarkt gesamtwirtschaftlich betrachtet zwar nur eine geringe Bedeutung zu, nichtsdestotrotz zählt der deutsche Buchmarkt zu den wichtigsten Buchmärkten weltweit (vgl. Wirtz 2006: 210). So veröffentlichten deutsche Verlage im Jahr 2011 bei einem Gesamtumsatz von 9,6 Mrd. Euro über 80.000 Erstauflagen (vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels 2013a [www]). Dabei stellt die Belletristik, die zur Unterhaltung und Entspannung dient, zwar die wichtigste Warengruppe dar (s. Tabelle 2), jedoch entfällt der meiste Umsatz auf das sog. zweckgerichtete, informatorische Lesen (vgl. Bramann et al. 2008: 15) von Fach-, Schul- und Sachbüchern.
Tabelle 2: Umsatzanteile der Warengruppen am deutschen Buchmarkt 2011
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Börsenverein des deutschen Buchhandels 2013b [www]
Bücher werden dabei zu einem höheren Anteil von Frauen und von Personen mit einem höheren Bildungsabschluss gekauft und gelesen (vgl. o.V. 2013h [www]). Laut der von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) und Sinus Sociovision durchgeführten und vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels 2005 herausgegebenen repräsentativen Verbraucherstudie Buchkäufer und Leser stellt das gesellschaftliche Milieu der Konservativen und der Postmateriellen die Kernzielgruppe von Buchverlagen dar. Bücher nehmen für diese Gruppen als Primärmedium einen hohen Stellenwert ein. Sowohl für die Allgemein- und Weiterbildung als auch für die Unterhaltung und Entspannung werden Bücher als elementar angesehen (vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels 2005: 2 f.; 9). Außerdem sind als weitere Sinus-Milieus Etablierte, die Bürgerliche Mitte, Moderne Performer sowie Experimentalisten von Relevanz (s. Anhang 5; vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels 2005: 8). Während für Etablierte und die Bürgerliche Mitte überwiegend das gedruckte Buch zur Repräsentation bzw. Sicherung ihrer sozialen Stellung über eine angemessene Bildung von Relevanz ist, sind Moderne Performer und Experimentalisten neugieriger, experimentierfreudiger und legen mehr Wert auf neue Technologien und Multimedialität (vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels 2005: 2 ff.). So greifen diese beiden Milieus auch am stärksten zu E-Books (vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels 2008: 4). Da alle eben genannten Milieus zur gesellschaftlichen Ober- bzw. der oberen Mittelschicht zählen, verfügen Buchleser und -käufer folglich zum Großteil über ein vergleichsweise hohes Haushaltsnettoeinkommen.
Verlage sind aufgrund ihrer Kosten- und Erlösstruktur, welche durch hohe First-copy-costs geprägt ist, seit jeher dem Risiko ausgesetzt, die für die Erstellung der Inhalte angefallenen Kosten über den Verkauf von Büchern zu begleichen (vgl. Wirtz 2006: 34 f.). In den letzten Jahren lässt sich dabei eine Intensivierung des Wettbewerbs um das monetäre und zeitliche Budget der Rezipienten feststellen, da die Grenzen zwischen Medien-, Telekommunikations-, Informations- und Unterhaltungselektronikgütern verwischen (vgl. Friedrichsen/Gläser 2004: 136 f.; Wirtz 2006: 215; Wysterski 2004: 70). Auslöser für die zunehmende Konvergenz stellen die technologische Entwicklung, der Eintritt neuer Wettbewerber sowie die veränderten Anforderungen von Mediennutzern dar (vgl. Wirtz 2006: 41 f.).
So ermöglicht die Digitalisierung und allgemein der technische Fortschritt Buchverlagen zwar, leichter auf veränderte Kundenwünsche zu reagieren, indem z.B. Bücher auf der Grundlage der Print-on-demand-Technologie direkt und flexibel auf Nachfrage hin gedruckt werden können (vgl. Wirtz 2006: 215; Wysterski 2004: 71), neue Verbreitungswege zu erschließen sowie Vervielfältigungs- und Verbreitungskosten zu minimieren. Jedoch gerät die Stellung der Verlage gleichzeitig ins Wanken, weil somit Markteintrittsbarrieren sinken und neue Wettbewerber in den Markt drängen. Verstärkt wird dies zusätzlich durch die Globalisierung und die Deregulierung der Märkte seit den 90er Jahren (vgl. Friedrichsen/Gläser 2004: 136; Wirtz 2006: 43). Darüber hinaus gestaltet es sich für Autoren durch die Digitalisierung leichter, sich selbst zu verlegen und auf den Dienst der Verlage zu verzichten (vgl. Fischer 2013; Giersberg 2012; Matting 2011). Außerdem sind Rezipienten zunehmend selbst in der Lage, eigene Inhalte zu kreieren und zu veröffentlichen. Dieser sog. User...