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Auswirkungen der Arbeit mit magersüchtigen jungen Frauen auf ihre HelferInnen

Ergebnisse einer explorativen Studie

AutorTanja Beckhaus
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl140 Seiten
ISBN9783638042260
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis36,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 1999 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, Evangelische Fachhochschule Freiburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Anorexia nervosa, im Folgenden auch Anorexie oder Magersucht genannt, ist ein seit ca. 100 Jahren bekanntes Krankheitsbild, das seither großes Interesse weckt. Seit dieser Zeit wird zunehmend Literatur zur Problematik, Entstehung und Behandlung der Magersucht sowie zu Zwecken der Aufklärung veröffentlicht. Im Zentrum stehen dabei fast ausschließlich die magersüchtigen jungen Frauen bzw. ihre Symptomatik. Bei meiner Literaturrecherche stellte ich fest, dass sich kaum eine Abhandlung mit Blick auf die HelferInnen finden lässt. Bestenfalls wurde die Rolle der HelferInnen unter dem Aspekt beleuchtet, wie sie zu sein und zu arbeiten haben, damit es gut für die magersüchtigen jungen Frauen ist. Es ist aber kaum etwas darüber zu erfahren, was die Arbeit für Auswirkungen auf die HelferInnen hat und was sie in ihnen auslösen kann. Dies motivierte mich im Rahmen meiner Diplomarbeit die HelferInnen in den Mittelpunkt zu stellen. Ich möchte u.a. der Frage nachgehen, welche Schwierigkeiten und Belastungen die Arbeit mit magersüchtigen Frauen für die HelferInnen mit sich bringen kann. Ich gehe davon aus, dass die Arbeit mit anorektischen Frauen spezifische Schwierigkeiten und Belastungen für die HelferInnen birgt. Weiterhin möchte ich mein Augenmerk darauf richten, ob und wie die Arbeit Alltagsgewohnheiten der HelferInnen sowie deren Beziehung zu zentralen Themen der Magersucht, nämlich Essen und Gewicht verändern kann. Da ich die HelferInnen in den Mittelpunkt stellen wollte, lag es nahe, sie im Rahmen von Interviews selbst zu Wort kommen zu lassen. Deshalb habe ich eine explorative Studie mittels eines halbstandardisierten Fragebogens durchgeführt. Die interviewten HelferInnen, allesamt SozialpädagogInnen, SozialarbeiterInnen oder Erzieherinnen, sind in unterschiedlichen Einrichtungen beschäftigt. Dadurch sollte gewährleistet sein, dass Unterschiede im Aufgabenbereich erfasst werden können.

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Leseprobe

3 Blick auf die Problematik der HelferInnen

 

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, bin ich durch ein Praktikum in einer kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik auf die Problematik der HelferInnen in der Arbeit mit Magersüchtigen aufmerksam geworden. Während der Literatursichtung habe ich ein breiteres Verständnis für psychosoziale Arbeit allgemein bzw. für die Arbeit mit psychisch kranken Menschen sowie für die Arbeit mit Magersüchtigen im Speziellen bekommen.

 

Dabei wurde immer deutlicher, dass psychosoziale Arbeit in besonderer Weise die ganze Person der HelferInnen fordert.[25] Von HelferInnen wird erwartet, dass sie sich in ihre KlientInnen einfühlen, deren Perspektive einnehmen können und gleichzeitig die notwendigen Grenzen aufrechterhalten. Bei psychosozialer Arbeit entstehen persönliche Beziehungen. HelferInnen haben nicht nur Teil an den Problemen ihrer KlientInnen, sondern vielmehr auch an deren emotionalen Zustand und deren Leid.[26] Die Konfrontation mit den Emotionen und dem Leid der KlientInnen ist ein zentraler Punkt in der Arbeit. Geht es den KlientInnen besser, sind sie auf die Hilfe nicht mehr angewiesen und bleiben weg. Nur selten haben die HelferInnen in der gleichen Intensität am Wohlergehen der KlientInnen, wie an deren Leid teil. Fast ausschließlich das Leid der KlientInnen zu erleben kann auf Dauer sehr belastend sein. Hinzu kommt oftmals das Gefühl der HelferInnen, nicht genug zu tun, sei es für einzelne KlientInnen oder in der gesamten Arbeit.[27] Dies kann gleichsam belastend sein.

 

Schafft es der Helfer nicht, mit diesen Belastungen umzugehen, so wird er „manövrierunfähig“. Er wird müde und erschöpft und erlebt seine Arbeit womöglich als sinnlos. Seine Kreativität wird durch die Last erdrückt.[28] Dies mag nicht nur den Beruf, sondern auch sein Privatleben betreffen.

 

Dörner u. Plog (1996)[29] bezeichnen den psychiatrisch Tätigen als „Ersatzspieler“ für Personen aus dem sozialen Umfeld der KlientInnen. Meiner Meinung nach kann man generell HelferInnen der psychosozialen Arbeit darunter subsumieren. Als „Ersatzspieler“ haben HelferInnen nach Dörner u. Plog die Aufgabe, herauszufinden, „wie die eigentlichen Spieler zusammen spielen“[30], welche Anteile an der derzeitigen Situation von dem einen, welche von dem anderen „Spieler“ stammen, wie sich das „Zusammenspiel“ wechselseitig bedingt und welche neuen Wege möglich und sinnvoll sind. Dies setzt aber gleichzeitig die Bereitschaft der HelferInnen voraus, sich auf Übertragungen und Gegenübertragungen einzulassen und sich damit aktiv und reflektiert, evtl. auch innerhalb eines Teams, auseinanderzusetzen. Folglich ist psychosoziale Arbeit nicht nur eine Arbeit für und mit anderen, sondern bedeutet eine aktive Auseinandersetzung mit sich selbst.

 

Des Weiteren addiert sich ein gesellschaftlicher Aspekt hinzu. Psychosoziale Arbeit erfährt in unserer Gesellschaft häufig nicht den Stellenwert, den sie verdient. Dies gilt insbesondere für die Arbeit mit psychisch Kranken.[31] Psychisch krank zu sein findet in unserer Gesellschaft geringere Akzeptanz als eine rein somatische Erkrankung. Sie kann oftmals eine ausgrenzende Wirkung haben. Psychisch Kranke, insbesondere psychosomatisch Erkrankte, werden häufig stigmatisiert.[32] Durch die geringe gesellschaftliche Akzeptanz dieser Krankheiten widerfährt den HelferInnen in diesen Arbeitsbereichen oftmals eine geringe Wertschätzung.[33] Gleichzeitig ist im Mangel an Anerkennung für die Arbeit nach Gillespie et al. (1984)[34] ein Belastungsmoment zu sehen, das bei HelferInnen zu Erschöpfung und Resignation führen kann.

 

Die Arbeit mit Magersüchtigen ist ein Teilbereich psychosozialer Arbeit. Gerlinghoff (1988) schreibt diesbezüglich[35]: Die anorektische Behandlung „reicht sehr weit in Bereiche der menschlichen Beziehung ganz allgemein, berührt Fragen des Umgangs miteinander und der Lebensführung ebenso wie das Selbstverständnis des Therapeuten.“

 

Trotz ausführlicher Recherchen habe ich keine Hinweise auf Forschung zum Thema Schwierigkeiten, Belastungen und Auswirkungen der Arbeit mit Magersüchtigen auf die HelferInnen finden können. Weder bei Literaturrecherchen noch bei gezielten Anfragen, z.B. bei ANAD e.V.-pathways in München oder beim Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim (ZI), konnte ich entsprechende Hinweise oder gar Ergebnisse diesbezüglich erhalten. Ein Mitarbeiter des ZI gab bei einem Telefonat zur Auskunft, dass sie eine Betrachtung aus dieser Perspektive bisher noch nicht in Erwägung gezogen und folglich auch noch keine Studien durchgeführt hätten.

 

Bisher wurden nur wenige Untersuchungen zu Auswirkungen psychosozialer Arbeit auf HelferInnen durchgeführt. Ähnliches gilt für die Bewältigungsforschung. Bislang standen in der Bewältigungsforschung die KlientInnen im Mittelpunkt. Zum Teil wurden bereits Untersuchungen zu den Bewältigungsversuchen von Angehörigen durchgeführt. Zur Bewältigung von Schwierigkeiten und Belastungen von HelferInnen durch ihre Arbeit gibt es allerdings nur sehr wenig Material.

 

Belastungen in der Arbeit sind bereits besser erforscht. Im Folgenden möchte ich darauf näher eingehen. Ich stelle Untersuchungen vor, die zu Belastungen von HelferInnen bereits durchgeführt wurden. Ich komme auf die Kozepte des Burnout-Syndrom, der berufliche Deformation sowie der sekundäre Traumatisierung zu sprechen. Das Konzept der sekundären Traumatisierung befasst sich nicht nur mit Belastungen, sondern auch mit Auswirkungen der Arbeit auf die HelferInnen. Diese drei Konzepte dienten mir als Anregung, meine Überlegungen bezüglich der Arbeit mit Magersüchtigen weiterzuverfolgen. Allerdings sind sie meines Erachtens nicht ausreichend und auch nicht durchgängig passend. Meine Vermutungen sind dahingehend, dass die Arbeit mit Magersüchtigen spezifische Schwierigkeiten und Belastungen für die HelferInnen birgt. Die Konzepte des Burnout bzw. der beruflichen Deformation sind sehr weit gefasst und deshalb meiner Meinung nach wenig geeignet, diese Spezifika in ihrem Ausmaß zu erfassen. Das Konzept der sekundären Traumatisierung hingegen ist meines Erachtens bereits zu speziell auf die Besonderheiten der Arbeit mit Traumatisierten konzipiert.

 

Deshalb konnten mir die Konzepte nur als Anregung dienen. Um die Besonderheiten der Arbeit mit Magersüchtigen ausfindig zu machen, führte ich die explorative Studie durch.

 

3.1 Das Burnout-Syndrom

 

Der Begriff Burnout wurde 1974 sowohl von Freudenberger als auch von Ginsburg geprägt. Untersuchungen in diesem Bereich gab es allerdings schon früher.[36]

 

Unter Burnout ist eine allgemeine Ermüdungserscheinung aufgrund von Belastungen in Familie oder Beruf zu verstehen. Sie äußert sich in emotionaler Erschöpfung, verminderter Leistungsfähigkeit sowie Depersonalisierung bzw. Dehumanisierung.[37]

 

Ursprünglich wurde Burnout an HelferInnen untersucht. Hierzu möchte ich einige Beispiele anführen, auch um die Vielfältigkeit der Ursachen zu verdeutlichen.

 

In einer Studie[38] von Pines et al. (1978) mit HelferInnen ergab sich eine Korrelation zwischen Erfolglosigkeitsgefühlen mit Burnout. Burke et al. (1984) fanden Zusammenhänge zwischen Stress, emotionaler und physischer Belastung sowie persönlicher Auseinandersetzungen und Burnout heraus. Bei der Untersuchung von Rubington (1984) stieß man ebenfalls auf Stress als belastendes Moment. Bei Untersuchungen mit SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen fanden Meyer et al. (1982) u.a. eigene ungelöste Probleme und Unstimmigkeiten zwischen den eigenen Zielen und denen der Institution als Burnoutkorrelate. Gillespie et al. (1984) nennen u.a. einen Mangel an Anerkennung als mögliche Ursache für Burnout.

 

Die genannten Belastungsmöglichkeiten wurden, wie oben bereits erwähnt, in Studien mit Personen aus der Berufsgruppe der HelferInnen gewonnen. Dabei wurde das Aufgabenfeld der HelferInnen meist nicht näher spezifiziert. Alle genannten Merkmale sind nicht an eine bestimmte Klientel gebunden.

 

Ferner haben andere Untersuchungen[39] gezeigt, dass das Phänomen des Burnout nicht nur für die Berufsgruppe der HelferInnen, sondern für die unterschiedlichsten Berufsgruppen, wie z.B. Bibliothekare (Studie von Neville 1981), Manager (z.B. Untersuchung von Nelson 1980), sowie für Arbeitslose (z.B. Studie von Amundson & Borgen 1982) zutrifft.

 

Ich fasse zusammen:

 

1. Als Ursachen für Burnout werden nur sehr globale Merkmale beschrieben, welche die jeweiligen spezifischen Aufgaben und daraus resultierenden Belastungen eines jeden Aufgabenfeldes nicht in Betracht ziehen.

2. Burnout ist nicht berufsspezifisch. Das Erschöpfungssyndrom kann bei Personen jeglicher Berufsgruppen auftreten.

3. Burnout betrifft nicht nur Berufstätige, wie die Studie von Amundson & Borgen (1982) zeigt.

 

Aus diesen Gründen ist das Konzept des Burnout-Syndroms meines Erachtens zu unspezifisch, um die...

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