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E-Book

Auswirkungen der 'Vaterabwesenheit' infolge von Scheidung auf die betroffenen Kinder

AutorVanessa Klask
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl118 Seiten
ISBN9783638627115
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Pädagogik - Pädagogische Soziologie, Note: 2,1, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 142 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Da heute etwa ein Viertel aller Kinder in unvollständigen Familien aufwächst und somit oftmals mit der Trennung vom Vater konfrontiert wird, ist die Frage nach den Auswirkungen von Vaterabwesenheit für Kinder von großem gesellschaftlichen Interesse. Eine der hauptsächlich diskutierten Fragen ist, ob vaterlos aufwachsende Kinder unter den Folgen des fehlenden Vaters derartig leiden, dass es zu psychosomatischen und psychischen Beeinträchtigungen kommen kann, die auch bis ins Erwachsenalter anhalten können. Da die Scheidung die Hauptursache von Vaterabwesenheit ist, hat das Buch zum Ziel, sich mit den Auswirkungen der Vaterabwesenheit infolge Scheidung auf betroffene Kinder auseinanderzusetzen. Dabei stehen jugendliche Scheidungskinder im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Arbeit. Das Jugendalter wurde in der Scheidungsforschung bisher eher vernachlässigt, was mit der geringeren Vulnerabilität für familiären Stress begründet wird. Diese Vernachlässigung motivierte die Verfasserin, das Jugendalter schwerpunktmäßig zu betrachten. So gilt ihr Interesse den Besonderheiten dieser Lebensphase und den damit verbundenen Entwicklungsaufgaben im Hinblick auf die Verarbeitung der elterlichen Scheidung und vor allem auf den entscheidenden Stressor der Vaterabwesenheit. Die vorliegende Arbeit hat das Anliegen, Eltern und Fachleute aus der Familien- und Scheidungsberatung über die Auswirkungen von Vaterabwesenheit infolge der Scheidung zu informieren und für die Bedürfnisse der betroffenen Jugendlichen in diesem Zusammenhang zu sensibilisieren. Im Sinne dieser Zielsetzung sollen folgende Fragen bearbeitet werden: • Welche Bedeutung hat ein Vater für die Entwicklung und insbesondere die Identitätsbildung von Kindern im Jugendalter? • Welche Prozesse und Stressoren kennzeichnen eine Scheidung? • Wie empfinden und verarbeiten Jugendliche eine Scheidung? • Welche geschlechtsspezifischen Unterschiede zeigen sich in der Reaktion der Jugendlichen auf die väterliche Abwesenheit? • Wie könnten Unterstützungsangebote für geschiedene Väter ausgestaltet werden, um ihr Erziehungs-Engagement zu fördern? • Was kann Scheidungskindern im Jugendalter bei der Bewältigung des Kontaktabbruchs zum Vater helfen?

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Leseprobe

Kapitel 2: Die Rolle des Vaters in der Familie


 

2.1 Historische Entwicklung


 

Die Rolle des Mannes als Vater hat sich im Verlauf der Geschichte kaum in eine eindeutige Richtung entwickelt. In Abhängigkeit von Nationalität, ethnischer Zugehörigkeit, sozialer Schicht und Religion zeigt sich bis heute eine Vielzahl von Charakteristika, die die Rolle des Vaters innerhalb der Familie kennzeichnen. Um die Entwicklung zum heute bestehenden Vaterbild verständlich zu machen, gibt die vorliegende Diplomarbeit einen historischen Überblick der tendenziellen Aufgaben und Rollenzuschreibungen des Vaters zu unterschiedlichen Zeiten.

 

»Im 18. und 19. Jahrhundert wird die traditionelle bürgerliche Familie geschaffen, in der die Vaterfigur Zentrum, Spitze und Oberhaupt der Familie ist.«[12] Vor allem aufgrund wirtschaftlicher Gegebenheiten wurde dem Vater primär die Rolle des Patriarchen zugeschrieben. Beispielsweise arbeiteten die Familienmitglieder unter der autoritären und dominanten Führung des Mannes als Einheit auf dem familiären Bauernhof und sicherten sich so gemeinsam ihren Lebensunterhalt. Im Hinblick auf die väterliche Autorität gab es wenig Konkurrenz von anderen Institutionen, so dass Kinder von ihrem eigenen Vater nur informell unterrichtet wurden und dieser auch über ihre Berufswahl und Heirat entschied. Der Vater-Sohn-Beziehung wurde eine höhere Bedeutung als der ehelichen oder der Mutter-Kind-Beziehung zugesprochen.

 

Die Frauen, die fast ausnahmslos heirateten, wechselten von der Unterwerfung gegenüber dem eigenen Vater zur Unterwerfung gegenüber dem eigenen Ehemann, der im Durchschnitt 5 Jahre älter war als seine Partnerin.

 

Walbiner verweist darauf, dass die Lebensbedingungen dieser Zeit väterliches Engagement in der Familie eher gefördert als retardiert haben, »da es keine

 

eindeutige Trennung zwischen häuslichem und Arbeitsleben«[13] gab. Trotz eines strengen autoritären Vaterbildes im 18. Jahrhundert gab es folglich auch viele liebevolle und verantwortungsbewusste Vätertypen, die mit ihren Kindern beteten, spielten, sie unterrichteten und – wenn diese krank waren – ihre Betreuung übernahmen.[14]

 

Eine Reihe gesellschaftlicher Veränderungen, wie beispielsweise der Wechsel von der Agrarwirtschaft zu der industriellen Gesellschaft, sowie die Wandlung der Wertvorstellungen, führten zur Umgestaltung der patriarchalischen Ordnung und Kontrolle innerhalb der Familie.

 

Die Rolle des Mannes war im 19. Jahrhundert durch eine geringere Einflussnahme auf das Leben der eigenen Kinder, eine generelle Reduzierung der väterlichen Autorität innerhalb der Familie und eine Verminderung des väterlichen Engagements gekennzeichnet. Somit wurde der Mann aus der Mittelschicht aufgrund der geschlechtsspezifischen Aufgabenteilung der Arbeitsbereiche von Männern und Frauen verstärkt zum Ernährer der Familie. Seine Autorität stützte sich von nun an auf materielle Ressourcen außerhalb der Familie wie Besitz, Karriere und Beziehungen. Die Rolle der Frau hingegen bezog sich vor allem auf die Organisation des familiären Haushaltes. Zudem wurde ihr die Erziehung und moralische Anleitung der Kinder erstrangig zugesprochen. Demnach sollten sich die Frau im Inneren des Hauses und der Mann draußen in der „feindlichen“ Welt als eine harmonische Einheit ergänzen. [15]

 

In der Arbeiterklasse waren die ökonomischen Rahmenbedingungen durch Löhne am Existenzminimum und kurzfristige Beschäftigungszeiträume geprägt, weshalb weiterhin beide Ehepartner auf die Berufstätigkeit angewiesen waren. Die Einflussnahme und Präsenz des Vaters in der Familie im Vergleich zur Mutter hatte nach wie vor Bestand.

 

Insgesamt verhieß die ökonomische Situation des Mannes zunehmend Erfolg und Aufstieg, konnte jedoch auch Versagen bedeuten, so dass sich der berufliche Druck des Mannes erhöhte. Es galt für ihn nicht länger nur, der Ernährer der Familie zu sein. Er musste zudem ein „guter Ernährer“ sein.[16] Diese mit Druck belastete Situation führte in vielen Fällen zu einem erhöhten Alkoholkonsum und hatte des Weiteren viele abwesende und misshandelnde Väter zur direkten Folge. Diese konnten das Versagen in der Erfüllung ihrer Rollenaufgabe nicht bewältigen und entzogen sich so ihrer familiären Verantwortung.[17]

 

Die Abnahme der väterlichen Bedeutung für die Kinder in dieser Zeit wurde auch durch rechtliche Änderungen in Bezug auf das Sorgerecht deutlich. So übertrug man ab Mitte des 19. Jahrhunderts bei einer Scheidung das Sorgerecht nicht mehr vorrangig dem Vater, sondern vermehrt der Mutter.

 

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden eine aktive, partnerschaftliche Rolle des Vaters, sowie sein Engagement in Ehe und Familie gefordert. Diese Forderung begründete sich vor allem in der Befürchtung, dass eine ausschließlich weibliche Betreuung der Söhne diese verweichlichen könnte. Es wurden daher Gesetzte erlassen, die fehlende familiäre Unterstützung des Mannes und Misshandlungen von Frau und Kindern strafrechtlich verfolgten. Außerdem entwickelte man Maßnahmen zur Reduzierung der fortan steigenden Scheidungsrate.[18]

 

In der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung war es vor allem die wirtschaftliche Depression, die dazu beitrug, dass viele arbeitslose Männer ihren Status als Entscheidungsträger und ihr damit verbundenes Selbstbewusstsein verloren. Oft wandten sie sich von der Familie ab und verhielten sich selbstzerstörerisch und gewaltvoll.

 

Einige Jahre später brachte der Beginn des Naziregimes eine erneute Rückkehr der traditionellen Vaterrolle. Folglich wurde der Vater als Beschützer, Versorger und Disziplinierungsperson angesehen.

 

Während der Kriegsjahre wurden vermehrt die Folgen von Vaterabwesenheit thematisiert. So befürchtete man verstärkt soziale Probleme wie das Ansteigen jugendlicher Delinquenz bei Jungen oder sexuelle Promiskuität bei Mädchen.

 

Eine weitere Sorge bestand darin, dass die väterliche Abwesenheit, die oftmals eine aufkommende mütterliche Überbesorgtheit zur Folge hatte, bei Jungen Homosexualität fördere.[19]

 

In der Nachkriegszeit wurden diese Diskussionen im Hinblick auf die Bedeutung eines abwesenden Vaters bei der Persönlichkeitsentwicklung der Kinder weitergeführt. Väter wurden zu dieser Zeit aufgefordert, ein geeignetes Rollenmodell vorzuleben und als Disziplinierungsperson zu agieren. Diese Aufforderung beschränkte sich darauf, mit den Kindern zu spielen und etwas zu unternehmen. Die Übernahme von Pflegeaufgaben bezüglich der Kinder oder die Mithilfe im Haushalt wurden dagegen nicht verlangt.

 

Parallel dazu wurde die Mutter weiterhin als emotionale Bindungsperson und Versorgerin der Kinder angesehen. Nach den Untersuchungen von Rosen und d’Andrade wurde der Mutter somit die emotionale warme Stütze in der Erziehung zugewiesen und der Vater als sachlich-objektiver Pol angesehen.[20]

 

Die Grundüberzeugung, dass die Mutter zu den Kindern ins Haus gehört und die väterliche Wirkungskraft sich auf die Berufswelt und die politische Öffentlichkeit bezieht, wurde somit auch in der Nachkriegszeit weiterhin aufrechterhalten.

 

Viele der aus dem Krieg heimkehrenden Männer konnten die von der Gesellschaft geforderte väterliche Rolle in der Familie lange nicht erfüllen. Sie, die mit Verletzungen an Leib und Seele aus dem verlorenen Krieg zu ihren Familien

 

zurückkehrten, verlangten in vielen Fällen eher nach der fürsorgenden Mütterlichkeit ihrer eigenen Ehefrauen, anstatt ihre Kinder in ein Muster männlicher Autorität einzuweisen.[21]

 

Allgemein kann auf zwei historische Entwicklungstendenzen hingewiesen werden, die die Rolle des Vaters in den letzten Jahren entscheidend geprägt haben:

 

1. Der Ersatz des Familieneinkommens durch das individuelle Einkommen und

 

2. zunehmende Bedeutung der Mutter-Kind-Beziehung.

 

Diese beiden Gegebenheiten haben dazu beigetragen, das väterliche Engagement in der Familie zu schwächen, sowie Vaterschaft als selbstbestimmten und freiwilligen „Luxus“ in der Erziehung des Kindes anzusehen.

 

In den 60er und 70er Jahren wurde die Rolle des Mannes in der Familie besonders wegen der hohen Scheidungsrate Mittelpunkt von politischen und wissenschaftlichen Diskussionen. So wurde zentrales Thema dieser Diskussionen, dass das Ausbleiben von ökonomischen, psychologischen und emotionalen Beiträgen der Väter katastrophale Auswirkungen für die Familie bedeuten könnten.

 

Gegen die geschlechtsspezifischen Rollendefinitionen, die vor allem durch die Erkenntnisse der Bindungstheorie[22] verstärkt wurden, begannen sich insbesondere Frauen, aber auch Männer immer stärker aufzulehnen, so dass eine Neuordnung des familiären Lebens entstand.[23]

 

Demnach kam es zum Aufbrechen dieser starren Rolleneinteilung von Mann und Frau. Den Vätern[24] wurde einerseits ermöglicht, sich...

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