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Auswirkungen elterlicher Alkoholabhängigkeit auf die Kinder und Aufgaben der Prävention und Intervention durch die Kinder- und Jugendhilfe

AutorAntje Klimpel
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783668211100
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2016 im Fachbereich Pädagogik - Familienerziehung, Note: 2,0, Universität Hamburg (Fachbereich Erziehungswissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Es handelt sich bei dieser Arbeit um eine Literaturrecherche. Die These dieser Arbeit ist, dass die Auswirkungen einer elterlichen Alkoholabhängigkeit eine Wiederholung der Suchterkrankung in der nächsten Generation wahrscheinlich machen, sofern sie nicht durch Interventionen von außen positiv beeinflusst werden. Die Frage, die sich daraus ergibt, ist: 'Welche Maßnahmen der Prävention und Intervention durch die Kinder- und Jugendhilfe sind notwendig, um zu verhindern, dass die Kinder von heute die Süchtigen von morgen werden?' Oder: 'Welche Unterstützung benötigen Kinder alkoholabhängiger Eltern(teile) und was muss sozialpädagogische Arbeit leisten, damit diese Kinder sich gesund entwickeln können?' Der Schwerpunkt liegt in dieser Arbeit auf der Auseinandersetzung mit verschiedenen Arten der pädagogischen Arbeit in Kindergruppen für Kinder aus suchtbelasteten Familien im Alter von 8 bis 12 Jahren. Diese Gruppen können im Rahmen von Suchtberatungs-, Erziehungsberatungs-, Kinder- und Jugendberatungsstellen oder in freien Praxisgemeinschaften stattfinden.

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Leseprobe

3 Kinder alkoholabhängiger Eltern(teile)


 

In diesem Kapitel werden die Interaktionen in der Familie und die damit verbundenen Einflüsse auf die Psyche und das Gefühlsleben der Kinder beschrieben. Und es werden typische Anpassungsleistungen (Rollen) der Kinder dargestellt. Im Anschluss werden mögliche Entwicklungsstörungen von Kindern aus alkoholbelasteten Familien betrachtet und Resilienzfaktoren, die eine gesunde Entwicklung fördern können, erläutert. Zum Abschluss des Kapitels werden häufige Folgen für das Erwachsenenleben der Kinder aus alkoholbelasteten Familien detailliert beschrieben, auch um zu zeigen, wie die Gefühle und die internalisierten Regeln der Kindheit eine spätere Abhängigkeit begünstigen können.

 

3.1 Merkmale einer Alkoholikerfamilie


 

Um einer Stigmatisierung entgegen zu wirken, möchte ich zunächst betonen, dass es „die Alkoholikerfamilie“ schlechthin nicht gibt. Jede Familie ist anders. Deshalb ist ein individueller Blickwinkel auf die persönliche Lebens- und Suchtgeschichte der einzelnen Familienmitglieder notwendig und ein empathisches Verstehen der Menschen gefragt. Entwicklungsverläufe und Kompensationsmöglichkeiten können sehr unterschiedlich sein. Dennoch gibt es - durch die Mitwirkung des Alkohols - bestimmte, immer wiederkehrende Charakteristika in Alkoholikerfamilien, und zwar unabhängig von sozialer Schicht, Bildungsstand oder wirtschaftlicher Lage der Mitglieder. Diese Merkmale sollen im Folgenden beschrieben werden.

 

3.1.1 Mangelnde Interaktion


 

Ein großes Problem für Kinder alkoholabhängiger Eltern(teile) besteht darin, dass die Sucht als „Familiengeheimnis“ behandelt wird und nicht darüber gesprochen werden darf. Häufig ist die Krankheit sogar innerhalb der Familie ein Tabuthema.

 

So sei zwar der Alkohol das beherrschende Element in der Familie, und die Stimmung und die häusliche Atmosphäre in der Familie würden in erster Linie davon bestimmt werden, ob der Abhängige getrunken habe oder nicht. Das Alkoholproblem wäre also nahezu permanent gegenwärtig, dürfe aber nicht als solches benannt werden. Jedes Familienmitglied wisse oder vermute zwar, dass Vater oder Mutter ein Alkoholproblem habe, aber es würde niemals offen darüber geredet werden. Der hohe Alkoholkonsum des Abhängigen würde entschuldigt und ungünstigen Umständen zugeschrieben werden (Zobel, 2008, S.44).

 

So können die Kinder weder innerhalb noch außerhalb der Familie über ihre Gefühle sprechen, denn die Loyalität gegenüber ihren Eltern und auch Schamgefühle halten sie davon ab, sich Außenstehenden zu öffnen.

 

Aus Angst es könnte etwas über das Familienproblem“ herauskommen, vermeiden sie Situationen, in denen ihr Geheimnis enthüllt werden könnte. Das heißt, sie vertuschen in der Schule die häusliche Situation und vermeiden es, jemand mit nach Hause zu bringen. Dies kann zur sozialen Isolation führen. Und Freundschaften können nur schwer oder gar nicht aufgebaut werden. Durch die seltenen Kontakte mit Gleichaltrigen sei das Erlernen sozialer Kompetenzen oft nicht möglich und ein wichtiger Sozialisationsfaktor für die Kindesentwicklung nicht gegeben. Häufig käme es vor, dass betroffene Kinder auffälliges und unangemessenes Verhalten zeigen würden, was wiederum zu weiterer sozialer Ausgrenzung führen könne (Arenz-Greiving, 2006, S.7).

 

Oft gibt es in Alkoholikerfamilien bestimmte unausgesprochene Regeln, die den Familienalltag bestimmen (Wegscheider 1988, in Zobel 2006, S.23)

 

 Das Wichtigste im Familienleben ist der Alkohol.

 

 Der Alkohol ist nicht die Ursache von Problemen.

 

 Der abhängige Elternteil ist nicht für seine Abhängigkeit verantwortlich.

 

 Der Status quo muss unbedingt erhalten bleiben, koste es, was es wolle.

 

 Jeder in der Familie ist ein enabler‘ (Zuhelfer).

 

 Niemand darf darüber reden, was >wirklich< los ist.

 

 Niemand darf sagen, wie er sich wirklich fühlt.

 

Häufig ist die Kommunikation in der Familie auch in anderen Kommunikationsbereichen weit stärker gestört, als in Nicht-Alkoholikerfamilien. Dies führt zur Unterdrückung der Gefühle, schürt Ängste und lässt die durch die Alkoholsucht hervorgerufene Familiensituation unverändert bestehen. Statt normaler Gespräche sind Unehrlichkeit, Lügen, doppeldeutige Aussagen, Beschimpfungen und Drohungen an der Tagesordnung. Eine derartige Kommunikation führt unweigerlich zu großem Unbehagen. Nicht feste Regeln bestimmen die Kommunikation, sondern die Macht des Stärkeren. Worte verlieren dadurch ihren Wert und ihre Bedeutung, so dass Kinder sich nur noch auf Tatsachen verlassen und dem gesprochenen Wort misstrauen.

 

Kinder stehen inmitten dieser Kommunikationslosigkeit, ohne die Situation ändern zu können. Ihre Unsicherheit, wie der betrunkene Vater oder die nervöse Mutter reagieren, hält sie zurück, aus eigener Motivation Gespräche zu beginnen. Besonders die Wechselhaftigkeit und Launen des Alkoholikers verhindern jeden verbalen Kontakt. Die Folge davon ist, dass die Kinder innerhalb der Familie keinen Ansprechpartner für ihre Probleme und Sorgen haben“ (Bertling, 1993, S.56).

 

3.1.2 Unberechenbarkeit im elterlichen Verhalten


 

Klein, der in unterschiedlichen Studien im klinischen Kontext die Situation von Kindern aus Alkoholikerfamilien untersucht hat, spricht davon, dass zu den von den Kindern und Jugendlichen am häufigsten genannten Erfahrungen die Unberechenbarkeit im elterlichen Verhalten gehört.

 

Dies beziehe sich verstärkt auf den Alkohol trinkenden, aber auch auf den jeweils anderen – meist als co-abhängig bezeichneten - Elternteil.

 

Versprechungen, Vorsätze und Ankündigungen würden oft nicht eingehalten werden, und es herrsche ein inkonsistentes Belohnungs- und Bestrafungsverhalten vor.

 

Generell würden sehr viele Ambivalenzerfahrungen und Loyalitätskonflikte berichtet werden. Das bedeutet, z.B. manchmal übermäßig verwöhnt und manchmal übermäßig bestraft zu werden; den alkoholabhängigen Elternteil extrem zu verachten und zu hassen, ihn aber auch sehr zu mögen und zu umsorgen, oder zu glauben, den alkoholabhängigen Elternteil auch im Erwachsenenalter noch kontrollieren zu müssen.

 

Kinder in Alkoholikerfamilien würden glauben, dass z.B. Gefühlskontrolle, Rigidität, Schweigen, Verleugnung und Isolation geeignete Problembewältigungsverhaltensweisen seien.

 

Es herrschten auch oft extreme Belastungssituationen für die Kinder vor. Diese sind zusammenfassend dadurch gekennzeichnet, dass

 

1. sie mehr Streit, konflikthafte Auseinandersetzungen und Disharmonie zwischen den Eltern erleben, als andere Kinder;

2. sie extremeren Stimmungsschwankungen und Unberechenbarkeiten im Elternverhalten ausgesetzt sind;

3. sie häufiger in Loyalitätskonflikte zwischen den Elternteilen gebracht werden;

4. Verlässlichkeiten und Klarheiten im familiären Ablauf weniger gegeben sind sowie Versprechen eher gebrochen werden;

5. sie häufiger Opfer von Misshandlungen (physisch, psychisch, sexuell) und Vernachlässigung werden

 

(Klein, 2008, S.5)

 

Die Kinder werden durch dieses unberechenbare Auftreten extrem verunsichert. Und oft suchen sie in ihrem eigenen Verhalten den Grund für die Überreaktion des Abhängigen. Sie versuchen dann oft sich den widersprüchlichen Erwartungen des Abhängigen anzupassen, und verleugnen dabei ihre eigenen Gefühle (Zobel, 2008, S.43).

 

Alkoholabhängige Eltern leugnen – oft jahrelang – ihr Suchtproblem. Konflikte werden vermieden oder verharmlost, die Ursachen der Probleme nach außen geschoben. Die Kinder lernen, ihr Verhalten auf die aktuelle Situation abzustimmen und ihre Gefühle beiseite zu schieben (Arenz-Greiving, 2006a, S.6).

 

Zwischenfazit:

 

Ein zentrales Problem dieser Kinder ist die permanente Überforderung, denn sie dürfen ihre kindgemäßen Bedürfnisse meist nicht leben:

 

Das bedeutet, sie entwickeln oft sehr früh in ihrem Leben ein Verantwortungsgefühl gegenüber dem suchtkranken Elternteil. Sie erleben extreme körperliche Zustände mit, wie Rausch oder Entzug. Es besteht die Erwartung, dass sie sich still einfügen und niemanden in der Familie zusätzlich belasten. Dadurch müssen sie sich oft allein mit dem Alltag und den Anforderungen der Umwelt, wie z.B. Schule, zurechtfinden. Sie müssen Streit, Auseinandersetzungen und extreme Stimmungsumschwünge aushalten. Häufig sind sie Mittel in der Auseinandersetzung zwischen den Eltern und werden gezwungen, Partei zu ergreifen, wodurch sie in erhebliche Loyalitätskonflikte geraten. Und sie dienen als Objekt von Verwöhnung und Aggression. Sie erleben, dass Versprechen ihnen gegenüber in extremer Weise nicht eingehalten werden. Nicht wenige dieser Kinder erfahren...

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