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E-Book

Autismus. Symptomatik, Diagnostik und die Förderung Betroffener

AutorDimitrios Kalaitzidis, Melanie Leukert, Rebecca Hasenclever
VerlagScience Factory
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl169 Seiten
ISBN9783656488002
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Menschen mit Autismus leben in einer anderen Welt. Ihre Verschlossenheit und eingeschränkte Kommunikation ist für Angehörige oft nur schwer zu ertragen. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, mit dieser rätselhaften seelischen Störung positiv umzugehen. In diesem Buch wird das Krankheitsbild Autismus ausführlich dargestellt. Außerdem werden Fördermöglichkeiten für Betroffene vorgestellt und ethische Aspekte erläutert. Aus dem Inhalt: Autismus-Spektrum-Störungen, Symptomatik, Diagnostik, Interventionsmöglichkeiten, TEACCH, Ethische Aspekte

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Leseprobe

Autismus-Spektrum-Störung und seine Formen


Unter diesem Begriff werden der frühkindliche Autismus, das Asperger-Syndrom und der atypische Autismus zusammengefasst. Gemeinsamkeiten innerhalb des Spektrums sind: eingeschränkte soziale Interaktion, eingeschränkte Kommunikation sowie sich wiederholende Verhaltensmuster.

 

Das Kanner-Syndrom ist die bekannteste und verbreitetste Form des Autismus, während das Asperger-Syndrom, eine „milde“ Form des Autismus (und die am höchsten funktionelle), weniger erforscht ist. Diese beiden Syndrome bilden den Mittelpunkt dieses Kapitels. Der High-functioning-Autism, eine Sonderform des frühkindlichen Autismus, sowie der atypische Autismus sind nicht Bestandteil der Hausarbeit.


Frühkindlicher Autismus

Im folgenden Abschnitt werde ich den frühkindlichen Autismus nach den Klassifikationsinstrumenten, der Epidemiologie, Symptomatik, Ätiologie sowie nach seiner Diagnostik beschreiben.

 

Diagnosekriterien nach ICD-10 und DSM-IV

Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD, englisch: International Classification of Diseases and Related Health Problems) ist das elementare und weltweit anerkannte Diagnoseklassifikationsinstrument der Medizin und wird von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) herausgegeben. Diese internationale Einteilung und Klassifikation von Krankheiten und Gesundheitsproblemen ist für verschiedene Arbeitsfelder von Bedeutung. Für SozialarbeiterInnen meint dies eine Vereinfachung des Dialoges zwischen verschiedenen Professionen.

Die aktuelle Ausgabe des ICD wird als ICD-10 gekennzeichnet. Autismus wird dort als „tiefgreifende Entwicklungsstörung“ definiert und unter dem Schlüssel F84 verzeichnet. Der frühkindliche Autismus führt den Schlüssel F84.0 (Wiesbrock 2005,12).

Das DSM-IV (englisch: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders; Deutsch: Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen) ist ein Klassifikationsinstrument der American Psychiatric Association (Amerikanische Psychiatrische Vereinigung). Dieses Instrument wurde erstellt, um eine Diagnose und die Heilung von Krankheiten zu erleichtern. Das DSM-IV ist ein Ersatz und/oder eine Ergänzung für die jeweiligen Passagen im ICD-10 und macht, im Gegensatz zum ICD-10, geschlechterspezifische Unterschiede (Wiesbrock 2005, 12).

 

Werden Kriterien des frühkindlichen Autismus nach ICD-10 und DSM-IV zusammengefasst, sind folgende Gemeinsamkeiten zu erkennen: qualitative Abweichung in der sozialen Interaktion; qualitative Abweichungen im Kommunikationsmuster und ein begrenztes, stereotypes und sich wiederholendes Repertoire an Interessen und Aktivitäten (Steindal 2002 in Kuhles 2007, 13).„Tiefgreifende Entwicklungsstörungen“ beschreibt die Beeinträchtigung in den oben genannten Punkten. Abweichungen des Verhaltens und der Entwicklung der Betroffenen können unterschiedlich verlaufen und in ihrer Ausprägung stark variieren. Jedoch erfüllt nicht jedes Kind die klassischen Kriterien für den frühkindlichen Autismus. Um diese vom Asperger-Syndrom zu unterscheiden, stützen sich Professionelle auf die diagnostischen Merkmale des ICD-10.

 

Epidemiologie

Früher wurde angenommen, dass Autismus-Spektrum-Störungen sehr selten vorkommen. Aktuelle Untersuchungen zeigen deutlich höhere Prävalenzraten (Fombonne; Tidmarsh 2003 in http://aerzteblatt.pdf 2009, 60). Viele Studien behandeln den frühkindlichen Autismus, Untersuchungsergebnisse zu Asperger sowie zum atypischen Autismus sind seltener. Bis vor wenigen Jahren galt, dass bei einem Viertel aller AutistInnen eine geistige Behinderung vorliege, so zeigen aktuelle Studien, dass dies nicht zutrifft (Tidmarsh 2003 in http://aerzteblatt.pdf 2007, 875). Das Geschlechterverhältnis (männlich:weiblich) liegt bei 3:1. Die Häufigkeit des gesamten autistischen Spektrums wird mit 60 bis 65 auf 10.000 Schulkinder beziffert. Beim frühkindlichen Autismus beträgt die Rate 11 bis 18 / 10.000 Kinder. Diese Daten variieren von Studie zu Studie und die Ergebnisse von erwachsenen AutistInnen liegen noch nicht empirisch bestätigt vor. Autistische Störungen bei Mädchen gehen oft einher mit schwerer geistiger Retardierung (Kusch; Petermann 2001 in Kuhles 2005, 49).

 

Nationale und internationale Untersuchungen ergaben, dass Autismus in allen sozialen Schichten zu finden ist, in höheren sozialen Schichten ist der frühkindliche Autismus jedoch überrepräsentiert (Kuhles 2007, 23). Kanner beschrieb bereits 1943, dass die Eltern autistischer Kinder meist Akademiker seien. Bisher ist dies nicht eindeutig bewiesen. Autismus ist kein kulturspezifisches Störungsbild (Janetzke 1993, 35).

 

Symptomatik

Die Hälfte der Kanner-AutistInnen kann sich nicht lautsprachlich äußern. Sprechen sie, liegen oft Sprachentwicklungsstörungen vor (monotone Sprachmelodie, wörtliches Verständnis von Sprache). Grammatik und Artikulation sind weniger auffällig, jedoch gibt es Schwierigkeiten in der Semantik und starke Probleme mit dem sachgerechten Gebrauch von Sprache. SozialarbeiterInnen setzen hier stark auf Therapien, bei denen die Kinder malen und zeichnen können. Oft ist dies das einzige Mittel der Kommunikation mit Nicht-AutistInnen. Etwa 25% der Betroffenen leiden an epileptischen Anfällen.

 

Ätiologie

Früher wurde nach „der“ Ursache geforscht, heute wird die Ansicht vertreten, dass mehrere Faktoren für die Entstehung ausschlaggebend sind. Bis in die 60er Jahre wurde die These vertreten, Autismus entstehe aufgrund der emotionalen Kälte der Mutter („Kühlschrankmutter“), dies gilt heute als widerlegt. Bereits 1944 wies Hans Asperger darauf hin, dass die von ihm beschriebene „Autistische Psychopathie“ genetische Ursachen hat. Er vertrat die Ansicht, dass soziale sowie psychologische Faktoren Einfluss auf den Verlauf der Störung haben, jedoch nicht als Ursache zu verstehen sind (Asperger 1944, in Kusch, Petermann 2001, 76).

Heute ist bekannt, dass es aufgrund von Forschungen kaum Zweifel an einer biologischen Pathogenese der Autismus-Spektrum-Störungen gibt. Obwohl auf diesem Gebiet immer intensiver geforscht wird, fehlt bisher ein schlüssiges Modell zur Ätiologie und Genese (http://www.aerzteblatt.pdf 2007, 877). Bisherige Ergebnisse sprechen für folgende Faktoren, welche als Ursache für eine Autismus-Spektrum-Störung bekannt sind: genetische Faktoren, Hirnschädigungen oder Hirnfunktionsstörungen, biochemische Anomalien, assoziierte körperliche Erkrankungen, neuropsychologische Defizite oder die Wechselwirkung dieser Faktoren (Remschmidt; Schmidt 2006, 85). Weiterhin ist beim frühkindlichen Autismus die genetische Veranlagung durch Familien- und Zwillingsuntersuchungen eindeutig nachgewiesen. Derzeit werden molekulargenetische Untersuchungen durchgeführt (ebd., 87).

 

Diagnostik

Die Anamnese sowie das Beobachten von Kindern in verschiedenen Situationen sind elementare Grundlagen für eine Diagnose. Der frühkindliche Autismus tritt grundsätzlich vor dem dritten Lebensjahr auf. Erste Anzeichen können Ablehnung der Brust beziehungsweise Schwierigkeiten beim Zufüttern (beispielsweise Kau-Probleme und starre Vorlieben für gewisse Speisen) und ausgeprägte Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus sein. Sie sind weiterhin in ihren kognitiven Fähigkeiten deutlich eingeschränkt. Wenn eine allgemeine Verzögerung der gesprochenen sowie rezeptiven Sprache vorliegt, deutet dies auf den frühkindlichen Autismus.

 

Schwierig gestaltet sich eine Diagnose vor dem 18. Monat. Um den ersten Geburtstag kann es oft Laute bilden sowie seine Umwelt erforschen, Lächeln, auf den eigenen Namen hören, sich für andere Stimmen interessieren, einfache kindliche Spiele erlernen wie „Bitte-Bitte“ machen, winken, Arme entgegenstrecken. Um eine Fehldiagnose zu vermeiden, sollten bei nicht Vorliegen der oben genannten Grundmuster mögliche Hörprobleme und das Vorliegen einer autistischen Störung unbedingt abgeklärt werden.

 

Ursachen des Autismus sind derzeit nicht heilbar. Beschwerden, die dieses Störungsbild mit sich bringen, sind behandelbar. SozialarbeiterInnen begleiten Betroffene sowie Angehörige im Verlauf ihres Lebens. Eine therapeutische Zusatzausbildung der PädagogInnen ist wünschenswert, da tief in die Seelenwelt der Menschen eingedrungen wird. Noch immer gibt es lange Wartezeiten von mehreren Monaten für eine qualifizierte Behandlung. Viele AutistInnen haben frustrierende Erfahrungen machen müssen und vertrauen daher selten fremden Personen. Sie fühlen sich schnell in Therapien überfordert, falsch behandelt oder gar missverstanden. Kann ein/e AutistIn beispielsweise gut zeichnen, kann ein/e SozialarbeiterIn dort ansetzen und die Fähigkeiten weiter ausbauen (aus dem zeichnen kann schreiben erlernt werden). AutistInnen brauchen eine auf sie zugeschnittene Therapie, dies kann zu einem zufriedenen und selbstbestimmten Leben verhelfen.

 

Asperger-Syndrom

Nachfolgend beschreibe ich das Asperger-Syndrom nach seinen Klassifikationsinstrumenten, der Epidemiologie, der Symptomatik, Ätiologie sowie nach der Diagnostik.

 

Diagnosekriterien nach ICD-10 und DSM-IV

Das Asperger-Syndrom gehört, wie der frühkindliche Autismus, zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen. Erst 1991 fand das Asperger-Syndrom Zugang in die internationale Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (im ICD-10) und 1994 in das diagnostische und...

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